Als Verfechter der Wahrheit in Sachen Klima diskreditiert das Umweltbundesamt Journalisten, die entgegen der behördlichen Leitlinie berichten. Auf der Liste der Verfemten steht auch Salonkolumnist Michael Miersch. Und das soll so bleiben, legt nun ein Gerichtsurteil fest.

Wie einst Galileo Galilei gegen Inquisition und Papst stemmte sich 2013 eine kleine Organisation gegen die erdrückende Übermacht von Klimawandelleugnern und -skeptikern. „Und sie erwärmt sich doch“ – so der trotzige Titel einer Broschüre zur Frage „Was steckt hinter der Debatte zum Klimawandel?“ Was für ein passender Vergleich: Hier der einzelne Gelehrte, der seinen Kampf mit Kirche und Staat gegen einen falschen Dogmatismus mit lebenslanger Haft bezahlte, dort die Bundesbehörde, die die offizielle Linie der Regierung mit rufmordartigen Unterstellungen vor Einzelpersonen schützt, die von der behördlich festgelegten Wahrheit abweichen.

Den Klimawandelskeptikern werden in der Broschüre unlautere Absichten unterstellt. An mehreren Stellen wird darauf hingewiesen, dass Skeptiker von der Ölindustrie bezahlt wurden. Auch Journalisten werden dieser Gruppe zugeordnet und namentlich aufgeführt, darunter Salonkolumnist Michael Miersch.

Journalisten kritisieren Wahrheitsanspruch des UBA

Der klagte gegen diese denunziatorische Nennung vor dem Verwaltungsgericht Halle – mit breiter Unterstützung auch von solchen Medien, die kaum je auch nur in der Nähe der verteufelten Leugner und Zweifler waren. „Zeit“-Herausgeber Josef Joffe schrieb: „Es gibt in diesem Land kein ‚Ministerium für Wahrheit’ wie bei George Orwell, aber das UBA hat einen Schritt in diese Richtung getan.“ Jan-Eric Peters, damals Chefredakteur der „Welt“, nannte es einen Skandal, dass eine staatliche Behörde in einer „mit Steuergeld finanzierten Broschüre quasi eine schwarze Liste missliebiger Journalisten veröffentlicht“.

Auch der Berufsverband der Wissenschaftsjournalisten meldete sich zu Wort. „Es ist nicht Aufgabe einer staatlichen Institution festzulegen, welche Meinungen geäußert werden dürfen und welche nicht. Journalisten dürfen und müssen unterschiedliche Positionen vertreten, und sie dürfen und müssen immer wieder auch etablierte Wissenschaftler in Frage stellen“, erklärte Martin Schneider, Vorsitzender der Wissenschafts-Pressekonferenz (WPK). Selbst in einem Kommentar bei den alles andere als klimawandelskeptischen „Klimarettern“ wurde dem UBA vorgeworfen, es habe „kein Recht, Kritiker der Klimaforschung bloßzustellen“.

Das sah das Verwaltungsgericht anders und wies die Klage 2015 ab. Leser der Broschüre würden keinen Zusammenhang herstellen zwischen den genannten Journalisten und der Behauptung, Klimawandelskeptiker seien unlauter und von der Ölindustrie bezahlt. Zwar werden die Journalisten in der Broschüre ebenfalls als Klimawandelskeptiker bezeichnet, aber nach Auffassung der Richter entstehen logische Zusammenhänge offenbar ausschließlich durch räumliche Nähe im Text (Beschuldigungen und Namensnennung sind nicht im selben Kapitel), nicht aber durch das Einschließen in eine Gruppe („Klimawandelskeptiker“), der an anderer Stelle bestimmte negative Attribute zugeschrieben wurden.

Gerichtsurteil: UBA wirkt „postfaktischem Diskurs“ entgegen

Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg hat diese Sichtweise nun bestätigt und auch die Berufung zurückgewiesen – in letzter Instanz. Offenbar waren die Richter anders als die zitierten Journalisten durchaus der Meinung, dass es in Ordnung ist, wenn eine mit Steuergeld finanzierte Behörde öffentlich erklärt, welche Standpunkte in einer wissenschaftlichen Kontroverse in Ordnung sind und welche „nicht mit dem Kenntnisstand der Klimawissenschaft übereinstimmen“. Das stehe im Einklang mit der Aufgabe des UBA, über Umweltfragen aufzuklären. Es wirke dem „postfaktischen Diskurs“, dem das Gericht offensichtlich Mierschs Artikel zuschlägt, entgegen.

