Unter dem Hastag „#metwo“ wird auf Twitter gerade der Fremdenhass in Deutschland beklagt. Viele zeichnen dabei das Bild einer rassistischen Endzeit-Gesellschaft. Zu unrecht.

Als meine Mutter sich damals in den Siebzigern von ihrem ersten Mann scheiden ließ, um mit meinem Vater zusammenzukommen, fiel meiner Oma und meiner Verwandtschaft vor Entsetzen die Hornbrille von der Nase: „Was willst du von dem Türken?“ war ein Satz, den sich meine Mutter seitdem nicht nur einmal anhören musste.

Sich wehren statt Opfer sein

Natürlich pfiffen meine Eltern auf die piefige Verwandtschaft meiner Mutter, zogen in eine oberfränkische Kleinstadt und eröffneten dort einen Blumenladen. Nur etwa 150 Kilometer von Nürnberg entfernt, wo der türkische Blumenhändler Enver Şimşek im Jahr 2002 vom NSU ermordet wurde. Meine Familie hat einiges an Rassismus erfahren, meine Schwester und ich haben uns aber deswegen nie als Opfer der deutschen Gesellschaft gesehen. Wenn wir von irgendjemanden aufgrund unserer Herkunft angefeindet worden sind, dann haben wir den Fehler bei der Person gesucht – nicht bei uns.

Das ist auch die Attitüde meiner Eltern gewesen: Sich wehren, anstatt Opfer zu sein. Denn eine Sache wusste mein Vater genau: Wer sich selbst als Opfer sieht, hat bestenfalls die Möglichkeit, eine Karriere als Jammerlappen zu machen – aber garantiert nicht, seine Ziele im Leben zu erreichen.

Genau das ist auch das Schlimme an der Affäre um Mesut Özil: Dass er sich tatsächlich in die Opferposition begeben hat, anstatt weiter zu kämpfen. Dass er vor ein paar braunen Vollidioten weggerannt ist, und ihnen nicht einfach vom deutschen Spielfeld aus den Mittelfinger gezeigt hat. Das finde ich ziemlich schwach für einen Profifußballer. So schwach, dass man ihm sein Statement überhaupt nicht abkaufen mag.

Rassisten in der Minderheit

Mein Vater war damals froh, nach Deutschland zu kommen. Die Türkei war in den Sechzigern zwar aufgeschlossener als sie sich heute unter der Erdogan-Diktatur gebärdet, konservativer als der Westen war sie aber dennoch. Mein Vater wollte nach Deutschland, weil er dort freier leben konnte. In seiner ersten Zeit in Frankfurt hat er zusammen mit meinem Opa und seinem Onkel Waschmaschinen und andere Elektrogeräte an- und verkauft. Als er mir das irgendwann mal erzählte, mussten wir uns beide den Bauch halten vor Lachen: „Import – Export“ und dann auch noch Blumenhändler – was für ein typisches Migranten-Business.

Glaubt man im Moment einigen Medien und vor allem den Metwo-Tweets, sollten mein Vater und ich uns das Lachen besser verkneifen und stattdessen vergrämt auf Deutschland schimpfen. Das kann ich nicht nachvollziehen. Denn ich finde nicht, dass wir in einer rassistischen Endzeit-Gesellschaft leben, in der die AfD und andere rechte Spinner den moralischen Ton angeben. Rassisten waren für mich immer in der Minderheit – die meisten Deutschen liebten mich so wie bin. Ihnen war mein Migrationshintergrund wirklich vollkommen egal.

Aufmüpfige Migrantenkinder

„Das kannst du gar nicht beurteilen, weil du gar nicht wie eine echte Türkin aussiehst!“ haben mir viele Hashtag-Feministen an diesem Punkt schon erzählt. „Du sprichst doch aus einer WEIßEN Perspektive heraus!“ Ich frage mich dann immer, wie eine „echte Türkin“ denn wohl aussehen mag – und wer hier eigentlich rassistisch ist.

Natürlich gibt es in Deutschland Fremdenhass. Ich glaube aber nicht, dass wir in einer flächendeckend rassistischen Gesellschaft leben. Hinter der Metwo-Kampagne steckt ja auch der Anspruch, dass sich das Land am besten sofort in eine Utopie verwandeln sollte. Hass und Ressentiment lassen sich aber nicht von heute auf morgen einfach beseitigen. Wir können nur gemeinsam versuchen, die Gesellschaft besser zu machen. Dazu brauchen wir aufmüpfige Migrantenkinder, wie etwa Lady Bitch Ray, die den Rassisten den Kampf ansagen. Garantiert keine Heulsusen wie Özil, die vor Fremdenhass und Rassismus einfach davonlaufen.