Filme übers Essen sind gerade sehr angesagt. Leider werden in dem Genre viel zu viele sentimentale Streifen produziert. Ein sehenswerter Ess-Film geht über Küche & Co hinaus und hat ontologische Dimension. Hier die 10 Besten von A bis Z

1. Babettes Fest (Dänemark 1987) Warum? Weil dieser Film endlich einmal ungeschminkt erzählt, was der Protestantismus kulinarisch verbockt hat. Und dass eine einzige Französin den Schlammassel wieder gutmachen kann. Wann anschauen? In entbehrungsreichen Zeiten: Auf Diät, im Schwedenurlaub oder in den Niederlanden. Wann bleiben lassen? Wer sich vor strengen Betschwestern in schwarzen Hauben fürchtet, kann auf „Chocolat“ mit Juliette Binoche ausweichen: Gesofteter Plot, ähnliches Happy-End.

2. Brust oder Keule (Frankreich 1976) Warum? Weil Louis de Funès schon vor 40 Jahren wusste, wohin die Reise geht: Über nichts kann man sich so herrlich vom einfachen Volk abgrenzen, wie über das Essen. Wann anschauen? Wenn man sich über die unverschämten Preise im Bioladen geärgert hat: Immer noch besser als diese Hühnchen aus der Retorte. Wann bleiben lassen? Wenn Sie neulich in diesem sündteuren Restaurant das Gefühl hatten, hinter die Fichte geführt zu werden.

3. Das große Fressen (Frankreich/Italien 1973) Warum? Weil jedermann glaubt, bei der Fress- und Furzorgie mit Michel Piccoli handele es sich um den Filmklassiker zum Thema Essen. Was so nicht stimmt. Wann anschauen? In Vorbereitung auf ein Noviziat im Schweigekloster. Nach dem Film sollte Askese leichtfallen. Wann bleiben lassen? Wenn man die Parabel auf eine hedonistische Bourgeoisie für überholt hält. Denn die lebt jetzt nikotin- und glutenfrei.

4. Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber (N/F/GB 1989) Warum? Weil eine umfassende Beschäftigung mit dem Thema nicht ohne die Ekel-Abteilung Kannibalismus auskommt. Wann anschauen? Liebhaber von opulenten Platten und ausladenden Buffets kommen auf ihre Kosten. Lieber nicht so genau hinsehen: Der Clou steckt im Detail. Wann bleiben lassen? Wem schon die Redensart „zum Fressen gern“ zu viel ist, sollte Abstand nehmen.

5. Eat Drink Man Woman (USA/Taiwan 1994) Warum? Weil die chinesische Küche mit ihren lackierten Enten, ihren Hühnerfüßen und Wok-Wolken nie wieder so prächtig in Szene gesetzt wurde. Wann anschauen? Vor dem Trip nach Taipeh oder Shanghai. Wann bleiben lassen? Meisterkoch Zhang ist ein Patriarch alter Schule, wer das nicht verträgt, muss raus aus der Küche.

6. How to cook your life (Deutschland 2010) Warum? Weil Doris Dörries‘ Dokumentarfilm über einen Zen-Mönch und Koch dem Glück eines mit Liebe zubereiteten, einfachen Essens endlich einmal ein Denkmal setzt. Wann anschauen? Wenn der nächste komplizierte Food-Trend um die Ecke kommt. Wann bleiben lassen? Wer von epischer Schlichtheit und langen Kameraeinstellungen melancholisch wird, sollte vielleicht besser Louis de Funès einschalten.

7. Julie und Julia (USA 2009). Warum? Weil man nach 180 Folgen „Mad Men“ und Sixties-Feeling endlich auch hinter die Geheimnisse der Haus- und Ehefrauen kommen möchte. Wann anschauen? Wenn man sich für die klassische französische Küche interessiert und „Ein Amerikaner in Paris“ liebt. Wann bleiben lassen? Meryl Streep spielt die propere Diplomatengattin so überzeugend, dass Streep-Genervte die 123 Minuten (sic!) auf keinen Fall durchhalten werden.

8. Ratatouille (USA 2007) Warum? Weil die Geschichte einer kreativen und geruchssensiblen Wanderratte, die sich in der Pariser Sternegastronomie nach oben kocht, auch noch beim dritten Mal rockt. Wann anschauen? Wer einmal ein Kind war oder Kinder hat oder später vielleicht einmal Kinder möchte, sollte den Animations-Film von Pixar griffbereit haben. Wann bleiben lassen? …?

9. Tampopo (Japan 1985). Warum? Weil die lebenslange Perfektionierung einer Speise, in diesem Fall einer japanischen Nudelsuppe, einer Zen-Meditation nahekommt. Wann anschauen? Wenn der Mensch etwas Warmes braucht und dabei darüber nachdenkt, dass Sex und Essen so gut wie dasselbe sind. Wann bleiben lassen? Wer Episodenfilme verwirrend findet und klassische Samurai-Filme verehrt, könnte scheitern.

10. Toast (GB 2010) Warum? Weil die Tristesse der englischen Küche der perfekte Kontrast für alles Leckere ist. Wann anschauen? Menschen, die immer noch an ihrer unglücklichen Kindheit zu knabbern haben, werden Trost in „Toast“ finden. Wann bleiben lassen? Helena Bonham Carters blondierter Haarhelm leuchtet mit einer turmhohen Zitronen-Baiser-Torte um die Wette. Nichts für zarte Gemüter.

 

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In ihrer Kolumne „Essen mit Ellen“ setzt sich Ellen Daniel mit kulinarischen Spezialitäten auseinander – und den kulturellen Hintergründen. Sämtliche bisher erschienene „Essen mit Ellen“-Beiträge finden sich hier.