Was man bislang wegen des offen zelebrierten Niedergangs der SPD übersehen hat: Auch der CDU geht es immer schlechter; auch sie kann sich kaum noch Volkspartei nennen. Kann sie diese Entwicklung noch umdrehen?

Durch nichts wird ein Ende deutlicher als durch die Rede von einer „Erneuerung“. Wenn die Vorsitzende der CDU, Annegret Kramp-Karrenbauer, von der baldigen Erneuerung ihrer Partei spricht, dann beweist sie implizit: Die CDU ist am Ende.

Natürlich wird die CDU in absehbarer Zeit nicht aus der Parteienlandschaft verschwinden. Sie liegt bundesweit aktuell (zusammen mit ihrer Schwesterpartei CSU) bei rund 28 Prozent und damit ein paar Punkte vor den Grünen und deutlich vor allen anderen Parteien. Aber sie hat damit auch rund 13 Prozent in den letzten sechs Jahren verloren, was man getrost einen „Absturz“ nennen darf (die SPD hat übrigens für den gleichen Weg etliche Jahre mehr gebraucht). Bei den Landtagswahlen in Brandenburg schrumpfte sie zu einer kleinen Partei unter ferner Liefen. Die Wahl in Thüringen hat ihr einen Verlust von fast 12 Prozent eingebracht. Im einstigen Kernland Baden-Württemberg hat die Ankündigung des grünen Landesvaters, auch bei den nächsten Landtagswahlen zu kandidieren, erst christdemokratische Schweißausbrüche verursacht und dann die Grünen dort in Prognosen auf 38 Prozent katapultiert, 12 Prozent vor der CDU. Aber so ein Ergebnis von 26 Prozent würde die oppositionelle Hauptstadt-CDU schon in Freudentaumel versetzen: Sie liegt mit momentan prognostizierten 17 Prozent nur knapp vor der AfD – und das in einer Stadt, die notorisch schlecht regiert wird.

Zusammenfassend gesagt: Die CDU ist auf dem absteigenden Ast, aber sie tut so, als wäre das mit ein paar Beschlüssen auf einem Parteitag zu korrigieren.

ES WAR EINMAL

Enorme 50 von 70 Jahren Bundesrepublik hat die CDU als stärkste politische Kraft das Kanzleramt inne gehabt. Damit war sie die tragende Säule des deutschen Staates nach dem Krieg. Meist ging an ihr politisch kein Weg vorbei. Sie war nicht nur eine Partei, die die höchsten Ämter im Land besetzen konnte, sondern auch eine Großzahl von Posten auf allen Ebenen bis hinunter in die Kreise und Gemeinden.

Ich selbst bin aus einem Städtchen in Nordrhein-Westfalen, das sich heute noch eines Besuchs Konrad Adenauers rühmt: In den fünfziger Jahren gab es angeblich in einem Wahllokal den totalen Erfolg für die CDU, alle Stimmen gingen an die Partei, bei 100 Prozent Wahlbeteiligung! Da nimmt es nicht wunder, dass man dort immer nur Bürgermeister von der CDU hatte – aber auch das nahm vor zehn Jahren ein Ende. Doch es sind nicht nur die politischen Ämter im Land, auf die die CDU zeitweise ein Abonnement hatte – vom Heimatverein bis zum Industrieverband, überall waren verantwortliche Stellen mit CDU-Mitgliedern besetzt (Ausnahmen bildeten nur die SPD-Hochburgen wie im Ruhrgebiet oder in Hessen). Der „Kanzlerwahlverein“, wie die CDU von ihren Gegnern oft abschätzig, aber nicht unzutreffend genannt wurde, war eben auch ein „Honoratiorenwahlverein“. So besaß diese Partei über Jahrzehnte eine unglaubliche Gestaltungstiefe, die von den vorpolitischen Räumen profitierte, die hinter Begriffen wie Heimat, Nation, Religion, Familie, Kultur Lebenswirklichkeit abbilden. Und sie prägte diese Räume mit. Das gelang ihr, indem sie ein breites, heterogenes konservatives Spektrum mit Leistungsträgern vereinigte: Sozialkatholiken, Altprotestanten, Nationalliberale, Rechtskonservative sowie Wirtschaftsbosse, Mittelständler, Selbständige, Landräte und -wirte, Schulleiter, Ärzte, Handwerker usw. Ein sehr großer Teil der politischen wie ökonomischen Verantwortung lag somit in den Händen von CDU-Mitgliedern. Außerdem war die CDU bei den Wahlen letztlich die Partei für Leute, die von Politik nicht allzu sehr behelligt werden mochten, also der Schild für alle Fleißigen und Pflichtbewussten in der Gesellschaft, die sich am Ende des Tages einfach etwas leisten wollten – als Belohnung für den Fleiß und die Pflichterfüllung, also das Leben bürgerlicher Tugenden (wider die Schuld in der Vergangenheit). Dass sie das verlässlich tun konnten, dankten sie der CDU mit ihrer Treue.

