Das Folgende ist irre, gesponnen, aber in diesen finsteren Zeiten wird man ja vielleicht wenigstens noch träumen dürfen. Voilà:

Morgen oder in drei Jahren wird eine El-Al-Maschine in Riad gesichtet, und der israelische Premierminister steigt aus. Er ist mit Seiner Königlichen Hoheit, dem Kronprinzen von Saudi-Arabien, verabredet. Die beiden schütteln einander vor den Kameraaugen der Welt freundlich die Hände, wechseln ein paar unhörbare Worte. Dann verschwinden sie für mehrere Stunden in den Privaträumen von Mohammed bin Salman.

Eine Woche später landet die Privatmaschine des saudischen Kronprinzen auf dem Ben-Gurion-Flughafen. Mohammed bin Salman hält im vollen Ornat (kariertes Kopftuch inklusive) eine Rede vor der Knesset. Im Wesentlichen wiederholt er dort, was er schon im Interview mit Jeffrey Goldberg in „The Atlantic“ gesagt hat: „The Israelis have the right to their own land.“ Natürlich müssten auch die Palästinenser ihren eigenen Staat bekommen, aber das lasse sich bewerkstelligen, denn: „Islam is a religion of peace.“ Überhaupt hätten Israelis und Araber einen gemeinsamen Feind: die „Islamische Republik Iran“. Nicht die Schiiten, nicht die Perser, aber dieses monströse Gebilde und seine terroristischen Ableger – und sein genozidales Klientelregime in Syrien. Es müsse unbedingt verhindert werden, dass der Iran Atombomben in die Hand bekomme.

Ein paar Monate später erkennt der israelische Premierminister den Staat Palästina mit Ostjerusalem als Hauptstadt an. Er schickt die israelische Armee, um Siedlungen im Westjordanland zu räumen. (Nicht alle, aber jene, die sich außerhalb der großen Siedlungsblöcke befinden.) Es kommt zu Krawallen, Demonstrationen, Schlägereien, aber am Ende fügt sich die Siedlerbewegung ins Unvermeidliche.

Geheimplan

Zugleich tritt der Plan in Kraft, den der israelische Premierminister im Geheimen mit Mohammed bin Salman ausgehandelt hat: Die Saudis helfen den Israelis beim „nation building“. Dieser Plan hat zwei Seiten. Die eine Seite ist sichtbar: Die Palästinenser werden stinkreich. Der Gazastreifen bekommt einen prächtigen Flughafen gebaut – und einen ebenso prächtigen Hafen, der ihn mit dem Mittelmeer verbindet. Saudische Baufirmen graben einen schönen breiten Tunnel, der unter Israel hindurchführt (natürlich mit vielen Überwachungskameras, damit niemand dort unbemerkt Sprengstoffpakete anbringen kann), einen Tunnel, der Gaza mit dem Westjordanland verbindet. Binnen fünf Jahren sieht Gaza City so aus wie Hong Kong. (Oder eben wie Riad.) In Ramallah siedeln sich Start-Up-Unternehmen an.

Die unsichtbare Seite der Aufbauhilfe: In den palästinensischen Moscheen treten von den Saudis finanzierte und ausgebildete Prediger auf, die sagen, dass es sich bei den Juden nicht um Feinde, sondern die natürlichen Verbündeten der Muslime handle und dass Tel Aviv, Haifa, Aschkelon, Westjerusalem israelische, nicht palästinensische Städte seien. Natürlich wird manchen dieser Prediger nachts die Kehle durchgeschnitten, aber Saudi-Arabien schickt schon am Morgen danach ständig neue Imame, die die Botschaft verkünden, der Islam sei immer dann groß gewesen, wenn er sich gegenüber der Welt geöffnet habe. Der Prophet – Friede seinem Andenken! – habe gelehrt, „Dschihad“ bedeute, an seiner inneren Vervollkommnung zu arbeiten. Palästinensische Jungen und Mädchen lernen in den Kindergärten nicht den Heldentod, sondern ihren Freund Elmo kennen; und ihr Freund Elmo spricht außer Arabisch auch Hebräisch. Arbeitslose palästinensische Jugendliche können mit Hilfe von saudischen Petrodollars kostenlos studieren: Mathematik, Ingenieurswissenschaften, arabische Literatur, Gender Studies. Binnen kurzem drohen die palästinensischen Universitäten, den israelischen den Rang abzulaufen.

Unterdessen endet der verheerende Krieg im Jemen mit einem „Unentschieden“. Saudi-Arabien hat jetzt Wichtigeres zu tun.

Kein Klebemittel mehr

In den ärmeren Gegenden von Israel – etwa in Dimona – kommt es zu Unruhen, Streiks, Demonstrationen: Die Israelis blicken mit Neid auf den neuen Reichtum ihrer Nachbarn und fühlen sich vernachlässigt. Die Steuern seien zu hoch, die Preise ein Wahnsinn. Der israelische Premierminister wird abgewählt, eine neue Regierung kommt an die Macht, die verspricht, ein soziales Hilfsprogramm für jene Regionen Israels zu starten, bei denen die Segnungen der Start-Up-Wirtschaft nie angekommen sind. Da Israel jetzt deutlich weniger Staatsknete in den Bau und die Bewachung von Siedlungen stecken muss, ist das im Grunde kein Problem. Bald schon denkt keiner mehr an den israelischen Premierminister, der den Frieden gebracht hat. So ungerecht ist die Demokratie. Nebbich!

In der „Islamischen Republik Iran“ ist unterdessen das letzte Klebmittel weggefallen, das den Laden ideologisch zusammengehalten hat: der Antizionismus. Wie kann der rachbar noch von der Unterdrückung der Palästinenser faseln, wenn es den Palästinensern so offenbar glänzend geht? Und so fangen die Demonstrationen gegen das Regime wieder an. Das Regime wehrt sich brutal, verzweifelt. Aber die Demonstrationen hören nicht mehr auf. Und Präsidentin Kamala Harris wiederholt nicht den Fehler, den einst Barack Obama gemacht hat: Sie stellt sich von Anfang an offen auf die Seite der Demonstranten und übt Druck auf ihre Kolleginnen und Kollegen in der EU aus, es ihr gleich zu tun. Die amerikanische Republik und die Europäische Union drohen dem Iran gemeinsam mit einem umfassenden Wirtschaftsboykott. Gleichzeitig locken sie das Regime: Es könne alles haben, wenn es sich mit der Opposition an einen Tisch setze; wenn es die Unterstützung für Terrororganisationen wie die Hisbollah einstelle; wenn es sein Klientelregime in Syrien fallen lasse.

Und jetzt höre ich auf, weil das alles natürlich viel zu schön ist, um wahr zu sein.