Viele Brüche beginnen mit einem Riss. Wem die Form der Sprache egal ist, der soll sich nicht über die Inhalte beschweren. Ein Klagelied.

Als die unschuldige Präposition „vor“ überrollt wurde von „im Vorfeld“ und damit die Bürokratisierung der Sprache voranschritt, habe ich geschwiegen. Ich war ja keine Präposition.

Als der seltene Bindestrich von ignoranten Agenturtextern restlos vernichtet wurde, so dass nun eine wachsende Legion von Hauptwörtern – ihres Zusammenhangs beraubt und von Leerzeichen getrennt – wie Ahasver vor unseren Augen vorbeiziehen muss, habe ich geschwiegen. Ich war ja kein Bindestrich.

Als selbst Nachrichtensprecher begannen, einfache Verben wie steigen, wachsen oder mieten mit der überflüssigen Vorsilbe „an“ zu verschandeln, weiß Gott warum, da habe ich geschwiegen. Ich war ja kein Verb.

Als die Kommas ihrer Würde beraubt und der Beliebigkeit ausgesetzt wurden, so als hätte ein Hirntoter sie in einer Splitterbombe über allen Texten dieses Landes abgeworfen, da habe ich geschwiegen. Ich war ja kein Komma.

Als niemanden mehr der Unterschied interessierte zwischen anscheinend und scheinbar, zwischen demselben und dem Gleichen, da habe ich geschwiegen. Ich wollte ja nicht kleinlich sein.

Als Räume zu Räumlichkeiten wurden und Verantwortung zu Verantwortlichkeit, so als hätten sich diese Wörter bei einem Sturz aus dem Hörsaal eine schmerzhafte Schwellung zugezogen, da habe ich geschwiegen. Ich fühlte mich für Substantive nicht verantwortlich.

Als man Trottel nicht mehr daran erkennen konnte, dass sie die Groß- und Kleinschreibung nicht beherrschen, weil diese Fertigkeit längst zu einem Hobby rettungslos verlorener Snobs geworden war – da, das gebe ich zu, wurde ich nervös.

Als selbst ein Ausrufezeichen nicht mehr reichte, sondern mindestens drei von ihnen stramm stehen mussten, wenn man etwas verdeutlichen wollte, so dass unsere schriftliche Kommunikation ein einziges Gebrüll wurde, da hätte ich gerne protestiert!!! Aber man konnte mich schon nicht mehr hören.

Und jetzt, da Fakten nicht mehr heilig sind und Wahrheit und Lüge ineinanderlaufen wie zwei nasse Farbkleckse auf einem Kinderbild; jetzt, da sie uns von den Regeln befreien, die alles zusammenhalten, und dafür die Freiheit regulieren – da ist keiner mehr da, der dagegen anschreiben könnte. Jedenfalls nicht korrekt.