Schon in den 1950er Jahren hatte ihr der Souverän einen Meisterbrief für gutes Regieren ausgestellt. Die Mehrheit des Volkes vertraute ihr, weil sie sich auf das Wesentliche konzentrierte: den Wohlstand zu mehren, die Sicherheit zu gewährleisten und die Freiheit zu schützen. Und weil sie es verstand, das Staatsgebäude einzurichten und instand zu halten, also den politischen oikos zu hegen und zu pflegen. Keine Partei, auch nicht die SPD, war so sehr eins mit der Bundesrepublik, dem Staat, der parlamentarischen Demokratie wie die CDU (denken Sie die CSU ruhig mit); sie bildete schlichtweg Rückgrat, Glieder und Nervensystem, sprich: den Körper dieses Landes.

In ihrer Politik folgte sie letztlich drei Maximen: Das Wohl der Wirtschaft muss durch die Herstellung bester Bedingungen gefördert werden; der Modernisierung der Gesellschaft ist mit Skepsis und einigem Abstand und deshalb möglichst retardierend zu folgen; das gute Regieren – also das verlässliche, experimentarme, visionsferne, pragmatische Regieren – ist die Raison d’être der allerersten Staatspartei CDU – und niemand würde ihr je diesen Rang streitig machen dürfen. Das war der Kern des CDU-Konservatismus: die gefährliche politische Politik zu einer Sachpolitik runter zu regulieren. Damit war sie auch die Partei der bürgerlichen bundesrepublikanischen Normalität. Keiner hat sie so treffend beschrieben wie der Philosoph Odo Marquard: „Die liberale Bürgerwelt bevorzugt das Mittlere gegenüber den Extremen, die kleinen Verbesserungen gegenüber der großen Infragestellung, das Alltägliche gegenüber dem Moratorium des Alltags, das Geregelte gegenüber dem Erhabenen, die Ironie gegenüber dem Radikalismus, die Geschäftsordnung gegenüber dem Charisma, das Normale gegenüber dem Enormen…“

RETTUNG AUS DEM OSTEN, VORÜBERGEHEND

Es gehört zur Ironie der Geschichte, dass die Überwindung des Kalten Krieges und die Wiedervereinigung Deutschlands dieser Normalität zu einer Verlängerung verhalf. Denn tatsächlich hatte in den 1970er und 1980er Jahren mit der Zunahme kultureller Heterogenität, der fortgesetzten Säkularisierung, der Verbreitung postmaterieller Haltungen und der späteren Gründung der Grünen und weiterer kleinerer Parteien ein Zerfall der Milieu- und Parteibindungen eingesetzt, dem sich auch die CDU nicht entziehen konnte. Helmut Kohl versuchte mit seiner „geistig-moralischen Wende“ einen konservativen Neuanstrich seiner Partei, der, mangels Substanz und gesellschaftlicher Resonanz, sich als der größte Hoax der Nachkriegszeit erwies und ohne Folgen blieb. Es fragte auch keiner danach. Vielleicht weil die Familien in der Bundesrepublik damit beschäftigt waren, einen Kindergartenplatz oder eine Betreuung für die Kinder zu ergattern, während die CDU davon ausging, dass die Frau zuhause blieb, bis die Kinder aus dem Haus waren. Die gesellschaftliche Modernisierung verlangte nach der Lesart der CDU ja immer eine wertkonservative Bedenkzeit; diese war aber strukturkonservativ, weil sie den Menschen, die sich den ökonomischen Modernisierungen anpassen mussten (und weitgehend auch wollten), keine sozialen Erleichterungen verschaffte, sondern Hindernisse beibehielt. Die Modernisierungen der CDU waren eben immer nur ökonomischer Art, obwohl diese, wie sich mittels der Liberalisierung und Globalisierung herausgestellt hat, auch immer eine kulturelle mit befördern und eine soziale verlangen.

