Unser Gastautor Ulf Heitmann ist Vorstand einer gemeinwohlorientierten Wohnungsgenossenschaft. Den geplanten Mietendeckel der Berliner Landesregierung hält er für Murks, dazu nicht umsetzbar und am Ende auch für kontraproduktiv.

Seit Juni diskutiert Berlin aufgeregt über die Pläne des Senats, einen sogenannten Mietendeckel einzuführen. Auch im Rest des Landes wird die Debatte verfolgt. Vor allem die Neuverträge trieben die Durchschnittswerte des Mietspiegels nach oben, so die Begründung der drei Regierungsparteien. Auch die Idee, Bestandsmieten zu senken oder für fünf Jahre einzufrieren, wird diskutiert.

Natürlich ist die Idee sehr sympathisch. Jeder Mieter, jede Mieterin freute sich, weniger Geld für die Nutzung des Lebensmittelpunkts auszugeben. Auch die Aussicht, in den nächsten fünf Jahren keine Mieterhöhung zu bekommen, muss zwangsläufig viele Anhänger finden. Biertrinker würden solche Maßnahmen im Hinblick auf ihr Lieblingsgetränk ebenfalls sehr begrüßen. Dass das Bier aber in einigen Jahren noch so gut schmecken würde wie im Moment, ist eher nicht anzunehmen. Ebenso wenig, dass allzu viele Brauereien eine solche Maßnahme überstehen würden.

Aber Bier ist eben keine Wohnung. Bier kann trotz zunehmenden Wassermangels in nahezu unbegrenzter Menge hergestellt werden. Wohnungen eben nicht.

Oder?

Neubau wird verhindert

Schon hier zeigen sich Zweifel. Klar, könnten erheblich mehr Wohnungen in Berlin für die stark wachsende Zahl von Berlinerinnen und Berlinern entstehen. Wenn es eben nicht von vielen Seiten verhindert würde. Nachbarn potenzieller Baustellen wehren sich, NIMBY-Initiativen wachsen noch schneller als Beton angemischt werden kann. Hinzu kommt ein durch die diskontinuierliche Baupolitik der letzten Jahrzehnte entstandener Engpass im Baugewerbe. Und nicht zuletzt eine besonders von den Linken in allen drei Berliner Regierungsparteien aufgestellte Behauptung motiviert die Verhinderungsstrategen: Nach dieser würden Neubauten Mieten eher treiben als senken. Einer der ersten Akte von Rot-Rot-Grün war folglich der Baustopp eines Hochhauses auf der Fischerinsel. In dem Gebäude, über dessen Architektur eine renommierte Jury nach einem öffentlichen Beteiligungsverfahren entschieden hatte, wollte die städtische Wohnungsbaugesellschaft WBM ca. 320 Wohnungen bauen – davon ein Drittel geförderte Sozialwohnungen. Aber Unterschriften der überwiegend rot-rot wählenden Nachbarn bewegten die zuständige Senatorin und den Baustadtrat, den Bau zu verhindern.

Im Verfahren zum Stadtentwicklungsplan Wohnen 2030 (STEP Wohn 2030) wurde 2018 ein aufgelaufenes Defizit von rund 77.000 Wohnungen festgestellt. Insgesamt würden bis 2030 gewaltige 181.000 neue Wohnungen benötigt, und zwar als Erstwohnsitze und möglichst preiswert. Diese Zahlen basierten auf sehr konservativen Schätzungen des Bevölkerungswachstums in Berlin. Dass sich solche auf nur einem Szenario aufbauende Pläne stets innerhalb kurzer Zeiträume als überholt herausgestellt haben – der STEP 25 war bereits bei seiner Veröffentlichung Makulatur – hat bislang nicht zu einer Flexibilisierung dieses Instruments geführt. Die Baufertigstellungs- und Bauantragszahlen der vergangenen drei Jahre reichen nicht aus, die Lücke zu schließen. In diesem Jahr ist sogar ein Rückgang der Bauanträge zu verzeichnen. Aber das ist in den Augen der Regierenden offenbar nicht besonders schlimm, denn die Mieten sollen ja anderweitig erträglich werden –  nicht durch marktkonforme Instrumente, sondern staatliche Intervention.

Der zurzeit debattierte Referentenentwurf wird entweder bejubelt oder verworfen. Eine sachliche und umfassende Debatte in der Öffentlichkeit hat keine Chance. Die Polarisierung müsste nun durch eine kluge, abwägende und integrierende Politik entschärft werden – und zwar vor allem seitens der drei Regierungsparteien. Demokratie erfordert Sachkunde, Fairness und Sachlichkeit. Stattdessen werden Kritiker als „durchsichtige Scharfmachero. ä. gebrandmarkt. Uni-Professoren, Journalisten und Immobilienfachleute so zu betiteln und ihnen Inkompetenz vorzuwerfen, nimmt die politischen Mittel derer auf, die diese Demokratie zerstören wollen. Da läuft wohl was falsch.

Wer soll das eigentlich stemmen?

