Mit den Rezepten, die Grüne und einschlägige NGOs zur Bekämpfung der Erderwärmung haben, wird es keine Erfolge geben. Das Klima retten sie nicht. Dazu brauchen wir Gentechnik, die hochmoderne Landwirtschaft und natürlich auch Atomkraft.

Schüler gehen für mehr Klimaschutz auf die Straße. „Klimafakten“ schreibt zurecht, dass es um ihre Zukunft geht. Greta Thunberg kommt das Verdienst zu, dem Thema eine öffentliche Aufmerksamkeit zu bescheren, die längst überfällig ist. Den Protesten gerecht zu werden, heißt, gute Antworten zu finden, statt sie für eigene Zwecke zu instrumentalisieren.

Wir haben ein schweres, vertracktes Problem: Menschliches Tun erhöht global die Temperaturen unseres Planeten. Ohne weltweites Eingreifen stehen uns 4 bis 6 Grad mehr ins Haus. Was 1, 2, 3, 4, 5, oder 6 Grad mehr heißen könnte, hat Mark Lynas in seinem wichtigen Buch „Six Degrees“ erläutert.

Demnach wird die Erde bei zunehmendem Temperaturanstieg zunehmend lebensfeindlich bis unbewohnbar. Bereits bei einer 2 Grad höheren Durchschnittstemperatur werden Hitzewellen in Europa häufiger auftreten und intensiver sein und können Millionen Menschen in Indien und Bangladesch zur Migration gezwungen sein. Ab einer Erhöhung um 5 Grad ist unser Planet komplett eisfrei und kaum noch wieder zu erkennen. Etwa 1 Grad haben wir bereits.

Was müssen wir tun, um Emissionen und Temperaturanstieg zu minimieren? Wie gelingt der schnellstmögliche Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, vor allem Kohle, ohne den weltweiten Aufwärtstrend in Sachen Lebenserwartung und Lebensqualität laut Index der menschlichen Entwicklung der UN zu gefährden?

Diese Fragen sind nicht neu.

Seit Veröffentlichung des Charney-Berichtes aus der National Academy of Sciences mit dem Titel Carbon Dioxide and Climate – a Scientific Assessment (1979) ist bekannt, dass wir ein Problem haben. Dieser Bericht wurde auf Bitten des Office of Science and Technology Policy (OSTP) der Vereinigten Staaten erstellt, eine Einheit, die dem Executive Office of the President of the United States (EOP) untersteht.

Das ist 40 Jahre her.

Die im Charney-Bericht angegebene Klimasensitivität von 1,5 – 4,5 Grad Celsius Temperaturerhöhung bei einer Verdopplung des CO2-Gehalts hat sich bis zu den letzten IPCC-Berichten bestätigt. Lediglich die Dringlichkeit wird immer größer. Wir sind schon auf halbem Weg zu dieser Verdoppelung mit keinem Anzeichen für eine Verlangsamung.

Nicht neu ist auch, dass Jugendliche sich engagieren. Our Children’s Trust versucht seit 2015 gegen die US Regierung wegen Untätigkeit in Sachen Klimaschutz zu klagen. Der Klimapionier James Hansen, Großvater einer der Klägerinnen, sagte vergangenes Jahr: „Die Last, die jungen Menschen auferlegt wird, könnte zu schwer zu tragen werden, wenn Regierungen nicht bald damit anfangen, Emissionen zu reduzieren.“

Die streikenden Schüler prangern zu Recht die bisherige Untätigkeit der Entscheider und Einflussnehmer der Welt an.  Dennoch wäre es falsch, in Panik zu geraten. Panik hilft wenig bei der Suche nach Lösungen und birgt die Gefahr, mit Aktionismus alles nur noch schlimmer zu machen.

In der Zukunft richtig zu agieren, heißt auch, aus vergangenen Fehlern zu lernen. Was ist schiefgelaufen?

