Wissenschaftliche Studien und Bewertungen spielen für Grüne und Umweltschutzbewegungen nur eine untergeordnete Rolle. Ihnen geht es nicht um Gesundheit und Umwelt, sondern um eine antimodernistische Agenda und die Subventionierung des eigenen Milieus.

Zwischen 2003 und 2013 unterstützte SafeMinds, eine amerikanische Organisation von Impfgegnern, mit 250.000 Dollar eine Studie zur Sicherheit von Impfstoffen. Beteiligt waren mehrere US-Universitäten und Forschungseinrichtungen. Ziel war es, den Einfluss von Impfungen auf Hirnentwicklung und Verhalten von Rhesusaffenbabies zu untersuchen: Eine Gruppe der Affen erhielt die in den USA für Kleinkinder üblichen Impfungen, die andere Gruppe wuchs ungeimpft auf. Am Design der Studie war SafeMinds beteiligt (Hintergrund dieser und anderer Studien hier). 2015 wurde das Ergebnis der doppelt verblindeten Studie publiziert: Es gab keinerlei Unterschiede. Hat das Ergebnis etwas an SafeMinds Überzeugung, Impfungen seien schädlich, geändert? Nein. Die Organisation ist felsenfest davon überzeugt, dass in den Datensätzen verborgen eine Gruppe von Tieren existiert, die „die gleiche negative Reaktion auf Impfungen“ zeigt, „wie wir sie bei menschlichen Kleinkindern beobachten.“

Sozialpsychologisch ist das Phänomen schon lange bekannt. Fakten können festgefahrene Überzeugungen nicht ändern – im Gegenteil. Je größer die Fakten der Überzeugung widersprechen, desto fester wird der Glaube an die eigene Meinung (Backfire-Effekt).

Die Wechsel-der-Argumente-Strategie

Und noch etwas zeigt die Erfahrung mit Impfgegnern: Wird eine Behauptung für die Öffentlichkeit glaubhaft widerlegt, wird sie fallengelassen und durch die nächste ersetzt. Zunächst hieß es, MMR-Impfstoffe lösten Autismus aus. Als das widerlegt war, wurde Thiomersal genannt. Nachdem Studien auch das widerlegten und Thiomersal sich nicht mehr in Impfstoffen für Kleinkinder befindet, war es das Impfschema. Seit Neuestem wird Glyphosat in der Nahrung verdächtigt, das angeblich den Darm für giftige Inhaltsstoffe aus dem Impfstoffen durchlässig macht.

Ähnliches ist in Deutschland zu beobachten. NGOs und grüne Politiker kämpfen seit den 1980er Jahren gegen Gentechnik. Erst waren selbst gentechnisch erzeugte Medikamente des Teufels: Angeblich drohten unbekannte gesundheitliche Risiken; als das nicht mehr zu halten war, wurde vor Umweltkatastrophen gewarnt, die entstehen könnten, falls gentechnisch hergestellte Organismen aus der Produktion in die Umwelt entweichen würden. Doch weder Medizin noch Patienten scherten sich um die Bedenken. Gentechnisch erzeugte Medikamente sind eine beispiellose Erfolgsgeschichte.

Dann galt der Kampf Pflanzen, bei deren Herstellung gentechnische Methoden im Spiel waren. Auch hier wurde jahrelang vor Gesundheitsrisiken gewarnt. Als die nicht eintraten, wurde das Thema fallen gelassen und stattdessen angeblich schädliche Folgen für die Umwelt in den Vordergrund gestellt.

Hinzugeschaltet wurde eine Kampagne gegen Glyphosat. Jahrzehntelang hatte das 1974 erstmals zugelassene Mittel niemanden gestört, dann mutierte es plötzlich zum Erzfeind der Menschheit: angeblich sei es krebserregend. Seit nun die fünfte internationale Fachagentur geurteilt hat, dass Glyphosat nicht krebserregend ist, verbreiten Politiker von SPD, Linke und B90/Grüne die frei erfundene Behauptung, die Europäische Chemikalienagentur ECHA habe festgestellt, dass Glyphosat die Artenvielfalt schädige (ein Argument, das nur Menschen einleuchten kann, die noch nie im Garten Unkraut gejätet und damit Artenvielfalt vernichtet haben).

