Vor vier Jahren hofften noch einige, der neue Präsident würde vom Amt schon irgendwie zurechtgerückt werden. Das war ein vergebenes Hoffen. Eine kleine Bilanz.

2016, nachdem Donald Trump auch mit Putins Hilfe an die Macht gewählt wurde und bevor er diese ergriff, schrieb ich hier bei den „Salonkolumnisten“ mal einen Text über den Herrn. Es war ein nicht schwer zu schreibender Wutausbruch, denn zugegeben ist das Meckern über ihn wie das Pflücken tief hängender Früchte – nicht sehr schwer.

Zum Ende des Textes hoffte ich, dass meine Befürchtungen übertrieben wären, dass, so hofften ja einige, das Amt ihn schon formen würde, kluge Berater die politischen Entscheidungen beeinflussen oder übernehmen würden – dies war seitens dieser Leute ein unbegründetes Hoffen. 

Schon bei seiner allerersten Amtshandlung nach Inauguration hielt Trump eine finstere, verbitterte Rede, die den jungen Bush zum Ausspruch „Well, that was some weird shit“ bewegte. Schon beim ersten Fakt, der ihm da augenscheinlich entgegenschlug – dass nicht sehr viele Menschen zu seiner Feier gekommen waren – log er, dass die Balken brachen, es sei die größte jemals bei einer Inauguration anwesende Menge gewesen.

Schon die Tatsache, dass etwa drei Millionen mehr Amerikaner Hillary Clinton wählten, konnte er nicht ertragen. Er erfand einfach die Lüge, es seien etwa fünf Millionen illegale Stimmen für Clinton abgegeben worden.

Mehr als 19.000 Lügen später ist nicht besser, sondern schlimmer geworden. Nichtmal Comedy-Schreiber kommen hinterher. Trump-Persiflagen funktionieren nicht mehr, das Original ist absurder. Die einzige noch gangbare Möglichkeit, ihm in dem Bereich gerecht zu werden, scheint zu sein, was Sarah Cooper aus New York macht: Sie nimmt Trump-Salven etwa darüber, ob man Corona-Kranken nicht Desinfektionsmittel spritzen könnte und bewegt ihre Lippen dazu.

Innere Emigration

Der aus Wien stammende US-Psychoanalytiker Otto Kernberg sagte neulich in einem Interview mit der „Taz“, was passiert, wenn bösartige Narzissten an der Spitze einer Regierung oder einer Organisation stehen – es führt dazu, dass alle darunter befindlichen Schichten, Parteien und Personen ebenfalls korrumpiert werden. Denn wer sich dem Willen des obersten Narzissten nicht beugt, geht, wird gegangen oder flüchtet sich in die innere Emigration. 

Genau das ist in der Trump-Administration passiert. Vernünftigere Leute, die noch einen gewissen moderierenden Einfluss auf ihn haben konnten, wurden durch rückgratlose Lakaien ersetzt, die ihrem Meister nach dem Maul reden. Und – auch das konstatiert Kernberg – ihn dadurch ebenfalls zum Opfer machen. Denn wenn der oberste Narzisst immer nur zu hören bekommt, was er hören will, ist das auch ein Problem. 

Die Republikaner sind weitgehend gleichgeschaltet. Mit wenigen rühmlichen Ausnahmen wie George W. Bush, Mitt Romney und dem verstorbenen Vietnam-Veteran John McCain sind auch anfängliche Kritiker wie Senator Lindsey Graham eingeknickt und folgen ihrem Herrn.

Bald sind wieder Wahlen. Trump hat mittlerweile den unter Eid lügenden Beinahe-Vergewaltiger Brett Kavanaugh in den Obersten Gerichtshof gedrückt, mordende Kriegsverbrecher begnadigt, hat seinem Land durch seine Untätigkeit in der Corona-Krise mehr als 100.000 Tote beschert und sich international isoliert – mit Ausnahme der Beziehung zu schrecklich netten Freunden wie Jair Bolsonaro, Wladimir Putin, Kim Jong-un und Attila Hildmann. 

Gab sich Trump gegenüber China als Hardliner, wurde jetzt offenbar, dass er sogar Generalsekretär Xi Jinping um Soja-Käufe gebeten haben soll, um seine Wahlbasis zufrieden zu stellen.

Unheilige internationale Allianzen

Interessanterweise riechen Verschwörungsgläubige aller Länder diese unheilige Allianz und feiern sie – unterstützt von Trump feiernden Twitter-Bots aus russischen Propaganda-Fabriken. Wer bei ihnen etwa bei einer Anti-Corona-Demo in Berlin-Mitte nachfragt, wer denn hinter dem Virus stecke, hört meist ein Geraune von „Rothschilds“ und „Bilderbergern“ oder auch ganz offen von „den Juden“. Und dann folgt oft der Zusatz: Trump und Putin würden zu den wenigen gehören, die das Spiel durchschauen und da nicht mitmachen.

Es ist nicht klar, ob der US-Präsident bei einer möglichen Wahlniederlage im November diese auch eingestehen würde. Denn wie bei der angeblichen größten Menge aller Zeiten bei der Inauguration findet er meist seine alternativen Fakten, wenn ihm ein Faktum nicht passt. Schon in seinem „Art of the Deal“-Buch von 1987 ließ er den Ghostwriter seine vielen Geschäftspleiten zurechtlügen.

Womöglich würde er sich unterstützt von den eisernen 25 bis 30 Prozent, die auch zu ihm stünden, würde er jemanden auf der 5th Avenue in New York erschießen, mit Waffengewalt an der Macht festkrallen.

Hoffentlich ist auch das eine unbegründete Befürchtung.

In eigener Sache

Hörtipp: In ihrem wöchentlichen Amerika-Podcast „City on the Hill“ besprechen unser Kolumnist Hannes Stein aus New York und USA-Experte Richard Volkmann die wichtigsten Ereignisse aus den Vereinigten Staaten. Hier die jüngste Folge. Den Podcast gibt es bei Spotify, Apple, Deezer & Co.