Statt die Nutzung fossiler Brennstoffe zu begrenzen, haben wir in den achtziger Jahren begonnen, eine Energieform ohne CO2-Ausstoß zu verteufeln: die Kernenergie. Auch ohne Klimaprogramm hatte sie schon jetzt dazu beigetragen, die Emissionslast zu begrenzen. Zudem hat laut James Hansen die Kernenergie bis zu 80.000 Todesfälle durch Luftverschmutzung im Jahr verhindert.

Die Mitschuld der Anti-Atombewegung

Der Feldzug gegen die Kernenergie wurde zu einem Konjunkturprogramm für die fossile Energie, vor allem Kohle. Bezeichnend war die Nichtinbetriebnahme des bereits fertiggestellten Kernkraftwerks Zwentendorf in Österreich. Nach diesem „Sieg“ der Umweltbewegung wurden Kohlekraftwerke in Österreich ohne großen Protest in Betrieb genommen. Es folgte ab der Jahrtausendwende in Deutschland zunächst unter der rot-grünen und später unter der schwarz-gelben Regierung als Panikreaktion auf “Fukushima” der Ausstieg aus der Kernenergie, der Energieform, die bisher am erfolgreichsten zur Dekarbonisierung beigetragen hat.

Die Folge war nicht nur, dass mit solchen Entscheidungen für eine zunehmende globale Erwärmung gesorgt wurde. Laut WHO sterben heute weltweit 4,2 Millionen Menschen im Jahr an den Folgen der Luftverschmutzung, wobei die fossile Verbrennung eine große Rolle spielt. Die Anti-Atom-Bewegung trägt daran eine Mitschuld.

Zum Glück wird diese für das Klima verheerende Fehlentwicklung in letzter Zeit thematisiert, was zur Versachlichung der Debatte dringend erforderlich ist. Die Angst vor Strahlung ist maßlos übertrieben, wie die Radiologin Jeanne Goldberg im Skeptiker 1/2019 schreibt. Hinzu kommt, dass Ereignisse wie das Tōhoku-Erdbeben von 2011 missbraucht werden, um die eigentliche Tragik auf den Atomunfall von Fukushima zu reduzieren.

Deutschland setzte ab den 90er-Jahren auf ein Zeitalter der „erneuerbaren“ Solar- und Windenergie unter Ausschluss von anderen Alternativen. Nun haben Solar- und Windkraft achtbare Fortschritte vorzuweisen. Die Kosten sind dramatisch gesunken. Seit Beginn dieses Jahrhunderts hat man sogar den Anteil von Solar- und Windenergie erheblich ausbauen können.

Bis dahin waren die Kosten allerdings immens: Wir zahlen heute in Deutschland doppelt so viel für Strom wie in Frankreich, das weiterhin seine Energie überwiegend aus Kernkraftwerken bezieht.

Das wäre alles vertretbar, wenn Deutschland dadurch den Emissionszielen näher gekommen wäre. Das ist jedoch nicht der Fall: Im Vergleich zu Frankreich verursacht der Elektrizitätssektor in Deutschland ein Vielfaches an Emissionen. Die Emissionsziele sind nicht mehr zu erreichen.

Die historische Bilanz ist eindeutig: Die Kernenergie hat gezeigt, dass sie zur Dekarbonisierung beigetragen hat, während Solar- und Windenergie diese Bewährungsprobe noch vor sich haben.

Dass vor diesem Hintergrund einige Stimmen noch mehr Tempo bei der Nutzung erneuerbarer Energien fordern, muss als Versuch bezeichnet werden, noch mehr in ein derzeit untaugliches Projekt zu investieren, gerade wenn Alternativen ausgeschlossen werden. Ein solcher Kurs dient weder der Umwelt, dem Klima oder der Gesundheit noch dem Portemonnaie der Verbraucher. Gewinner sind nur die entsprechenden Industrien.