Kohls frühe Regierungsjahre galten genau dieser ökonomischen Liberalisierung, die man mit der FDP voranbringen konnte. Aber das reichte schon Ende der 1980er Jahre nicht mehr: Kohl schien am Ende. Dann kam die Wende.

Die Ostdeutschen retteten die CDU, indem sie den Architekten der Vereinigung wählten und ganz gewiss keine Experimente ausprobieren mochten – sie wollten die  westdeutsche Staatspartei, sie wollten Sicherheit, Wohlstand, Verlässlichkeit – und holten die CDU deshalb an die Spitze ihrer Landesregierungen, mit Ausnahme Brandenburgs. Das war, abgesehen von den 1950er Jahren, das einzige Mal, dass man mit der CDU so etwas wie Hoffnung, ja, Sehnsucht verband. Ansonsten reichte als attraktiver Markenkern das Selbstverständnis, das die CDU ausstrahlte: das Kapitänhafte, das das Staatsschiff durch alle Untiefen steuert. In der Außenpolitik, die hier bislang vernachlässigt wurde, bedeutete das: transatlantische Bündnistreue ohne zu viel Engagement; Distanz zu Russland, ohne das Geschäftliche aus den Augen zu verlieren; die Förderung des europäischen Geistes ohne den Primat des Nationalen zu verraten. Natürlich hatte diese Politik etwas lauwarmes, aber sie entsprach auch der Mehrheitsmeinung im Land.

DIE UNFÄHIGKEIT DES KAPITÄNS

Das alles muss hier jedenfalls in der Vergangenheitsform geschrieben werden. Denn es ist nichts mehr, wie es einmal war. Diese Tatsache wird langsam sichtbar: Der Nimbus der Staatspartei CDU ist zerstört. Und sie hat dieses Werk selbst vollbracht.

Beispiele: Über Jahrzehnte konnte man in Deutschland sicher sein, eine gute bis sehr gute Infrastruktur zu besitzen. Diese ist einfach Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit von Wirtschaft und sozialen Systemen, vor allem in Zeiten der Globalisierung. Tatsächlich ist aber die gesamte Infrastruktur vollständig runtergerockt. Brücken, Schienen, Übertragungswege sind einer Industrienation großenteils unwürdig. Man leistet sich – als passendes Symbol sei es zuerst genannt – jahrelang die Flugbereitschaft eines Drittweltlandes. Die Polizei, die gesamte Exekutive wurde ausgedünnt, dezimiert. Der ganze Rechtsstaat agiert im roten Bereich und drückt an zu vielen Stellen die Augen zu, rechtsextremistische Netzwerke werden übersehen. Die Bundeswehr ist in den Dauerzustand des Mangels und der Verteidigungsunfähigkeit versetzt. Die Verwaltungen kommen mit dem digitalen Zeitalter nicht zurecht. Und der Zustand vieler Schulen treibt einem die Tränen in die Augen.

Natürlich hat das nicht alles die CDU zu verantworten. Aber vor allem die Großbaustellen – Rechtsstaat, Verteidigung, Infrastruktur, Verwaltung – tangieren die Grundfesten des Staates und damit auch der von ihrem Selbstverständnis her einzigen „Staatspartei“.

