Die ARD hat es getan. Sie ist einem Trend gefolgt, und das kann sie bekanntlich nicht. Jetzt kann nur noch eine Stunde Maischberger helfen.

Elisabeth Wehling ist schon seit einigen Jahren in Deutschland ein gern gesehener Gast auf Tagungen und Konferenzen, in Seminaren und Workshops, in Talkshows und TV-Magazinen. Dort ist sie als Beraterin für all diejenigen unterwegs, die irgendwas mit Politik machen und sich ob der vielfältigen Zumutungen in diesem Wild-West-Bereich Erklärung und Stärkung erhoffen. Unterwegs ist die Wissenschaftlerin in Sachen „Framing“. Das ist die kommunikationspolitische Tupperware, die sich mittlerweile mit ihrem Namen verbindet und unter der man – grob gesagt – einen kognitiven Deutungsrahmen aus Wissen und Assoziationen versteht, der durch eine bestimmte Wortwahl in unseren Köpfen ausgelöst wird. „Frames haben einen ideologisch selektiven Charakter“, sagt die Expertin selbst. Das ist natürlich nicht uninteressant in einer Welt permanenten Informationsrauschens, und weil ja ein jeder wissen will, was in seinem Kopf insgeheim so vor sich geht.

Und so wundert es nicht, dass Frau Wehling mittlerweile viel Aufklärendes zu dem Thema publiziert und vor einiger Zeit sogar ein betreffendes Institut gegründet hat. Aber die Dialektiker unter uns wissen es natürlich: Wo Aufklärung ist, da ist die Manipulation nicht weit. Oder anders ausgedrückt: Wer erst einmal versteht, wie etwas funktioniert, der will es auch anwenden. So ist es auch beim Framing. Und so erklärt sich auch der stupende Erfolg von Elisabeth Wehling. Ihre Aufklärungsschriften und Vorträgen sind nur im ersten Teil Warnungen vor dem schädlichen Wirken des Framings; im zweiten Teil erfährt man, wenn man genau liest und hinhört, wie man das Teufelszeug selbst anwendet. Dann ist natürlich kein Halten mehr.

Als Ende vergangenen Jahres bei den klimapolitischen Auseinandersetzungen um ein Waldstück bei Jülich in Nordrhein-Westfalen der seit Alters her genannte Hambacher Forst von Aktivisten partout nicht mehr Forst, sondern nur noch Wald genannt wurde, um seine Bedeutung als angeblich Jahrtausende alten Wald und nicht als leicht zu ersetzenden Zweckforst zu verdeutlichen, da spätestens dürfte das Wehlingsche Wirken in der Republik deutlich geworden sein. Das sind natürlich Kinkerlitzchen angesichts solch hinterlistiger Framings von rechts, die immer wieder behaupten, man könne seine Meinung nicht mehr frei sagen, ohne Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Irgendwelche Beweise für diese immer wieder vorgebrachte Behauptung fehlen bis heute – aber der Frame steht! Und erzählt listig seine Geschichte vom zum Schweigen gebrachten Opfer, das, nebenbei, unentwegt redet und redet und die gewünschte Aufmerksamkeit kriegt.

Da sind wir auch mit dabei – ARD

Einen Tag in den asozialen Medien verbracht, vor dem Fernseher, über den Zeitungen – und man mag es vielleicht aus Not locker sehen: Framing ist einfach nur das Schönschwindeln für die billigen Begriffshändler, die drittklassigen Wortakrobaten und Welterlöser, die Werbefritzen und Managertypen. Ja, alle framen heute. Wer nicht einmal am Tag geframed hat, der hat nicht richtig gelebt. Framing ist das neue Yoga. Wer achtsam sein will, der kommt um Framing nicht herum. Die Gender-Institute machen sich auch schon Gedanken, können sich aber nur auf Sternchen statt Begriffen einigen. Dabei hat es die SPD doch schon allen vorgemacht mit ihren neuen, wohlklingenden Gesetzesnamen: das Frührente-macht-Spaß- oder das Kreuzfahrt-muss-billiger-werden-Gesetz.

Dass da unsere ARD auch dabei sein wollte, kann ich gut verstehen. Keine Institution (außer vielleicht unser Gesundheitsminister) wird so mit üblem Framing attackiert wie das Erste Programm. Da ich voller Überzeugung für ein öffentlich-rechtliches Rundfunksystem bin, beherzige ich Frau Wehlings allerersten Rat, quasi den Artikel 1 des Framing-Grundgesetzes: „Nutzen Sie nie den Frame Ihrer Gegner“ – und schweige also zu den Vorwürfen und mache nur darauf aufmerksam, dass man die Gebühren schon irgendwie rechtfertigen sollte, angesichts der vielen Überläufer zu Youtube, Amazon und Netflix und sich niemals nie eine Blöße geben sollte gegenüber den rechtspopulistischen ARD-und-ZDF-Verächtern mit ihren zerstörerischen Gleichschaltungsfantasien. Allein, es ist zu spät. Wer unsicher ist und sich schwach fühlt, der läuft halt jedem billigen Trend hinterher und bestellt sich also eine Handreichung beim Berkeley International Framing Institute und bekommt auch ein Framing-Manual geliefert. So hat es die ARD gemacht. Und hat es nun auf 89 Seiten schriftlich: Mit einem „moralischen Framing“ soll sie klarmachen, dass die Arbeit der ARD moralischen Prinzipien folge.

„Wir sind Ihr“, heißt es da auch.

Und hier noch eine weitere wichtige Aussage: „Die Beteiligung am gemeinsamen, freien Rundfunk ARD ist in erster Linie ein Akt der Eigenfürsorge, denn er ist Grundlage des freien politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens und Schaffens. Es ist die Beteiligung alle Bürger am Rundfunk ARD, die es jedem ermöglicht, sich effektiv vor den Zugriffen und Übergriffen ebenso wie vor der Vernachlässigung durch profitwirtschaftliche oderdemokratieferne Medien zu schützen. Der gemeinsame Rundfunk ARD schützt und befähigt seine Beitragenden in eben diesem Sinne.“
(Hervorhebungen im Original).

Als ich das las, fühlte ich mich doch ein wenig an die DDR erinnert und bewundere auf ewig die Weisheit der Verantwortlichen, diesen Text niemals zu veröffentlichen und im Panzerschrank zu lassen. Danke. Sie haben uns damit einen wahrhaft moralischen Dienst erwiesen.

 

Anm.: In der ersten Fassung dieses Textes hieß es, das Framing Institute sei in Kalifornien gegründet worden. Das wurde geändert. Denn die Website des Instituts gibt – Stand heute: 18.2.2019 – keine Auskunft über den Standort des Instituts.