Doch was ist eigentlich der „Kenntnisstand der Klimawissenschaft“? Den viel zitierten Konsens in der Klimaforschung gibt es tatsächlich. Doch wie die ominösen und kaum haltbaren 97 Prozent aller Klimaforscher regelmäßig gegen Kritiker ins Feld geführt werden, ist durchaus zweifelhaft. Denn innerhalb dieses Konsenses gibt es ein breites Meinungsspektrum, und das ist keinesfalls deckungsgleich mit dem Inhalt der UBA-Broschüre.

Einig ist man sich, dass eine Erwärmung stattfindet und dass Kohlenstoffdioxid, dessen Anteil in der Luft zuletzt stark gestiegen ist, über einen Treibhauseffekt daran mitwirkt. Da der Mensch beachtliche Mengen CO2 emittiert, trägt er zur Erderwärmung bei. Nur wie groß dieser Beitrag ist, darüber gibt es sehr wohl eine wissenschaftliche Kontroverse, die nicht nur von Spinnern und Querulanten geführt wird. Die Berichte des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) sind nicht die Heilige Schrift der Klimawissenschaft, und wer am Sinn der Klimapolitik der Bundesregierung zweifelt, leugnet nicht automatisch den Klimawandel.

Klimakonsens und Kontroverse um Pause der Erderwärmung

Ein Beispiel ist die sogenannte Erwärmungspause zwischen 1998 und 2013. In diesen Jahren stieg nach einigen Messreihen die globale Durchschnittstemperatur kaum, was allen Prognosen der gängigen Klimamodelle widersprach. Die UBA Broschüre bezeichnet dies aber schlicht als „nicht richtig“ und gibt gleich mehrere Gründe dafür an: Der betrachtete Zeitraum sei zu kurz, Schwankungen mit kühleren Jahren seien normal, 1998 als besonders warmes Startjahr der Datenreihe verzerre das Ergebnis, Wetterphänomene wie El Niño und La Niña erklärten die statistische Auffälligkeit. All das mag stimmen, aber keine dieser Erklärungen ist unumstritten.

Wenn es sich bei der Erwärmungspause um reinen Blödsinn der Klimawandelleugner handelte, dann hätten nicht diverse seriöse Forschergruppen nach verschiedenen und sich teils widersprechenden Erklärungen dafür suchen müssen. Erst waren viele Klimaforscher sicher, dass die überschüssige, aber in den Temperaturdaten der Oberflächenmessungen nicht auftauchende Wärme in den Tiefen der Ozeane verschwunden sei. Dann behauptete eine Forschergruppe im Fachmagazin „Science“, es habe gar keine Erwärmungspause gegeben. Sie sei lediglich ein Artefakt, das aus den unterschiedlichen Daten von Mess-Bojen und Forschungsschiffen entstehe.

Das Met Office wiederum, der nationale meteorologische Dienst in Großbritannien, der nicht im Verdacht steht, von der Ölindustrie gekauft zu sein, bestätigt zwar einen Einfluss der Messmethoden, sieht die Pause aber auch nach Korrekturen noch. Die Erwärmung sei trotz Korrektur der Messwerte langsamer als erwartet.

Sind diese Erklärungen falsch? Hat eine Erwärmungspause tatsächlich stattgefunden? Das soll an dieser Stelle gar nicht geklärt werden, und auch Michael Miersch hat in seinen Kolumnen nicht behauptet, diese Fragen seien endgültig beantwortet. Es geht lediglich darum, aufzuzeigen, dass es darüber ernsthafte Kontroversen gibt, und es ist Aufgabe von Journalisten, solche Kontroversen wiederzugeben und nicht einen von einer Behörde für sakrosankt erklärten Standpunkt zu vertreten.

Politik bügelt wissenschaftliche Unsicherheiten glatt

Unsicherheiten sind Bestandteil jeder wissenschaftlichen Diskussion. Das beginnt schon damit, dass bei seriösen Messungen jeder Wert mit der Angabe einer Messunsicherheit verbunden ist. In der Klimadiskussion werden Unsicherheiten aber nicht selten weggebügelt. Der Klimaforscher Hans von Storch kritisiert die zu große Nähe von Wissenschaft und Politik in Sachen Klima und das Verschweigen wissenschaftlicher Unsicherheit: „So wird ein sicherer Sachzwang vorgetäuscht, um politische Ziele zu erreichen.“

Wer hingegen Kritiker gefühlter Mehrheitsmeinungen zu Wort kommen lässt, sieht sich nicht selten heftigen Anfeindungen ausgesetzt. So warf der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf der Journalistin Irene Meichsner im März 2010 vor, in ihren Artikeln für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ und die „Frankfurter Rundschau“ (FR) einen Skandal um Fehler im vierten IPCC-Bericht frei erfunden zu haben. Außerdem habe sie ihre ungerechtfertigte Kritik von britischen Bloggern und Journalisten abgeschrieben. In einem Brief an die FR forderte er die Zeitung auf, den Meichsner-Artikel zurückzuziehen. Dem kam die FR eilfertig nach und publizierte nicht nur eine Korrektur, sondern auch gleich eine Doppelseite über die schändliche Kampagne gegen den UN-Klimarat.