Ich will an dieser Stelle nicht auf die vielen juristischen, wohnungs- und volkswirtschaftlichen Argumente der Kritiker eingehen, zu denen ich mich zähle. Die Stellungnahmen liegen vor, sind im Web zu lesen. Interessant sind dabei die Positionen der beiden Anwaltsvereine, des Deutschen und des Republikanischen. Beide sind von renommierten Juristen geschrieben, die an deutschen Universitäten ihren qualifizierten Berufsabschluss erlangt haben. Doch mich interessiert hier eine andere Frage: die der Ressourcen. Ein Argument haben alle Befürworter und Kritiker des Deckels auf Lager: der Personalbedarf in der Verwaltung, die den Mietendeckel durchsetzen müsste. Es geht hierbei um die Mieten von bis zu 1,4 Millionen Haushalten, die auf Zulässigkeit kontrolliert werden müssten, um Härtefälle und Zumutbarkeiten, Ausnahmetatbestände und die Angemessenheit von Kosten von jährlich tausenden Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen. Die dafür erforderlichen beruflichen Qualifikationen werden juristischer, v. a. verwaltungsrechtlicher und kaufmännischer Art sein. Außerdem müssen sich die Kontrolleure mit Baukostenmanagement auskennen. Es sind also stark nachgefragte und hochausgebildete Menschen dafür erforderlich, die nach Stand heute, ab Januar 2020 eingestellt, nach BAT eingeordnet und arbeitsfähig (konkrete Aufgabenbeschreibung, Hard- und Software, Arbeitsplatzbeschaffung etc.) sein sollen. Aber noch kann niemand eingestellt werden; alle Voraussetzungen dafür fehlen. Mao hat das „imperialistischer Papiertiger“ genannt.

Noch mehr Zweifel kommen mir, wenn ich die aktuellen Meldungen über die Grenzen des Wachstums (der Verwaltung) vernehme: Berlin ist nicht in der Lage, die Einhaltung und Umsetzung des im Juli 2016 (!) in Kraft getretenen Hundegesetzes zu kontrollieren. Die Bäume in Parks und an Straßen haben erhebliche Schäden, da die Grünflächenämter aus personellen Gründen nicht in der Lage sind, ihren gesetzlichen Aufgaben nachzukommen. Der Zustand der Berliner Parks wird sich verschlechtern, da im nächsten Jahr die Haushaltsmittel auf ca. 37 Millionen Euro reduziert werden sollen. Die Senatsverkehrsverwaltung hat keinen Überblick darüber, wie viele Radwege wo in Berlin gebaut werden. Die Bezirke haben nicht die Kapazität, dies dem Senat auch nur zu übermitteln. Nur eins ist klar: Es werden zu wenige gebaut. In den Bürgerämtern gibt es trotz Einstellungsoffensive zwei Mitarbeiter*innen mehr, als 2014, und dies bei gestiegenem Arbeitsaufwand. Die durchschnittliche Baugenehmigungsdauer beträgt ca. elf Monate. Die durchschnittliche Zeit zwischen Aufstellung und Rechtskraft eines Bebauungsplans beträgt acht Jahre. Das seit September geltende Durchfahrverbot für alte Diesel-PKW an einigen Straßen ist nicht durchsetzbar, da es an den notwendigen Verkehrsschildern mangelt, der Umsetzungstermin ist nicht abzuschätzen. Das Ende 2016 (!) verabschiedete Bundesteilhabegesetz kann in Berlin zum 1. Januar 2020 (!) nicht umgesetzt werden, da die dafür erforderlichen Personalstellen nicht besetzt werden konnten, soweit überhaupt schon ausgeschrieben. Die zur Beschleunigung der Schulbauoffensive installierten 24 Stellen in den überbezirklichen Regionalverbünden sind nur zu ganz geringem Teil besetzt. Die Vergabestellen, die seit September 2018 die elektronische Vergabe organisieren sollen, sind weder vollständig eingerichtet noch besetzt. Die Amtsanwaltschaft läuft Sturm, da viele Verfahren eingestellt werden und Nachermittlungen nicht möglich sind. Insgesamt hinken die Einstellungen im öffentlichen Dienst dem Bedarf hinterher. Noch mehr? Ich denke, das genügt zum Anschaulichmachen.

Und wovon bezahlen?

Wenn wir Bürger uns etwas kaufen wollen, das Geld kostet, gucken wir, ob wir 1. das Portemonnaie eingesteckt haben und 2. ob hinreichend Geld drin ist. Wer das nicht tut, scheitert spätestens an der Kasse. Berlin macht das anders. Der gute Zweck macht das Problem aber nicht weg. Ein nicht durchsetzbares Gesetz, mit dem so viele Hoffnungen geweckt werden – bestimmt etwas mehr, als z. B. mit dem Hundegesetz, für dessen fehlende Wirkung man als Hundebesitzer und vor allem als Hund dankbar sein kann – wird aber nicht nur das Mietenproblem nicht lösen, sondern die heute Enthusiasmierten werden die Frustrierten von Morgen sein. Die Folge wäre eine weitere Entsachlichung von politischer Auseinandersetzung und eine weitere Polarisierung in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung.

Hoffen wir, dass rechtzeitig doch noch jemand ruft: „Senat, hast Du das Portemonnaie einge- steckt?“

Dann darf aber nicht gelogen werden.

 

Unser Gastautor Ulf Heitmann ist Jurist und Vorstand der Berliner Wohnungsgenossenschaft Bremer Höhe eG, die in Berlin und Brandenburg 700 Wohnungen und Gewerbeeinheiten verwaltet, in denen 1600 Menschen leben. Gerade baut man 21 Wohnungen dazu. Foto: Claudia Burger