Der Westen, das sind Optimismus und Fortschrittsglaube. Unter Trump ist dieser Optimismus jedoch bei vielen lädiert; die Rhetorik, die das mit sich bringt, bewegt sich oft gefährlich nah am Fatalismus.

Was den Westen auszeichnet, sind Optimismus und Fortschrittsglaube. Die bessere Welt liegt vor uns und nicht in einer Vergangenheit, in die wir deswegen unbedingt zurückkehren müssen. Seitdem Trump regiert, ist dieser Optimismus jedoch bei vielen Westlern erschüttert. Das ist verständlich, doch zum Teil hat sich dabei eine Rhetorik eingeschlichen, die etwas zu gerne mit dem Fatalismus flirtet.

Und weil man ja vor der eigenen Haustüre kehren soll, nenne ich als Beispiel dafür den Gastbeitrag des russischen Journalisten Alexey Kovalev. Dieser erschien im Jahr 2016 unter der Überschrift „An meine dem Untergang geweihten US-Medienkollegen“ und wurde nun nach den amerikanischen Zwischenwahlen erneut zustimmend verbreitet . Verfasst wurde er nach dem Sieg Trumps bei den Präsidentschaftswahlen, um die US-Journalisten zu warnen, was nun auf sie zukommt.

Und woher wusste Kovalev, was auf seine US-Medienkollegen zukommt? Weil Russland mit Putin ja schon seinen Trump hatte, der damals seit zwölf Jahren regierte. Er warnte darum vor inszenierten Pressekonferenzen, vor einer entsolidarisierten Medienszene und einem unbesiegbaren Putin (bzw. also Trump).

Der damalige Beitrag ist ein gutes Beispiel dafür, wie eine schwierige Situation zu einem besiegelten Schicksal verklärt werden kann. Dabei sind in Wahrheit schon die Ausgangssituationen unvergleichbar. Russland ist eine Autokratie, hat keine Zivilgesellschaft, keine Opposition, keine Pressefreiheit, keine unabhängige Justiz und alle Gewalt geht nicht vom Volke aus, sondern von einem Mann: Putin. Nicht eines dieser Defizite trifft auf die USA zu.

Der Journalismus lebt weiter

Dementsprechend hat sich der US-Journalismus auch nicht zum Sterben hingelegt, wie prophezeit wurde. Im Gegenteil vermelden Zeitungen und Fernsehsender steigende Abozahlen und Quoten. Dass es Trump weiterhin mit einer unerschrockenen Presse zu tun hat, konnte gerade erst wieder erlebt werden, als er nach den Zwischenwahlen so hartnäckig befragt wurde, dass er die Beherrschung verlor. Er schrie einen CNN-Reporter an, entzog ihm das Wort und musste erleben, dass der nächste Journalist seinen Kollegen gegen die üblen Beschimpfungen in Schutz nahm.

Weil dem Reporter auch die Akkreditierung für das Weiße Haus verlor, legte CNN Klage ein und wird dabei von Trumps „Haussender“ FOX News unterstützt – das zum Thema, es gibt „keine Solidarität“ mehr. Wie viele Putin-Pressekonferenzen nehmen denn diesen Verlauf, nachdem der Autokrat mit Fragen unzufrieden ist? Beziehungsweise: Wie viele kritischen Frage werden Putin denn gestellt? Eben!

Es ist niemandem geholfen, wenn der Werterelativismus Einzug hält und die elementaren Unterschiede zwischen pluralistischen Gesellschaften und Autokratien übersehen werden. Die Probleme, die ihre amerikanischen Kollegen haben, hätten die russischen Journalisten gerne. Umgekehrt trifft das nicht zu. Auch aus Respekt vor der Arbeit von Journalisten in Staaten wie Russland, die oft persönliche Bedrohungen erfahren und zum Teil mit ihrem Leben bezahlen, sollten solche Gleichsetzungen unterbleiben.

Das Leben geht weiter

Putin ist ein Autokrat, Trump ein demokratisch legitimierter Politiker, dem der Wähler Macht auf Zeit verliehen hat, die er nach spätestens acht Jahren wieder verlieren wird. Die amerikanische Verfassung, die Opposition, die Medien und Gerichte achten darauf, dass niemand aus den USA ein zweites Russland mit Disney World macht. Ach ja, und daneben auch noch die Amerikaner selbst, die sich nicht von der Queen losgesagt haben, um sich einem Zaren anzuschließen.

Der Unterschied zwischen Russland und den USA ist der Unterschied zwischen dem Überlebenskampf im Dschungel und der Teilnahme am Dschungelcamp – und dieser Unterschied bleibt auch dann bestehen, wenn über dem Camp Wolken aufziehen.