Die CDU schaltet einen Wahlkampfspot, in dem ein Fötus eine Rolle spielt, die SPD reagiert darauf, außerdem gibt es schöne Landschaften und süße Kinder. Eine Bewertung aus liberal-feministischer Perspektive.

Gestern hat die CDU ihren Spot zur Bundestagswahl veröffentlicht. Er wird eröffnet mit einem Fötus, der gefragt wird, in welchem Deutschland er oder sie einmal leben wird. Insgesamt sieben Sekunden Fötus werden ergänzt durch eine Sammlung schöner Bilder, die ein Deutschland zeigen, in dem wohl jeder von uns gerne leben möchte. Mittelgebirgs- und Nordseelandschaften, junge Familien, süße Kinder, lächelnde Migranten, Handwerk und Ausbildung. Frauen und Männer als Väter und Mütter, Großväter und Großmütter, und durchaus auch beide Geschlechter in anderen Rollen.

Bildung, Arbeit, keine Kontroversen

Dazu erzählt die Sprecherin, Angela Merkel persönlich, mit dem uns allen bekannten nordostdeutschen Zungenschlag in ruhiger Stimme von Bildung, Chancen, guter Arbeit, Wohlstand und Solidarität. Sie spricht sich bewusst gegen Hass und Neid aus. Diese kleine Zuspitzung, analog zum „Neuland“ im Spot aus 2013, ist die einzige Stelle, an der sie zumindest minimal auf bekannte Kritik an ihr eingeht. Die Pfarrerstocher trägt ein hellgrünes Kostüm als wohl liturgisches Hoffnungszeichen, zudem einen blauen Blazer, die Europafarbe. Am Schluss steht die Kanzlerin vor schwarz-rot-goldenem Hintergrund – den neuen Farben der CDU. So soll man das zumindest verstehen. Auf den albernen Hashtag (#fedidwgugl) wird dabei verzichtet.

Die SPD feiert einen Coup


Gleichzeitig feiert die SPD einen großen Coup, nämlich dass ihre Replik auf den Spot der CDU schon vor diesem online war. Für Landschaften, Kinder, arbeitende Menschen und Rentner haben dabei Zeit und Geld gefehlt, gezeigt wird nur ein Fötus, geschlagene 50 Sekunden lang. Der Sprecher in diesem Video ist Martin Schulz, der den Fötus im sozialdemokratischen Du fragt, in welchem Land er einmal leben möchte. Schulz stellt künstlich Bildung und Drohnen gegenüber und wünscht dem Beinahe-Kind, nicht bis 70 arbeiten zu müssen. Schulz bemüht sich, in den Aussagen konkreter zu sein als die CDU: Gerechte Löhne für Frauen und Männer. Dinge anpacken, statt aussitzen. Die Gebärmutter ist praktischerweise von innen rot, das passt ja ganz gut.

Was wollen uns SPD und CDU sagen?

Was will uns die Union mit dem Ungeborenen sagen? Es ist mit Sicherheit ein kleiner Merker ans christlich-konservative Unterbewusstsein, dass man sich für das Leben stark macht – die Sequenz erinnert an Videos von Abtreibungsgegnern. Dass nun die SPD ausgerechnet diesen kurzen Teil des CDU-Films nimmt und ihn sich komplett zu eigen macht, zeugt allerdings von wenig Gefühl für Bildsprache.

Denn damit reißt die SPD alle Erfolge, die bei unverheirateten Frauen durch das Bekenntnis zu Equal Pay vielleicht erreicht werden könnten, mit diesem Appell gegen deren fundamentalste Wahlfreiheit wieder ein. Die Ästhetik wird vom Wähler durchaus verstanden: Unter beiden Spots finden sich bei Facebook Kommentare von Abtreibungsgegnern, sowie weitgehend harmlose Appelle an natürliche Geburten unter Hebammenbetreuung. Liebe SPD: Wenn man schon klaut, dann sollte man nicht mit sicherer Hand das Symbol klauen, das dem eigenen Markenkern am deutlichsten widerspricht.

Eva Christina Schwaneck ist Ärztin und Yogalehrerin, glühende Feministin und seit fast 15 Jahren in der FDP.