Die Verschwörungstheorie: alle Wissenschaftler gekauft

Da die wissenschaftlichen Bewertung durch Behörden und Expertengremien regelmäßig zu anderen Ergebnissen kommt als die Angstkampagnen behaupten, muss eine weitere Zutat her: die Unterstellung, die Wissenschaft sei von der Industrie gekauft.

Das ist ein besonders unwürdiges Spiel. Grüne und Umweltschutzorganisationen diskreditieren seit Jahren jede Studie, die ihren Kernthesen – bio ist gut, konventionelle Landwirtschaft und Gentechnik sind schlecht – widerspricht. Während sie in der Klimaforschung den Stand der Wissenschaft für absolut gesichert halten, gibt es bei Pestiziden und Gentechnik angeblich kein gesichertes Wissen. Mehr noch, sie unterstellen regelmäßig, Wissenschaftler und wissenschaftliche Institutionen seien von der Industrie gekauft. Damit unterminieren sie systematisch das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Unabhängigkeit von Wissenschaft und Behörden. Sie leisten damit Verschwörungstheorien Vorschub und besorgen letztlich das Geschäft von Pegida und AfD.

Unehrliche Politik

Die Grüne Partei und die ihr verbundenen Umweltschutzorganisationen sollten gegenüber sich selbst und der Öffentlichkeit ehrlich sein und sagen: Keine Studie der Welt, sei sie noch so unabhängig, breit und offen angelegt, wird uns von unserer Meinung abbringen.

Ginge es den selbsternannten Rettern der Menschheit tatsächlich um die Gesundheit der Menschen, die Umwelt und das Klima, müsste längst die Bio-Landwirtschaft auf den kritischen Prüfstand. Die dort verwendeten Pestizide Neemöl, Kupfer, Azadirachtin, Pyrethrum-Extrakt, Bt-Spritzmittel und andere sind Gifte mit Gesundheitsrisiken, mit zum Teil verheerenden Folgen für Boden- und Wasserorganismen und schädlich für Nützlinge. Dass Rosen aus Afrika schlecht für die Umwelt sind, steht mittlerweile auf jeder Ökobäckertüte – dass für den Pestizidbedarf der Biolandwirtschaft in Afrika ganze Landschaften mit Chrysanthemen in Monokultur bepflanzt sind, interessiert Umweltschützer nicht. Biolandbau verbraucht mehr Fläche zur Erzeugung der gleichen Ernte, auch Biobauern reduzieren die Artenvielfalt (wo Bioweizen wächst, haben Disteln und Quecken keinen Lebensraum), Bio-Saatgut ist durch künstliche Eingriffe (Hybridisierung, Mutationszucht) ebenso genmanipuliert wie das verhasste gentechnisch erzeugte und Biolebensmittel sind überdurchschnittlich häufig mit Gesundheitsrisiken durch Pilze, Bakterien und Verunreinigungen assoziiert.

Stattdessen müssten sie für die Nutzung von Gentechnik eintreten, um Pflanzen schneller gegen Insekten und Parasiten resistent zu machen, so dass auf Insektizide und Fungizide verzichtet werden kann, um Sorten mit höherem Gehalt an Nährstoffen und Vitaminen zu schaffen, um sie an Klimaveränderungen anzupassen usw.

Dazu gibt es seitens der vorgeblichen Umwelt- und Verbraucherschützer nichts zu lesen. Im Gegenteil – sie verfestigen das Bild, Biolandbau komme vollständig ohne Pestizide oder Dünger aus, die Unkräuter würden artenvielfaltfördernd eliminiert und die Pflanzen seien vollkommen frei von Pestiziden wie Cucurbitacin, Falcarindiol, Myristicin oder Solanin („Essen ohne Pestizide ist möglich“, lautet der irreführende Titel einer Greenpeace-Broschüre), mit dem Erfolg, dass ökobewusste Eltern ihre Kinder mit selbstgemachten Kartoffelchips aus der Solanin-haltigen Schale von Biokartoffeln vergiften.