Gleichzeitig deklamiert man Ziele, die man nicht einzuhalten gedenkt und vielleicht auch gar nicht mit den vorhandenen Mitteln einhalten kann: 2 Prozent des Bruttoinlandprodukts für Verteidigungsausgaben, Reduzierung der CO2-Emissionen um 40 Prozent bis 2020; die Senkung der Zahl der Verkehrstoten auf null (die sogenannte „Vision Zero“) usw. Es hat sich ein Larifari breit gemacht in den von den Christdemokraten geführten Regierungen der letzten 14 Jahre.

Und dann haben die CSU bzw. Seehofer im Sommer 2018 auch noch einen Frevel begangen: Sie haben in der Regierung Opposition gespielt. Also das getan, was man in dem Maße bislang nur von der SPD kannte. Nun also auch die Konservativen: Der Kapitän meutert gegen sich selbst. Wohin soll das führen?

DER ZERSTÖRERISCHE KANZLER-BONUS

Über den Zustand der CDU reden – das geht natürlich nicht, ohne über die Kanzlerin zu reden. Sie hat dem Land internationales Ansehen gebracht. Sie hat die CDU seit bald 15 Jahren an der Macht gehalten. Sie hat aber dafür ihre Partei geopfert. In ihren berühmtesten „Onelinern“, für die man sie in Erinnerung behalten wird – „Sie kennen mich“ und „Wir schaffen das“ – kommt ihre Partei nicht vor, sie wird nicht gebraucht. Das zeigt Angela Merkels Macht und der CDU Ohnmacht. Dieser Kanzlerbonus war zerstörerisch: Sie war die Regierungschefin jenseits ihrer Partei – bei den Grünen fast beliebter als bei den eigenen Leuten.

Dabei sind die drei Krisen der vergangenen zehn Jahre – Finanzkrise, Flüchtlingskrise, Klimakrise –, die das Ansehen der Kanzlerin als formidable Krisenmanagerin und „Klimakanzlerin“ geformt haben, eher mediale Selbst- und Publikumstäuschungen, wie mancher jetzt begreift, der sie eben noch hochgejubelt hat. Alle drei Krisen waren absehbar, es gab genügend Warnungen, die die Merkel-Regierungen geflissentlich ignorierten.

In der Finanzkrise war es der Finanzminister, Wolfgang Schäuble, der pflicht- und noch mehr amtsbewusst die Kartoffeln für seine Chefin aus dem Feuer holte und ein früheres Erstarken der AfD verhinderte.

Im Jahr 2014, als schon regelmäßig Flüchtlingsboote in Griechenland, Italien und Malta anlandeten, hätte man die Nachbarländer Syriens unterstützen können, wie viele es gefordert hatten. Die deutsche Regierung ignorierte diese Tatsache und hielt die betroffenen EU-Länder hin – um dann Flucht und Einwanderung im Jahr 2015/16 schockartig zuzulassen.

Einwanderung braucht aber einen starken Rechtsstaat, den Willen, in Integration kräftig zu investieren und damit eine dauerhafte und institutionell verlässliche Willkommenskultur zu implementieren, sowie einen gewissen Republikanismus, der Ankömmlingen ein Angebot unterbreitet, welches Rechte und Pflichten deutlich macht und notfalls durchsetzt. Aber da die CDU es ablehnte – eigentlich immer noch –, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, fehlen die Voraussetzungen für die kommenden Herausforderungen in diesem Bereich bis heute. So entsteht eine Lücke, in der postmoderner Kosmopolitismus dringt, der sein Multikulti-Experiment fortzusetzen gedenkt. Die jahrelange Vernachlässigung bei Infrastruktur, Wohnungsbau, Sicherheit und Rechtsstaat machen sich auch hier, in Fragen der Einwanderungsgesellschaft, bemerkbar.

Und jetzt die Klimakrise: Über Jahre hat sich die Mär von einer angeblichen „Klimakanzlerin“ halten können, nachdem Angela Merkel einen daunengewärmten Besuch bei den Eisbären und einige Tage bei der Pariser UN-Konferenz absolviert hatte – echte PR-Coups, ohne Zweifel, aber auch ohne Konsequenzen. Es musste schon eine Bewegung wie Fridays for Future auf den Plan treten, um die klaffende Diskrepanz zwischen den Ankündigungen und den Taten in der deutschen und internationalen Politik als nicht mehr lässliches Versagen aufzuzeigen. Und so geht auch ein großer Teil der jungen Generation für die CDU verloren – nachdem sie schon Wähler an die AfD wie auch an die Grünen verloren hat, also an die Antibürgerlichen und die neuen Bürgerlichen. Sie wird sie kaum zurückholen. Denn die Integrationskraft für heterogene Milieus ist aufgebraucht.

