Flugscham, Fleischscham, Autoscham? Alles Quatsch. Die Grünen picken sich bestimmte Aktivitäten heraus, die mit Kohlendioxid-Emissionen verbunden sind. Doch fast alles, was ein Mensch tut, setzt CO2 frei.

Einen CO2-Sparwettbewerb gegen Annalena Baerbock und Robert Habeck würde ich locker gewinnen. Ich besitze kein Auto, kein Fernsehgerät und auch keine Espressomaschine. In meinem Leben habe ich nie ein Haus gebaut (das wäre CO2-mäßig wohl der schlimmste Frevel gewesen). Äußerst selten nur streame ich Filme, esse wenig Fleisch und habe kein Haustier. Zur Arbeit fahre ich mit dem Fahrrad, die meisten anderen Wege erledige ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Inlandsreisen mit der Bahn. Ich wohne in der Großstadt, trage also nicht zum Urban Sprawl bei und auch nicht zu langen Transportwegen. Beruflich bin ich im Naturschutz tätig. Allerdings muss ich zugeben, dass ich keinesfalls aus CO2-Einsparungsgründen Verzicht leiste. Sondern weil ich der Meinung bin, dass Besitz fesselt und ein Leben mit leichtem Gepäck viel angenehmer ist. Meine Motivation muss ja keinen interessieren, Fakt ist: Keiner meiner grünen Freunde, kann mit meinem winzigen CO2-Fußabdruck mithalten. Doch anstatt sich ihrer CO2-trächtigen Besitztümer zu entledigen jammern sie mir was von Flugscham vor. Ich dagegen fliege aus Überzeugung. 

Als Naturfreund halte ich es geradezu für eine Verpflichtung, auch armen Ländern zu ermöglichen ihre schönen Landschaften und wilden Tiere zu bewahren. Und wie macht man das? Man reist hin und lässt möglichst viel Geld dort. Glaubt jemand im Ernst, Tansania oder Costa Rica hätten ein Viertel ihrer Landesfläche zu Schutzgebieten für Tiere und Pflanzen erklärt, wenn es keinen Ferntourismus gäbe? Würde nicht viele Tierfreunde wie ich durch die Welt fliegen, dann hätten Tukane, Tapire, Zebras und Impalas längst Maisfeldern oder Ölpalmen weichen müssen. 

Wer das Fliegen und den Ferntourismus verteufelt, betrachtet alles durch eine vom CO2 getrübte Brille. Diese Klima-über-alles-Sichtweise blendet den Natur- und Umweltschutz aus. Die Beispiele für Klimapolitik auf Kosten der Natur häufen sich: In Südostasien wird der Regenwald für Ölpalmplantagen abgebrannt, damit Europäer Biodiesel tanken können. Deutschland verbaut seine Landschaft mit Windkraftwerken, die Hunderttausende Vögel und Fledermäuse vernichten, darunter seltene Arten. Zur Gewinnung von Biotreibstoffen wurden in Europa und Nordamerika riesige Monokulturen mit Energiepflanzen angelegt, in denen kaum ein Vogel und kein Schmetterling mehr leben kann. Alles im Namen des Klimas.

Bitteres Fazit

Wie zum Hohn verkünden die Klimaaktivisten, dass die Klimaerwärmung die Hauptursache für das Artensterben sei. Nicht mal der Weltklimarat (IPPC) behauptet das. Fragt man Ökologen, bekommt man zur Antwort, dass die großen Beschleuniger des Artensterbens, die Umwandlung von Steppen, Savannen und Wäldern in Agrarland und die unkontrollierte Ausplünderung der Natur sind, also Wilderei, übermäßige Jagd und Fischerei und das Ernten von Wildpflanzen. „Insgesamt muss man das bittere Fazit ziehen,“ sagt der Ornithologe Martin Flade, „dass Auswirkungen des Klimawandels selbst auf die biologische Vielfalt bisher wenig nachweisbar, die Auswirkungen der Klima-und Energiepolitik dagegen dramatisch sind.“