Umweltschützer und Grüne sollten offen sagen: Eure Studien und eure Wissenschaft interessieren uns nicht – wir sind gegen Gentechnik und andere moderne Errungenschaften, weil wir darin eine Versündigung gegen die Schöpfung sehen. Wir sind gegen die konventionelle Landwirtschaft, weil sie unseren Vorstellungen von der Heiligkeit der Natur widerspricht. Das wäre ehrlich. Es würde aber auch zugleich den antimodernistischen Kern der grünen Weltanschauung offenlegen: gegen Technologie, gegen Industrialisierung, gegen Großfirmen. Denn die verletzen angeblich „die Würde der Pflanzen“, greifen in die „Integrität des Genoms“ ein, „spielen Gott“, „überschreiten natürliche Grenzen“ und verschaffen sich durch Patente auf „Leben“ ein „Monopol auf die Nahrung“.

Wer die Geschichte der Grünen kennt, wundert sich über diese schwülstige Mystik nicht. Ihre Traditionslinie reicht zurück auf die „Lebensreformer“, die sich in den 1920er Jahren gegen Urbanisierung und Industrialisierung in der modernen Welt wendeten. Auch damals schon schwankte diese zutiefst bürgerliche Erlösungsbewegung zwischen Fortschrittspessimismus und beherztem Eintreten für die wirtschaftlichen und Karriere-Chancen, die eine ökologische Reform ihnen bieten würde. Damals waren es Reformkost, Reformkleidung und Sanatorien, die neue Geschäftsfelder eröffneten, heute sind es Bioläden, regenerative Energie und Naturheilkunde, mit denen viele Grünen-Anhänger reich geworden sind.

Dieses Milieu gilt es zu beschützen, mit Subventionen für Windräder, Solarzellen und Biolandbau und Strafsteuern auf Pestizide, Verbrennungsmotoren und „ungesunde“ Nahrung. Da kommen Studien, die den Biolandbau entzaubern, Gentechnikgefahren widerlegen oder das Modell der deutschen Energiewende in Frage stellen, äußerst ungelegen. Studien und wissenschaftliche Bewertungen spielen daher nur dann eine Rolle, wenn sie die eigene Position untermauern. Alles andere ist den grünen Lobbyisten gekaufter Lobbyismus.

Fun Fact

Das derzeit wegen seiner Glyphosat-Bewertung („nicht krebserregend“) besonders in der grünen Kritik stehenden Bundesamt für Risikoforschung BfR wurde 2003 durch die damalige grüne Landwirtschaftsministerin Renate Künast als Institution gegründet, die „erstens unabhängig von politischen Erwägungen, zweitens unabhängig von wirtschaftlichen Interessen und drittens auch unabhängig von den Anforderungen des Krisenmanagements“ ist. Künast weiter: „Die Glaubwürdigkeit der Risikobewertung ist das zentrale Kriterium zur Wiedergewinnung des Verbrauchervertrauens. Und die Glaubwürdigkeit des BfR wird auf seiner Unabhängigkeit basieren.“

Heute kämpft die grüne Partei gegen das BfR. 2016 unterstellte sie in einer kleinen Anfrage Mauscheleien von BfR-Mitarbeitern mit der „Industrie“ und forderte sogar die Herausgabe der Namen der Mitarbeiter, die an der Risikobewertung von Glyphosat beteiligt waren. Die Bundesregierung lehnte ab und gab „zu bedenken, dass bereits im laufenden EU-Verfahren zur Wiedergenehmigung des Pflanzenschutzmittelwirkstoffs Glyphosat insbesondere Vertreter des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), die für die gesundheitliche Risikobewertung gesetzlich zuständig sind, Morddrohungen erhalten haben. Auch aus Gründen der Fürsorgepflicht der Bundesregierung gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundesministerien oder Bundesoberbehörden teilt die Bundesregierung die begehrten personenbezogenen Daten daher nicht mit.“