Wir können uns den Luxus nicht leisten, wählerisch zu sein – weder für oder gegen Kernenergie noch für oder gegen die „Erneuerbaren“. Die Zeit für Präferenzen nach Gruppennarrativen oder nach speziellen Wirtschaftsinteressen sollte vorbei sein.

Bei der Debatte sollte man den Erhalt und Ausbau von Lebensstandards nicht gefährden. Hier wurde in den vergangenen Jahrzehnten viel erreicht, wie es unter anderem der Aufklärer Hans Rosling und sein „Gapminder“-Projekt gezeigt haben. Ein heute in Delhi geborenes Kind hat trotz der Smogbelastung eine höhere Lebenserwartung als der reichste Europäer vor 200 Jahren.

Maßnahmen sollten das bisher erreichte nicht gefährden und niemanden in Afrika oder Asien in Energiearmut stürzen. Für 10 oder 15 Milliarden Menschen muss Armut besiegt werden, das erste UN-Millenniumsziel. Strom sollte auch in Europa für die Ärmeren bezahlbar sein.

Mit der Forderung eines Wohlstands für alle und der Armutsbekämpfung im Blick wenden sich inzwischen auch viele Umweltaktivisten und dezidiert Linke gegen Verzichtsforderungen. Bei aller Anerkennung der Problematik der globalen Erwärmung lehnen sie dennoch eine verordnete Austerität ab und verteidigen die Industrialisierung als Projekt der Moderne.

Matt Huber schreibt im Socialist Forum der Democratic Socialists of America:

„Marx, Engels und die klassischen Sozialisten sahen Industrialisierung als die Bereitstellung einer historisch neuen materiellen Kapazität für Wohlstand, die Armut beenden und Freiheit von der Arbeit bieten kann.“

Der linksorientierte Leigh Phillips setzt sich für Klimaanlagen ein: „Die Ablehnung von Klimaanlagen ist nur eine weitere Form einer Politik der Austerität.“ Ihr Fehlen sei weltweit insbesondere für arme und kranke Menschen tödlich.

Es gibt keine einfachen Lösungen

Wenn wir Klimaschutz und der globalen Wohlstandserhaltung gerecht werden wollen, müssen wir die Emissionen senken und gleichzeitig mehr Energie produzieren.

Es gibt keine einfachen Lösungen für dieses komplexe Problem. Wir sind als The God Species (Mark Lynas) dazu verdammt, unseren Planeten gemeinsam zu managen. Beginnen können wir mit den Empfehlungen des IPCC – genauer: mit dem Ziel, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Neben Wind- und Solarenergie sowie Wasserkraft werden auch Kernenergie, CCS (Carbon Capture and Storage) und BECCS (Bio-Energy with Carbon Capture and Storage) benötigt. Jede Region muss dabei den für sie optimalen Mix zusammenzustellen, der eine Emissionsminderung am schnellsten ermöglicht. Dieser Mix kann bei unterschiedlichen Rahmenbedingungen verschieden ausfallen. Beispielsweise ist die Nutzung von Wasserkraft in manchen Gebieten angebracht, in anderen gar nicht möglich.

Zu bedenken ist dabei, dass Wind- und Solarenergie Gaskraftwerke als schnell an den Strombedarf anpassbare Energieerzeuger benötigen, um eine Energieversorgung bei fehlendem Sonnenschein und Windflaute zu gewährleisten. Deshalb müssen die Systememissionen auch die CO2-Emissionen durch eine solche Ergänzung mit Erdgas berücksichtigen.

Während man für CCS und vor allem BECCS auch Forschungsgeld investieren sollte, sind bereits heute Kernkraftwerke der modernsten Generation III verfügbar. Derzeit arbeitet man an der Entwicklung von Kernkraftwerken der Generation IV, die abgebrannte Brennstäbe zur Energiegewinnung nutzen können.