SUMMASUMMARUM

Angedeutet hat sich das schon alles im täppischen Umgang mit den neuen Protagonisten in den sogenannten „sozialen Medien“. Mittlerweile ist die CDU eine Diskursgetriebene. Sie steht im Hurrikan aus Kampagnen, Shitstorms und Populismus, sie setzt keine Themen und will jetzt den Weg der SPD gehen und sich mit sich selbst beschäftigen. Sie wirkt wie eine Opel-Limousine aus den 80ern, die glaubt, die Rallye Paris – Dakar gewinnen zu können.

Dabei wollen viele Wähler, Frauen und Männer in diesem Land, nichts Anderes als erfahren, wohin die CDU, die bisherige Nummer 1 der Parteien, das Land führen will. Doch letztlich könnte auch die Erfüllung dieser Erwartung zu spät sein. Zu viele politische Selbstverständlichkeiten sind in den letzten Jahren verloren gegangen, als dass die CDU auch bei aller Anstrengung ihren Nimbus als die Staatspartei noch reparieren könnte. Zu viele der tragenden politischen Säulen wie Sicherheit, Rechtsstaat, breiter Wohlstand und das Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit unseres Gemeinwesens haben Risse bekommen. Gleichzeitig werden die Grenzen zwischen den Sphären Staat und Gesellschaft flüssig, Moralfragen dringen immer weiter in die Politik vor, während sogar die ökonomische Modernisierung verschlafen wurde: Digitalisierung, Bildung, Transformation in eine nachhaltige Marktwirtschaft. Stattdessen haben sich die Christdemokraten (denken Sie die Christsozialen weiterhin mit) vom bisherigen Motor unseres Wohlstands, der Autoindustrie, jahrelang kleinmütige Innovationen als Fortschritt verkaufen lassen. Und die Wirtschaft interessiert sich gleichzeitig immer mehr für die GRÜNEN.

Die Fehler der CDU haben sich summiert. Sie will weiter leidenschaftslos Sachpolitik machen, während die Sachlichkeit im Land verloren geht. Sie kommt aus dem Managementmodus nicht raus und versagt den Führungsmodus. Sie gibt keine Sicherheit mehr und keine Orientierung. Man findet bei ihr keine Stabilität und keinen Schutz mehr vor den Unbilden der Weltläufte. Stattdessen gibt es Anzeichen von Unregierbarkeit in Deutschland, eigentlich ein Horrorszenario für eine Partei wie die CDU. Die breite Verunsicherung bei Teilen der Bevölkerung rührt u.a. genau daher: dass man ihr anmerkt, wie überfordert und paralysiert die Partei mittlerweile ist und wie desorientiert.

EINE NEUE SITUATION

Wie aber weiter? Für das Land ist diese Situation neu: Wenn der Platzhirsch schwächelt und der alte Partner nicht mehr will und kann. Es könnte sich für uns alle anfühlen wie Erwachsenwerden: mit all seinen Irrtümern und Unsicherheiten, Leichtgläubigkeiten und Aufbruchsgefühlen, Depressionen und Hoffnungen. Doch können wir uns das leisten, eine neue politische Adoleszenz? Ein Land dieser Größe und Bedeutung? In dieser Zeit?

Der pragmatische Weg ist hier wieder mal die Mitte: eine Verbindung aus alter und neuer Bürgerlichkeit, aus Bourgeois und Citoyen, aus am Individualismus orientierten Wirtschafts- und am Gemeinwohl orientierten Staatsbürger. Denn was bleibt uns anderes übrig? Sie werden letztlich beide gebraucht. Jetzt müssen sie nur noch zueinander finden. Und sie werden es. Egal wer Kanzler wird.