Alles, was Deana Mrkaja sich nach ihrem Kreuzbandriss durch die Physiotherapie wieder erarbeitet hatte, ist nach der OP hinüber – denn danach beginnt wieder alles vor vorne.

Nachdem sich nach der OP in meinem Blut ein Cocktail aus verschiedenen Schmerzmitteln, Opiaten, Resten des Narkosemittels und Antibiotika zusammengesetzt und ich bereits seit rund 20 Stunden nichts mehr gegessen hatte, ging bei mir innerlich die Party los. Schmerzen hatte ich keine, dafür das Gefühl auf Wolken zu schweben und gleichzeitig alles lustig zu finden. Ein Zustand, den ich bereits wenige Stunden später missen sollte. Als mich die beiden Männer vom Krankentransport aus dem Zimmer schoben, stand meine kleine Schwester bereits bereit. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war sie leicht irritiert von meinem Gelächter. Im Nachhinein verriet sie mir, sie habe sich für mich geschämt, da ich unglaublich viel Unsinn auf der Heimfahrt erzählt hatte. Was genau es war, daran kann ich mich nicht erinnern, jedoch weiß ich nun, dass der Job eines Krankentransporteurs – falls man das so sagen kann – knochenhart ist. Ganze vier Stockwerke mussten mich die beiden Männer hochschleppen und sogar ins Bett tragen – das alles während ich nicht aufhören konnte zu lachen.

Wenn selbst Opiate an ihre Schmerzgrenze stoßen

Auf einer Skala von eins bis zehn in puncto „schlaflose Nächte aus der Hölle“ sprengte die erste Nacht nach der OP ebendiese. Zwar hatte ich für die Nacht noch ein weiteres Opiat bekommen, jedoch ließ auch diese Wirkung nach wenigen Stunden deutlich zu wünschen übrig. Weg waren die Wolken, das Gefühl der Leichtigkeit und des benebelt Seins. Der Narkosearzt verriet mir bereits, dass die Schmerzen heftig werden könnten und auch mein behandelnder Arzt meinte, die erste Nacht könnte „tricky“ sein – ja, genauso sagte er das. Das Problem an den Schmerzen war, dass sie diffus waren, nicht lokalisierbar und dass sie ins gesamte Bein strahlten. Wie ich am nächsten Tag erfahren sollte, lag das weniger an den Bohrlöchern oder der aus dem Oberschenkel entnommenen Sehne, sondern vielmehr an den Drainagen, die genau hinter der Kniescheibe stecken und damit ständig an Nerven reiben. Ich überlegte mir in dieser Nacht also mindestens vier Mal, ob ich wirklich auf die Toilette muss – einerseits wegen der Schmerzen, andererseits weil ich dazu eine Begleitung brauchte, die die Fläschchen der Drainage, die bereits ziemlich mit Blut vollgelaufen waren, während meines Geschäftes halten muss. Denn ich war bereits damit beschäftigt, mein Bein, das in eine Stilllegungschiene gesteckt wurde, mit beiden Händen hochzuheben. So befanden meine Schwester und ich uns also gemeinsam im Bad: Sie, die absolut kein Blut sehen kann, mit den von meinem Blut auf Körpertemperatur erwärmten Drainagen in der Hand, die Wand anstarrend und ständig „Ich kotze gleich“ wiederholend und ich auf der Toilette sitzend, das Gesicht vor Schmerz verzerrt und das Bein in die Luft haltend. Ein Bild, das absurder nicht sein konnte.

Die Drainagen im Knie verursachen starke Schmerzen

Glücklicherweise wurden diese beiden Schläuche 24 Stunden nach der OP entfernt. Eine Prozedur, die ich nicht einmal meinen größten Feinden auf dieser Welt wünsche. Drei Mal sollte ich so laut wie möglich husten, doch bereits beim zweiten Mal zog die Schwester links und rechts die Schläuche aus meinem Bein, während ich das Gefühl hatte, jemand würde mir das Knie mit einem Hammer zertrümmern. Unglücklicherweise klemmte eine der Drainagen hinter der Kniescheibe fest, was dazu führte, dass erneut gezogen werden musste. Dieses Mal fiel ich nicht auf den Husten-Trick herein, sondern schrie nur laut: „Iiiiiiisssss nicht deeeeeeein Ernst!“

Belasten statt schonen

Nach dem Drainageziehen sollten die Schmerzen auf die Hälfte des vorherigen Niveaus sinken, versprach man mir. Und tatsächlich wurde mein Leben danach deutlich erträglicher. Direkt nach dem Arztbesuch stand bereits mein erster Physiotherapietermin an – einen Tag nach der OP. Im Sporthopaedicum in Charlottenburg wird bei Sportler_innen nicht lange gefackelt, denn die Leute sollen schnell wieder auf die Beine kommen. Während man früher noch von schonen sprach, geht es heute so schnell wie möglich wieder in die Belastung. Als ich vor dem Gebäude der Physiotherapie stand, dachte ich nur eines: alles auf Anfang. Denn alles, was ich mir in den vergangenen Wochen vor der OP wieder erarbeitet hatte, das Strecken, das Beugen, das Laufen, das Belasten, war jetzt wieder auf dem Nullpunkt angelangt. Bei der Physio starteten wir mit denselben Dingen wie Mitte November des vergangenen Jahres. Erneut konnte ich mein Bein nicht mehr strecken, und das Beugen funktionierte nicht einmal im Ansatz. Erneut war ich komplett auf Krücken angewiesen, durfte nur mit 10 Kilogramm auf dem rechten Bein auftreten (wie auch immer man das einschätzen soll) und das Knie war dermaßen geschwollen, dass die Kniescheibe völlig verschwand. Zusätzlich gab es sämtliche Farben zu sehen, die der Körper so produzieren kann und eine strenge Physiotherapeutin, die erneut die Punkte am Knie zu drücken wusste, die am meisten Schmerz verursachten. Was eine solche Knie-OP also tragisch macht, ist genau die Tatsache, dass man erneut alles lernen muss. Insbesondere das Laufen. Und das Vertrauen darin, dass das Knie der Belastung standhält.

Im nächsten Beitrag: Wenn Narben Geschichten erzählen.

 

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