Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine ist ein kleines Wunder gelungen: Halloween im September.

Antje Vollmer, Christoph Zöpel, Eugen Drewermann, Albrecht Müller, Julia Neigel, Luc Jochimsen, Ludger Volmer, Marco Bülow – alle sind sie heute aufgestanden, viele von ihnen, wie Vollmer, Volmer und Zöpel aus den Gräbern der Vergessenheit. Halloween findet dieses Jahr im Spätsommer statt.

Sie und knapp über 100.000 andere, die sich in eine Mailingliste eingetragen haben, wollen den politischen Diskurs in Deutschland nach links verschieben, die AfD zurückdrängen, Grüne, Linkspartei und die SPD zu einer Zusammenarbeit bewegen und wieder auf den Pfad der linken Tugend bringen.

Durchaus verständlich: Die postmoderne und auf Identitätspolitik fixierte Linke hat in Deutschland und vielen anderen Ländern massiv an Zustimmung verloren. Nur noch 12 Prozent der Arbeiter würden SPD wählen – da stellt sich für eine Partei, die einst aufgebrochen war, die Lebensverhältnisse der Arbeiter- und Unterschicht zu verbessern, die Existenzfrage.

Seit Wochen waren Befürchtungen, auch genährt durch Debatten von Aufstehen-Anhängern in den Sozialen Medien, laut geworden, Wagenknecht und Lafontaine würden an einer Querfront arbeiten. Klar war, dass sie AfD-Wähler erreichen und von linker Politik überzeugen wollten. Ein Vorhaben, zu dem es aus Sicht linker Politiker keine Alternative gibt: Die AfD wird sich nicht von selbst zerstören, soll sie an Einfluss verlieren, wird das nur über den Weg gehen, ihr Anhänger abspenstig zu machen.

Und genau das wird Aufstehen mit dem vorgelegten „Gründungsaufruf“ kaum gelingen. Zu Themen wie Sicherheit, Industrie, Energiepreise, Zuwanderung, Islam – die politischen Felder also, die die Linke den Rechten überlassen hat, obwohl sie vielen Menschen in ärmeren Stadtteilen auf den Nägeln brennen, finden sich weder klare Aussagen noch eigene Lösungsvorschläge. Dafür Bio für alle und naturverträglich wirtschaften – welcher Bergmann in einem Braunkohlerevier, welcher Facharbeiter am Band bei VW oder Mercedes, welche alleinerziehende Mutter in einem Plattenbau wird sich davon begeistern lassen? Alles klingt wie eine Mischung aus altbekannten linken und grünen Sprüchen aus dem Setzkasten, noch nicht einmal würdig, debattiert zu werden.

Der Westen ist der Feind

Nur wenn es um Außenpolitik geht, wird man deutlich:

„Eine neue Friedenspolitik: Deutschland und Europa müssen unabhängiger von den USA werden. Abrüstung, Entspannung, friedlichen Interessenausgleich und zivile Konfliktverhütung fördern statt Soldaten in mörderische Kriege um Rohstoffe und Macht schicken. Die Bundeswehr als Verteidigungsarmee in eine Europäische Sicherheitsgemeinschaft einbinden, die Ost und West umfasst.“

Auf dem Silbertablett soll ganz Europa an Putin ausgeliefert werden. Dem Westen wird einseitig die Verantwortung für alle Konflikte der vergangenen Jahrzehnte zugeschoben. Der Überfall auf die Ukraine? Die Unterstützung Assads bei den Massakern an den Syrern? Die Destabilisierung der westlichen Demokratien durch russische Geheimdienste? Mit all dem hat man kein Problem.

Eigene Ideen wurden bislang bei Aufstehen nicht entwickelt, neue schon gar nicht. Einig ist man sich nur in der Ablehnung des Westens, bei allen anderen Themen wagt man nicht einmal, unkonventionell zu denken und linke Antworten auf Fragen zu finden, die viele Menschen haben. Putins Langeweiler-Zombies liefern nicht, für die AfD sind sie so gefährlich wie ein Foto von Gauland in HJ-Uniform.

Man ahnt schon heute das Kleinklein, die vielen Peinlichkeiten und die beherzten Sprünge ins Fettnäpfchen, die in den kommenden Monaten folgen werden, bis Aufstehen einschlafen wird.