„Vielleicht morgen“
Die Besetzung der Berliner Volksbühne gerät immer mehr zur politischen Farce. Ein Ortsbesuch.
„Willkommen bei unserem x-ten Plenum“, sagt eine auf dem Boden kniende Frau, die Limonade trinkt. Es ist Mittwoch, 18:07 Uhr in einem Vorraum der Volksbühne. Seit Freitag ist sie besetzt. Nach einem Feierwochenende in den Räumen des Theaters zum Kennenlernen beginnt jetzt der Ernst.
Erstmal soll von der „Arbeit der AGs“ berichtet werden. Organisatorisches.
Volksküchen-Koch Wolfgang: „Wir haben 40 Kilogramm essen gekocht, nur 25 Euro sind in der Kasse, das geht nicht.“ Der Solidarpakt funktioniert nicht ganz.
Es sollen viele Tagesordnungspunkte abgearbeitet werden, von dem Angebot, den Aktivisten den Grünen Salon und Pavillon zu übergeben, wird zunächst nichts gesprochen. Einem Mann platzt der Kragen. Er ist ein Mitarbeiter der Volksbühne und sauer: „So wie die Sache gerade läuft, läuft sie gegen die Wand.“
Zornige Mitarbeiter, zerstrittene Besetzer
Er bekommt das Wort, ein Mikrofon in die Hand gedrückt: „Fakt ist, so kann die Volksbühne nicht arbeiten. Die Kantine muss zumachen und Leute müssen entlassen werden. Wir haben euch den Grünen Salon und den Pavillon angeboten. Die meisten Mitarbeiter sehen euch als Eindringlinge. Ich bin Proletarier.“
Die Limonaden-Frau erklärt: „Heute morgen war ein Meeting mit 90 Mitarbeitern der Volksbühne und Dercon und sechs von uns waren dabei.“
Das Angebot vom Linken Kultur-Senator Klaus Lederer und dem umstrittenen Volksbühnen-Intendant Chris Dercon wird kritisch beäugt. Ein junger Aktivist: „Wie sehen das als ein vergiftetes Angebot an. Den Künstlern, die den Grünen Salon jetzt haben, wird der dann weggenommen.“ Er sagt, man behindere keine Proben. Allerdings finden Proben der Profis aufgrund der anarchischen Situation gar nicht mehr statt.
Dann ein Mann mit Bart und Strickmütze: „Ich bin Thomas, ich find Kunst und Theater toll. Es wird immer Leidtragende geben, wenn Freiräume genommen werden. Hier wird Demokratie gerade neu ausgehandelt. Wir brauchen Zeit, um uns alle besser kennenzulernen.“
Hass auf die Presse
Zeit, welche die Mitarbeiter der Volksbühne nicht haben. Ein Regisseur: „Es geht hier und heute um die finanzielle Planungssicherheit von ganz vielen Menschen.“
Eine Frau: „Vielleicht könnte man das auf der Bühne inszenieren, was hier abläuft.“
Eine ältere Volksbühnen-Schauspielerin, die schon zu DDR-Zeiten hier spielte, brüllt voller Hass: „Ich habe immer eins verachtet, die Presse!!!!“ So will sie offenbar zeigen, dass auch sie gegen das Establishment ist. Dann sagt sie, dass die Volksbühnen-Schneider bald keinen Job mehr haben: „Es gibt keine Zeit mehr und es ist bitter.“ Sie drängt die jungen Leute, das Angebot der Linken anzunehmen, welche die einzig annehmbare Partei in Deutschland sei.
Ein anderer Aktivist schlägt vor, die Mitarbeiter der Volksbühnen könnten ja den Aktivisten Workshops in Schauspielerei und Technik geben. Eine Mitarbeiterin: „Ich finde das vermessen, jetzt solche Ansprüche zu stellen.“
Ein Aktivist: „Das ist eine soziale Plastik.“
Ein Mitarbeiter: „Das ist eine asoziale Plastik.“
Ein Aktivist mit weißem Cappy sagt, dass man Dercon rausschmeißen und zurück in seine Heimat nach Belgien schicken sollte. Ein Mitarbeiter fragt ihn, ob dann künftig nur noch Deutsche hier arbeiten sollten.
Ein junger Mann: „Jetzt haben wir schon wieder stundenlang gelabert, lasst uns endlich abstimmen!“
Es hat etwas von einer Politsatire.
Eine Aktivistin: „Wir stimmen bald ab, ob wir darüber abstimmen.“
Eine Mitarbeiterin: „Ich möchte nicht in irgendwas integriert werden, was ich mir nicht ausgesucht habe.“
Eine Aktivistin: „Vielleicht muss die Belegschaft sich abschaffen wie bei den Kohlebergwerken.“
Am Ende wird vom „Orga-Team“ entschieden, dass am nächsten Tag entschieden wird – vielleicht.