Baerbock und Habeck und ihre außerparlamentarischen Hilfstruppen protestieren gern gegen Autos, Flugreisen und die Landwirtschaft. Diese Auswahl ist jedoch völlig willkürlich. Sie steht nur deshalb auf der öffentlichen Agenda, weil es Lieblingsthemen der Grünen sind. Dabei gerät schnell in Vergessenheit, dass so gut wie alles, was Menschen und auch die Tiere tun, mit CO2-Emissionen verbunden ist – angefangen beim Ausatmen. CO2 ist ein Grundbaustein des Lebens. Das Ziel einer CO2-freien Wirtschaft ist so intelligent wie die Forderung den Sauerstoff zu verbieten. 

Leider kommt kein Journalist darauf, die Auto-Flugzeug-Landwirtschaft-Obsession mal in Frage zu stellen. Viel CO2 könnte man beispielsweise einsparen, wenn man Fußball und am besten gleich alle Sportveranstaltungen verbietet. Millionen Fans würden nicht mehr durch die Gegend reisen. Stadien müssten nicht gebaut werden. In die schon vorhandenen Arenen könnte man Windräder stellen. Der CO2-Effekt wäre immens. Nur würde leider auch der Beliebtheitseffekt des Politikers, der das vorschlüge, deutlich sinken. Deshalb tut es keiner. Doch rein rational betrachtet braucht kein Mensch Fußball. Während Autos, Flugreisen und Landwirtschaft durchaus sinnvoll und notwendig sein können. Was für den Fußball gilt, gilt übrigens genauso für Popkonzerte, Kirchentage und viele Tausend andere Großveranstaltungen, die kein Mensch wirklich braucht.

Was ist mit Haustieren?

Ebenso berechtigt wäre die Forderung, den Datenverkehr zu reduzieren. Allein die in Frankfurt stehenden Server benötigen mehr Energie als der Flughafen. Etwa zehn mittlere Kraftwerke sind notwendig, um den Strom für die deutsche Netzinfrastruktur zu erzeugen. Verständlich, dass Baerbock und Habeck lieber die Landwirtschaft verteufeln, als auf ihre Smartphones zu verzichten. Zumal die Grünen ohnehin nicht von Bauern gewählt werden. Und wo wir gerade bei der Lebensmittelerzeugung sind: Die meiste Energie wird nicht beim Anbau oder beim Transport, sondern zuhause beim Kochen eingesetzt. Statt Autos könnte man also auch warmes Essen abschaffen. 

Und noch eine Tatsache zum Verhältnis Stadtbewohner und Landwirtschaft, der vielen unbekannt ist: Immer mehr Tiere werden zum Vergnügen gehalten, während die Zahl der Nutztiere sie vielen Jahren sinkt. In den Wohnungen der Deutschen leben zirka 34 Millionen Säugetiere und Vögel, dazu kommt rund eine Million Sportpferde. Das ist zusammen fast so viel wie alle Schweine, Rinder und Schafe. Ein Verzicht auf Haustiere würde also die CO2-Bilanz fast ebenso verbessern wie ein Fleischverzicht. Zumal die meisten der geliebten Hausgenossen ja ebenfalls Fleischfresser sind. Aber auch das ist kein Thema. 

Es gibt einen alten Witz über Veganer, der entlarvt, warum manches zur politischen Forderung wird und anderes nicht:

Warum beschimpfen Veganer alte Frauen mit Pelzmantel? Weil sie sich nicht trauen, Biker in Lederjacken anzupöbeln.  

Angesichts der vielfältigen Möglichkeiten, die persönliche CO2-Emission zu reduzieren, lasse ich mir jedenfalls das Reisen nicht vermiesen. Man kann lange fliegen, bis so viel CO2 freigesetzt wurde, wie bei der Herstellung des Elektroautos so eines Klima-Oberlehrers. Ich bin der Grünste!