CDU-Politiker Jens Spahn fordert Deutschkurse für Berliner Hipster. Unsere Autorin meint: richtig so! Das allerdings kann nur ein Anfang sein; denn nicht nur in Neukölln, auch andernorts besteht linguistischer Nachholbedarf.

Ich kann Jens Spahns Unmut über Berlins Hipster verstehen. Manchmal nervt die Hauptstadt-Schickeria einfach. Zum Beispiel, wenn Mandy aus dem oberfränkischen Hof plötzlich in Kreuzberg „Barista“ wird und die englische Aussprache ihrer deutschen Kunden verbessert.

Oder wenn man in den hippen Neuköllner Lokalen Hunger leidet, weil die Bedienungen lieber ihren Dutt zurechtrücken und auf ihrem iPhone wischen als die Bestellung aufzunehmen.

Spahns Vorwurf, die Hipster verhielten sich eher elitär und abweisend als mondän und aufgeschlossen, ist also nicht aus der Luft gegriffen.

Warum hasst Spahn die englische Sprache so sehr?

Ich kann aber nicht verstehen, wieso Spahn ein Problem mit der englischen Sprache hat. Indem sich die schicke Jugend auf Englisch verständige, würden sich Menschen ohne Englischkenntnisse „merkwürdig und fremd im eigenen Land fühlen“, kritisierte er. Den Hipstern attestierte er dadurch eine „mangelnde deutsche Selbstverständlichkeit im Umgang mit der eigenen Sprache“.

Auf der Schwäbischen Alb kommt man mit Hochdeutsch nicht weit

Vermutlich hat sich der CDU-Politiker noch nie in den Süden Deutschlands begeben, auf die Schwäbische Alb zum Beispiel. Dort habe ich vor ein paar Jahren mit der Verwandtschaft meines damaligen Freundes den zweiten Weihnachtsfeiertag verbracht – und fast kein Wort verstanden. Und so muss ich auch ausgesehen haben. Denn obwohl ich nach jedem Kalauer höflich mitlachte, zeigte der Opa irgendwann mit dem Finger auf mich und rief: „Wasn das fürn Landsmo? Die verstoht ja nix!“ (Sinngemäße Übersetzung: Woher kommt die Frau? Die versteht ja nichts.)

Ich glaube, ich kam mir nie „fremder“ und „merkwürdiger“ im eigenen Land vor, als in diesem Moment. Auch weiß ich nicht, wie der Opa reagiert hätte, wenn ich ihn wegen seiner „mangelnden Selbstverständlichkeit im Umgang mit der deutschen Sprache“ gerügt hätte. Wahrscheinlich hätte er mich ausgelacht.

Distinktion durch Sprache schafft ein Zusammengehörigkeitsgefühl

Arroganz und Coolness gehören einfach zu Berlin wie das Konservative zu Bayern oder die Kehrwoche zu Stuttgart. Dabei feiern die Berliner Hipster nicht mit anderen Mitteln ihre kulturelle Identität als Menschen auf der Schwäbischen Alb oder in Oberfranken: Durch sprachliche Abgrenzungen.

Natürlich halte ich die Albschwaben mit ihren Eigenheiten in Ehren. Wenn es um kulturelle Zugehörigkeiten geht, sitze ich aber doch lieber bei Mandy am Tresen und lasse mir von ihr das englische „th“ erklären. Und das sollte auch kein Problem sein, Herr Spahn.