Deutschlands Kulturfestivals wie die Berlinale sind zu Gernegroßereignissen geschrumpft. Woran das liegt, ist offensichtlich.

Wenn es erst einmal so richtig läuft wie geschmiert, dann muss schon einiges passieren, bis jemand ein Schild an die Tür hängt mit der Aufschrift: „Der Betrieb musste leider eingestellt werden.“ Das gilt für den Kunstbetrieb ganz besonders, wenn er vom Staat subventioniert oder von potenten Sammlern gefördert wird: Er ist letztlich immer flüssig, belohnt den ewig jungen „radical chic“ der Rebell:_*innen-Pose und generiert das Skandalon als bestes aller Schmierstoffe in unserer Medienwelt.

Und trotzdem kann der Betrieb, der da so geschäftig brummt und rattert, im Leerlauf stehen. Kein Fortkommen, nirgends. Und das hat etwas mit Politik zu tun.

EINE GEDANKLICHE UND ÄSTHETISCHE ENGE

Ein so großer und innerlich unabhängiger Künstler wie Martin Scorsese hat jüngst noch einmal mit „Killers of the Flower Moon“ bewiesen, dass man einen politischen Film drehen kann, und es ist trotzdem Kunst. Auf den deutschen Kunstgroßereignissen wie Documenta oder Berlinale heißt es allerdings immer öfter: Es soll politisch sein – ist aber immer weniger Kunst. Damit sind die beiden Probleme benannt, mit denen sich der deutsche Kunstbetrieb unübersehbar rumschlägt: ästhetisches Desinteresse und Infizierung durch das Virus Politik. Es sind vor allem die politischen Ergüsse der Sozialwissenschaften, die der künstlerischen Kreativität die Pinsel, Federn und Kameras führen. Wenn die Kunst zur Magd der Politik wird, dann hat das zur Folge, dass junge Künstler, weil ihnen die eigenen Ideen fehlen oder sie das Risiko des echten Eigensinns scheuen, ihre Entwicklung nicht im Reich der Freiheit beginnen, sondern in der gedanklichen und ästhetischen Enge des politischen Dogmas, das sich gerade als Trend pandemisch verbreitet. Heraus kommen keine großen Künstler, sondern kleine Opportunisten. Bejubelt von einem Publikum, dass jeden Parteigänger des eigenen politischen wie künstlerischen Opportunismus als ihresgleichen begrüßt. Und alle glauben auch noch, sie seien progressiv. Das ist wahrscheinlich der größte Selbstbetrug, der im deutschen Kulturbetrieb gepflegt wird: dass in dieser gut dotierten Haltung irgendetwas läge, was Kunst, Gesellschaft und Politik voranbringen würde.

Darin liegt vermutlich auch der Grund, warum er sich sobald nicht selbst befreien kann aus dem selbstgewählten Gefängnis der Bedeutungslosigkeit. Zumal die großen Festivals ja so oder so weiter laufen. Man nimmt sie noch als Skandalproduzenten zur Kenntnis – aber sonst?

Im Ergebnis bedeutet das auch: Die einstmals großen Kunstschauen wie Documenta und Berlinale sind höchstens noch zweitklassig. Mal ehrlich, was ist die Berlinale im Vergleich zu Cannes, Venedig, Sundance?

VORTÄUSCHUNG VON RELEVANZ

In gewisser Weise kommen den Veranstaltern die Skandale vielleicht sogar gelegen: Wenn nichts mehr von Rang und Bedeutung präsentiert werden kann, dann hilft der Antizionismus bei dem Bemühen, irgendeine Relevanz vorzutäuschen – und wenn es auf Kosten Israels und der Juden geht, egal.

Aber vergessen wir nicht: Der Antisemitismus der Documenta und die BDS-Sympathien waren schon vor dem 7. Oktober da. Die einschlägigen Darstellungen und aktuellen Statements sind alle keine Reaktionen auf den Krieg in Gaza. Selbst wenn Israel nach dem Massaker der Hamas die andere Wange auch noch hingehalten hätte – die Haltung des Kunstbetriebs wäre unerschütterlich die gleiche, die Luft in den betreffenden Institutionen weiterhin stickig von den Ausdünstungen linker aktivistischer Diskurse.

Der Kunstbetrieb ist selbstgefällig und satt geworden. Noch etwas länger und noch etwas weniger Widerspruch, und wir bekommen demnächst einen handfesten „antisemitischen Realismus“ als neue Kunstrichtung. Dafür reicht es immer.