Die Welt hatte ein Jahr Zeit, die Person Donald Trump kennenzulernen. Wie seine Regierungspolitik funktioniert, das blieb meistens im Dunkeln. Der Pulitzerpreisträger David Cay Johnston will das mit seinem Buch „Trump im Amt“, das vor wenigen Tagen erschienen ist, ändern. Eine Rezension.

Der Mann sitzt in unserem Kopf. Er ist nicht nur in aller Munde, in den Nachrichten, in den Talk-Shows. Er hat sich festgesetzt in unseren Gedanken: mit einem Namen, einsilbig und stark; mit seinen Bemerkungen, beleidigend und provozierend. Es ist schwer, an Trump vorbeizukommen.

Den einen wird das schon lästig, die anderen können nicht genug von diesem Mann kriegen, seiner Vulgarität, seiner Einfalt, seiner Lächerlichkeit. Er ist wie ein Familienmitglied, das man wegen seines Benehmens nicht einlädt, aber über den man dann unentwegt redet in geselliger Runde. Wäre er ein König, er hätte schon längst den Namenszusatz „das Kind“. Er selbst würde sicher „der Große“ bevorzugen.

Über Donald Trump sind schon einige Bücher erschienen, vor seiner Präsidentschaft und jetzt nach einem Jahr im Amt des US-Präsidenten. Zuletzt war es Feuer und Zorn von Michael Wolff, mit dem wir einen Blick ins Weiße Haus bekamen und viel Tratsch erfuhren: wer wen für dämlich hält und dass der Präsident sich nur sehr, sehr ungern mit schwerer politischer Materie beschäftigt usw. Nun folgen zur gleichen Zeit neben dem Publizisten David Frum und seiner Trumpocracy auf Deutsch der amerikanische Journalist David Cay Johnston mit Trump im Amt. Johnston will in seinem Buch nichts weniger, als auf über 400 Seiten den unwiderlegbaren Beweis führen, dass Trump für das Amt des Präsidenten vollkommen ungeeignet ist und dass er eine Kakistokratie, eine Herrschaft der Schlechtesten, installiert hat. Wie er das gemacht hat und mit welchen Absichten und Folgen – das würde einen schon interessieren, um daraus zu lernen, wie solch ein Unglück für die Zukunft verhindert werden kann. Johnston lässt keinen Zweifel daran, dass Trump zunächst einmal sein eigenes Wohl im Auge hat, wenn er davon spricht, er wolle Amerika wieder groß machen. Und das Wohl seinesgleichen: skrupellose Unternehmer und Reiche, die den Hals nicht voll kriegen können. Wer dieser Absicht im Weg stehe, der müsse weg und durch Getreue ersetzt werden – so die Strategie. Johnston spricht von „politischen Termiten“, die, wie der mittlerweile geschasste Berater Steve Bannon als Ziel vorgab, den „Kampf zur Dekonstruktion des administrativen Staates“ entschlossen aufnehmen.

Johnston sieht sich bemüßigt, zunächst dem Charakter Trumps ein ganzes langes Kapitel zu widmen. Wir erfahren, was wir schon 365 quälende Tage – ob wir es wollten oder nicht – an anderer Stelle scheibchenweise erfahren haben: dass Trump vor allem eine Vorliebe für Trump, Twitter und TV hat. Und er macht unmissverständlich klar: Trump ist für ihn ein Schwindler, Gauner, „Trickbetrüger“ und Kleptokrat, den vor allem Löcher interessieren: Löcher auf dem Golfplatz und Steuerschlupflöcher. Dafür liefert Johnston jede Menge Belege. Und wer zweifelt daran, dass sie triftig sind? Es ist interessant zu lesen, wie Trump es im Jahre 2005 geschafft hat, für seine 152,7 Millionen Dollar an Einkünften nur 3,5 Prozent an Steuern zu zahlen – übrigens genauso viel wie ein Hilfsarbeiter, der es auf ein Jahreseinkommen von 16.000 Dollar bringt.

Aber damit nicht genug: Johnston zeichnet ziemlich ausführlich, dass er Trump für einen rachsüchtigen, skrupellosen, einfältigen, angeberischen, narzisstischen Narren hält. Diese Einschätzung teilt er allerdings mit weiten Teilen des Publikums rund um den Globus. Er ist sich auch nicht zu schade, die Ferndiagnose von 35 Psychiatern zu erwähnen, die zu einem ähnlichen Ergebnis wie er gekommen sind. Gesättigt mit soviel psychologischem Profil, fragt sich der Leser: Was sollen wir damit anfangen? Wie hilft uns das weiter?

EINE GEBREMSTE ADMINISTRATION

Trump hat selbst nicht mit seinem Sieg gerechnet. Am Tag der Wahl saß sein Team entspannt beim Imbiss und folgte wohl nur sporadisch den Nachrichten. So ist es keine Überraschung, dass die Besetzung wichtiger Stellen in der Administration nur sehr schleppend voranging. Zum Beispiel die Botschafterposten: Nach sieben Monaten waren erst 36 der 188 überaus wichtigen Stellen besetzt. Wie sich das auf die Qualität der diplomatischen Arbeit auswirkt, kann sich jeder selbst denken. Johnston geht so weit zu fragen, ob der Präsident nicht den Eid auf Artikel II, Paragraf 1 der amerikanischen Verfassung gebrochen hat, weil er der Handlungsverpflichtung, sein Amt „getreulich auszuüben“, nicht nachkomme.

Aber ist es auch Schlamperei, so hat es doch Methode. Für seine Politik der administrativen Dekonstruktion, der Deregulierung und Umverteilung wusste Trump in Windeseile wichtige Posten neu zu besetzen oder verdiente Behördenleiter so zu demoralisieren, dass sie selbst das Handtuch warfen. Das sind die interessanten Partien in Johnstons Buch, wenn er beschreibt, wie Trump beispielsweise gegen das Office of Government Ethics, die Occupational Safety and Health Administration, die Federal Energy Regulatory Commission und vor allem die Environmental Protection Agency, die Umweltschutzbehörde, arbeitete. Es wird deutlich, dass er seinen neuen Behördenleiter Scott Pruitt dort nur installiert hat, um die Agency als Waffe gegen Umweltsünder weitgehend lahmzulegen. Johnstons Fazit ist bedrückend:

„Trump will die Bundesregierung in eine Institution verwandeln, die sich auf Überwachungs- und Kontrollfunktionen konzentriert, gestützt auf ein starkes Militär und einen paramilitärisch aufgerüsteten Polizeiapparat; die drastischen Personalkürzungen, die den zivilen Verwaltungsbehörden verordnet wurden, sind in diesem Zusammenhang zu verstehen.“

Am Ende des Buches teilt der Leser Johnstons Urteil: Ja, dieser Mann ist nicht geeignet, ein öffentliches Amt auszuüben – schon gar nicht das des amerikanischen Präsidenten. Aber das ist nicht wirklich eine Neuigkeit. Wie Trump politisch agiert, wie er seine Agenda durchsetzen will – davon hat man in dem Buch auch noch erfahren. Doch diesen Umbau des amerikanischen Staates lastet Johnston weitestgehend Trump an. Sein Vizepräsident Pence kommt nur am Rande vor, die Republikaner im Kongress fast gar nicht. So ist auch die größte Schwäche dieses Buches sein Thema: die übermäßige Fixierung auf Donald Trump.

 

David Cay Johnston
Trump im Amt – Ein Präsident, der gerne Diktator wäre
440 Seiten, 25 Euro