Um die globale Erwärmung zu begrenzen, sind vor allem zwei Faktoren entscheidend: 

  • Die Energieintensität muss durch Energiesparen und effiziente Geräte minimiert werden. Hierzu gehören im Verkehrsbereich auch Tempolimits, Subventionierungen von öffentlichen Verkehrsmitteln und eine Reduzierung der Kurzstreckenflüge.
  • Die Kohlenstoffintensität muss durch alle kohlenstoffarmen Energieträger reduziert und möglichst bald auf Null heruntergefahren werden. Elektromobilität ist erst dann sinnvoll, wenn die zum Laden erforderliche Elektrizität emissionsärmer ist als ein Verbrennungsmotor.

Aufgrund der bereits erfolgten Emissionen werden Anpassungen nötig sein, unter anderem die Folgenden:

  • Im Agrarsektor werden wir immer mehr Lebensmittel auf immer weniger Fläche erzeugen müssen. Es wird deshalb keine Nachhaltigkeit ohne eine Intensivierung der Landwirtschaft geben. Neben sinnvollen Konzepten aus dem Ökolandbau sind die neuesten Agrartechnologien inklusive gentechnischer Verfahren und eine moderne, vernünftige Agrarpraxis erforderlich.
  • In küstennahen Gebieten werden Maßnahmen gegen die Übersalzung des Grundwassers aufgrund der steigenden Meeresspiegel benötigt.
  • Durch die Ausbreitung von krankheitsübertragenden tropischen Insekten in andere Regionen werden auch Länder fern des Äquators gezwungen, Maßnahmen gegen derartig Erkrankungen zu ergreifen. 

Selbst Geoengineering, wie Verfahren zum Absaugen von Kohlendioxid aus der Luft und Solar Radiation Management (Reduktion des einfallenden Sonnenlichts zur Verringerung der Bodentemperatur) könnten notwendig werden, wenn die Weltgemeinschaft nicht rechtzeitig andere Maßnahmen in die Wege leitet.

Einbußen für alle

Auch hier kann es kein Entweder-Oder geben. Die Priorität liegt auf Minimierung der globalen Erwärmung. Anpassungen sind bereits jetzt unumgänglich. Darüber hinaus muss bei einem zu hohen Temperaturanstieg als Worst Case Vorsorge für den zumindest vorübergehenden Einsatz von Geoengineering getroffen werden.

Alle gesellschaftlichen Gruppen werden Einbußen hinnehmen müssen.

Das alles zeigt: Schnell, aber überlegt zu handeln, ist das Gebot der Stunde. Es wäre am besten, jetzt zu beginnen, in zwei Jahren besser als in fünf Jahren und in fünf Jahren besser als in zehn. Je später wir etwas tun, desto mehr müssen wir adaptieren oder werden gezwungen sein, Geoengineering einzusetzen.

Wir haben die Wahl! Neue Bewegungen, wie die Ökomodernisten auch in Deutschland, haben das begriffen. Die streikenden Schüler könnten auch viele mitstreikenden Politiker fragen, wie es mit ihrer Glaubwürdigkeit in Sachen Klimaschutz steht, wenn sie trotz des Ernsts der Lage immer noch die kohlenstoffarme Kernenergie mit allen Mitteln verhindern wollen.

Noch mehr werden die Folgen unseres Tuns meine drei Enkeltöchter treffen, die zehn Jahre jünger als die streikenden Schüler sind. Sie werden eines Tages ihre Eltern und Großeltern fragen, warum sie in Kenntnis des schweren Problems trotz allem Dogmen vor den Klimaschutz gestellt haben. Wo blieben auch unpopuläre Taten zur Begrenzung der globalen Erwärmung?

Die “Götter der Erde” (Mark Lynas) haben nun die Verantwortung und die Pflicht, das Klima in den Griff zu bekommen ohne unseren Lebensstandard zu gefährden. Das komplexeste Problem unseres Planeten kann nicht „gelöst“ werden, sondern muss wie Diabetes stetig behandelt werden.