Zwar haben die Demokraten ein paar Siege eingefahren. Aber der Anfang vom Ende der Ära Trump war diese Wahl nicht. Seine Gegner haben immer noch kein Rezept gegen ihn und seinen Politikstil gefunden.

Erstens: Die Regeln der amerikanischen Demokratie sind auch unter Trump nicht außer Kraft gesetzt. Wie eigentlich immer gewinnt die Minority Party zwei Jahre nach der Wahl eines neuen Präsidenten das Repräsentantenhaus. Die Demokraten haben auch sonst einige durchaus überraschende Siege eingefahren, darunter den Gouverneursposten in Kansas und unerwartete Mandate selbst in tiefroten Staaten wie Oklahoma. Mit besonders großer Genugtuung wurde außerdem der denkbar knappe Sieg des demokratischen Kandidaten Tony Evers bei den Gouverneurswahlen in Wisconsin aufgenommen, der den seit Jahrzehnten amtierenden und auf der Linken verhassten Republikaner Scott Walker ersetzt.

Man darf sich von diesen Ergebnissen aber nicht täuschen lassen, denn trotz solcher Siege und einiger medienwirksamer „Firsts“ – der ersten lesbischen Ureinwohnerin und den ersten Muslimas im Kongress – war von einer „Blue Wave“, zweitens, nicht viel zu sehen. Die demokratische Mehrheit im House ist grundsolide, mehr aber auch nicht. Von den atemberaubenden Dimensionen der Republican Revolution bei den Midterms 1994 bleibt diese Wahl weit entfernt, oder um es drastischer zu sagen: Präsident Clinton hatte es seinerzeit mit einem um mehrere Größenordnungen massiveren Backlash zu tun als heute Präsident Trump. 

Trump hat deswegen, drittens, tatsächlich Grund zum Feiern. Denn trotz höchster Wahlbeteiligung und extremer Polarisierung, die beide eigentlich den Demokraten hätten nützen müssen, hat die GOP viele wichtige Rennen gewonnen, darunter fast alle offenen Senatssitze. Das House, den Umfragen nach eh seit Langem kaum zu retten, wird die Partei mutmaßlich gerne abhaken, solange in Swing States wie Florida selbst in einem Midterm-Jahr durch die Bank weg Republikaner gewinnen. 

Ein bisschen wie Peak Oil

Das wiederum muss denn auch für Demokraten die größte Sorge sein: Ihre junge, hippe Urban Diversity Crowd hat zwar durchaus Plätze gut gemacht, in der Fläche fehlte aber offensichtlich noch das Rezept für die entscheidenden Prozente. Was, viertens, auch wieder zeigt: Der demographische Wandel in Amerika zugunsten der Demokraten ist ein bisschen wie Peak Oil – er wird seit Jahren minütlich erwartet und kommt doch einfach nicht. Stattdessen lesen wir alle zwei Jahre dieselben Analysen darüber, dass Texas in zwei Jahren nun aber wirklich ganz bestimmt fallen werde. 

Da aber Senatswahlen in Indiana und die Frage, wer in South Dakota Gouverneur wird, in Europa eigentlich sowieso niemanden interessieren, nun zurück zum Ursprungsthema: Wie geht es weiter mit Trump? Die Kurzfassung lautet: Wer ihn nicht mag, für den wird es jetzt nicht viel leichter.

Denn mit dem House Intelligence Committee und der damit verbundenen Macht, Dokumente anzufordern und Personen vorzuladen, haben die Demokraten jetzt zwar durchaus eine Handhabe für die weitreichenden Untersuchungen gegen Trump, die der bisherige Ausschussvorsitzende Devin Nunes immer blockiert hatte. Mit ihrer Mehrheit im House kann die Partei theoretisch außerdem ein Impeachment gegen Trump anstrengen. Nur: Was bringt das? Dass es Trump schadet, wenn nun irgendwelche krummen Deals von ihm aufgedeckt werden, kann schließlich nur glauben, wer in den letzten drei Jahren keinerlei Nachrichten verfolgt hat.  Noch schwerer wiegt aber, dass ein Impeachment – seit 2017 die große Hoffnung der Demokraten – eine rein symbolische Geste bleibt, solange der Senat als entscheidendes Gremium den Präsidenten am Ende nicht des Amtes enthebt. Dass sich die dafür nötige Zweidrittelmehrheit findet, war schon vor der Wahl nahezu ausgeschlossen, mit den neuen, noch radikaler pro Trump eingestellten GOP-Senatoren dürfte das Thema nun endgültig erledigt sein.

Schlammschlachten drohen

Bedenkt man außerdem, dass die mehrheitlich urbanen Wähler der Demokraten ebenfalls vielfach Kandidaten mit ausgesprochen unmoderaten Ansichten ins Rennen geschickt haben – Alexandria Ocasio-Cortez lässt grüßen – dürfen wir uns auf eine zweijährige Schlammschlacht im Kongress freuen, die Trumps, vorsichtig gesagt, unversöhnlichem Naturell nicht ungelegen kommen dürfte. 

Wie dann in zwei Jahren die Präsidentschaftswahl ausgeht, ist derzeit anyone’s guess. Die Demokraten können sich mit ihren Siegen im Mittleren Westen motivieren, den Hillary 2016 noch so tragisch wie knapp wie überraschend verloren hatte. Von Erdrutschsiegen war dort dieses Jahr aber auch nichts zu sehen, und das Partei-Establishment hätte sicher mit dem einen oder anderen Sitz im Repräsentantenhaus weniger leben können, wenn man dafür in Staaten wie Florida einen Sieg eingefahren hätte.

Antisemiten im Kongress

Nur als Fußnote sei noch angemerkt, dass einige der schlimmsten Antisemiten es leider wieder in den Kongress geschafft haben, darunter Steve King aus Iowa, der selbst seiner eigenen Partei im Wahlkampf ein bisschen zu schmierig geworden war. Die frisch gewählte Demokratin Ilhan Omar aus Michigan dagegen ist schon lange eine Gegnerin der „israelischen Apartheid“, und altgediente Abgeordnete wie Andre Carson aus Indiana und Danny Davis aus Illinois zählen bis heute zur Fanbase des Nation-of-Islam-Predigers Louis Farrakhan, der noch mehr als Schwule nur noch Juden hasst. Dana Rohrabacher aus Kalifornien wiederum, wegen seiner speichelleckerischen Moskautreue gerne als „the Kremlin’s favorite Congressman“ bezeichnet, hat seinen Wahlkreis offenbar ganz knapp verloren. Wir sagen tschö mit Ö! 

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Demokraten eine gute Performance abgeliefert und das House überzeugend zurückerobert haben. Die durchwachsenen sonstigen Ergebnisse haben aber gezeigt, dass Trumps Basis eben doch weiterhin breiter ist als New York Times und Washington Post lesende Kreise beiderseits des Atlantiks es gerne wahrhaben wollen.

Wenn die Demokraten vor diesem Hintergrund 2020 eine Chance haben wollen, müssen sie dem Sirenengesang des linken Aktivistenflügels widerstehen. Mit Joe Biden als Aushängeschild kann die Partei Trump in zwei Jahren möglicherweise schlagen – mit Linda Sarsour ganz sicher nicht. 

Lesen Sie die Erwiderung von Hannes Stein: Wenn das kein Grund zur Freude ist…?