Der Leiter der Redaktion des WPK-Quarterly, des Magazins der WPK, fand in seiner Analyse des Falls unter dem Titel „Ideologie und Klimawandel oder: Wie man Journalisten mundtot macht“ scharfe Worte für das Vorgehen Rahmstorfs. Es sei eine „Demonstration, wie man missliebige Deutungen mit Hilfe eines autoritären Wahrheitsbegriffs und mit Hilfe einer nur auf Einzelfälle begründeten und insofern empirielosen Medienverschwörungstheorie zu unterdrücken versucht“.

Ein abschreckendes Urteil für die Pressefreiheit

Die UBA-Broschüre folgt demselben Muster, bekommt anders als Rahmstorf 2010 dafür aber auch noch richterliche Rückendeckung. Meichsner hatte damals vor dem Landgericht Köln gegen einige der Behauptungen Rahmstorfs geklagt und Recht bekommen. Michael Miersch blieb dieser juristische Schutz vor Verleumdung verwehrt. Damit bekomme die Behauptung, seine Arbeit sei unredlich und widerspreche dem Kenntnisstand der Wissenschaft, einen „amtlichen Stempel“, beklagt Miersch in einer Presse-Information.

Mit richterlicher Unterstützung in höchster Instanz darf das UBA somit einen Journalisten als Lügner darstellen, weil er Standunkten innerhalb einer wissenschaftlichen Kontroverse Platz einräumt, die dem vom Amt vertretenen Standpunkt widersprechen. Damit betreibt eine staatliche Behörde die „Theologisierung ihres eigenen Tuns“, wie Alexander Kissler es im „Cicero“ bezeichnet (man bedenke in diesem Kontext noch einmal den Titel der Broschüre). Das UBA wird zur Wahrheitsagentur, die die Bevölkerung vor falschen (postfaktischen) Informationen schützt. Für die Pressefreiheit und den Wissenschaftsjournalismus ist das keine gute Entwicklung. Die Folgen dieses Konformitätsdrucks zeigt das Beispiel Meichsner: Sie schreibt seit dem Streit mit Rahmstorf nicht mehr über Klimathemen. Wer weiß wie viele Journalisten einfach nicht riskieren wollen, sich ihren Ruf vom UBA ruinieren zu lassen und deswegen ebenfalls die Finger von diesem Thema lassen.

Nachtrag

Angesichts der Rolle, die dem UBA als Bewahrer des wissenschaftlichen Kenntnisstands zufällt, sollte das Amt sich konsequent der Umsetzung dieser Funktion auch bei anderen Disziplinen widmen. Auch bei der Grünen Gentechnik gibt es einen wissenschaftlichen Konsens. Der ist unter Wissenschaftlern der American Association for the Advancement of Science sogar noch eindeutiger als beim Klimawandel. Mehr als 275 Wissenschaftsorganisationen auf der Welt sind von der Sicherheit gentechnisch veränderter Organismen (GVO) überzeugt, darunter so ziemlich alle erwähnenswerten Akademien der Wissenschaften. Im Sommer 2016 haben 107 Nobelpreisträger einen Brief unterschrieben, der die Verteuflung von GVO anprangert.

Als nächstes wäre daher eine UBA-Broschüre zur Grünen Gentechnik denkbar, vielleicht ja unter dem Titel „Hier säe ich, ich kann nicht anders“. Dazu hier nun ein exklusiver Salonkolumnisten-Textentwurf: „Genleugner vertreten Meinungen, die nicht mit dem Kenntnisstand der Wissenschaft übereinstimmen. Dubiose Wissenschaftler wie Federico Infascelli und Gilles-Éric Séralini verwenden zur Verbreitung ihrer Thesen betrügerische Mittel und schrecken auch nicht vor Fälschungen von Studiendaten zurück. Séralini wurde von der Homöopathie-Industrie bezahlt, die Mittel gegen die von ihm erfundenen Gesundheitsgefahren verkauft. Auch in Deutschland gibt es solche Genleugner. Dazu zählen eigentlich die gesamte Partei der Grünen und speziell Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer, der postfaktisch vor einer ‚Krebsgefahr bei genmanipulierten Pflanzen und Tieren‘ warnt, sowie Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), die Grüne Gentechnik für unkontrollierbar hält. Das heißt aber natürlich nicht, dass unsere Oberchefin, Frau Hendricks, eine Betrügerin ist. Ihr Name und die Erwähnung der betrügerischen Mittel der Genleugner stehen ja schließlich nicht im selben Satz.“