Facebook weiß selbst nicht, wie Facebook funktioniert. Das führt in Kombination mit dem unsäglichen Netzwerkdurchsetzungsgesetz dazu, dass Diskussionen verunmöglicht werden, die dringend geführt werden müssten.

Eben fand das von der ZEIT veranstaltete „Festival der Meinungsverschiedenheit“ namens „Deutschland spricht“ statt. Die tatsächlich exzellente Idee ist, Leute mit gänzlich konträren Ansichten im echten Leben einen direkten Dialog von Angesicht zu Angesicht miteinander zu bringen. Sascha Lobo weist in seiner kurzen Eröffnungsrede darauf hin, dass er sich Grenzen des Sagbaren wünscht und begründet das nachvollziehbar:

Anders als Lobo finde ich es hochproblematisch, Grenzen des Sagbaren zu definieren. Während es noch einigermaßen vernünftig erscheint, die Leugnung des Holocaust in Deutschland zu verbieten, liefert man damit weniger freiheitlich verfassten Gemeinwesen nämlich einen exzellenten Vorwand, ihrerseits Gedankenverbrechen zu definieren. Und für Beispiele muss man weder in die Türkei noch in den Iran sehen, ein Blick ins Nachbarland Polen genügt leider völlig.

Dass Facebook direkt verantwortlich ist für Lynchmobs in Asien mit etlichen Todesopfern, und in Deutschland (noch) ohne, ist inzwischen bestens belegt, das Unternehmen hat allerdings keine Strategie vorzuweisen, wie es so etwas künftig unterbinden will. Gleichzeitig schießt die unternehmenseigene Zensur in Deutschland regelmäßig weit über jedes vernünftige Ziel hinaus. Das ist ein großes Problem, denn wer beruflich auf Zugang zu Facebook angewiesen ist – wie z.B. jeder Journalist – muss höllisch aufpassen, was er dort äußert. Michael Miersch illustrierte vor einigen Wochen z.B. einen Link mit diesem Bild, der Beitrag wurde sofort wegen „Nacktheit“ gesperrt. (Klicken Sie gerne drauf, es ist völlig harmlos und zeigt tatsächlich eben keine Nacktheit.)

Mich hat der Bannstrahl heute getroffen, für 30 Tage bin ich nun gesperrt. Mein Verbrechen: Ich diskutierte mit einer Facebookfreundin, ob Campino sich lediglich homophob oder auch rassistisch äußerte, als er vor 30 Jahren eine orientalische Tanzdarbietung als „Tuntenscheiße“ deklarierte. Ich kommentierte das wie folgt:

Campino war vor dreißig Jahren mit Anfang dreißig noch ein Punk? Wobei: So irre Punk isses nun auch nicht, schließlich war der § 175 damals noch gültig, also Homophobie Staatsräson. Wieso rassistisch? Hat er Negertuntenscheiß gesagt?“

Ich verwendete das zweifelsfrei rassistische und homophobe Wort „Negertuntenscheiß“ also, um den Unterschied zwischen einer zweifelsfrei homophoben und einer homophoben und rassistischen Äußerung zu illustrieren. Dass der unfassbar dumme Zensur-Algorithmus von Facebook da ausgelöst wird, ist erstmal nicht überraschend. Dass aber auch der unterbezahlte Bertelsmannzensor offenbar zu dumm ist, um eine semantische Diskussion als eine solche zu erkennen, lässt mich einigermaßen ratlos. Ich dachte, um Facebook zu einer funktionstüchtigen Plattform der Diskussion zu machen, würde es reichen den Laden per Gesetz zu zwingen, genügend (und damit meine ich zehntausende) Menschen einzustellen, die moderierend tätig werden. Daran habe ich nun erhebliche Zweifel. Facebook ist, um einen weiteren Begriff zu verwenden, der dort vermutlich nicht lange stehen bleiben würde: FUBAR – Fucked Up Beyond Any Reparation.