Auschwitz wird Kollegah und Farid Bang nicht heilen
Besuche in Konzentrationslagern sind keine Wunderwaffe gegen Antisemitismus.
Nun geht es also nach Auschwitz für die beiden Echo-Gewinner Kollegah und Farid Bang. Das Internationale Auschwitz-Komitee hatte die beiden Rapper dorthin eingeladen, nachdem diese mit einer geschmacklosen Liedzeile einen Antisemitismus-Skandal ausgelöst hatten. Oy vey, möchte man rufen: Haben die Juden nicht schon genug gelitten?
Mal kurz beiseite gelassen, ob die Behauptung von Farid Bang, sein Körper sei „definierter als von Auschwitz-Insassen“, tatsächlich auf ein geschlossen antisemitisches Weltbild hindeutet: Die Gedenkstätten ehemaliger Vernichtungslager sind keine Wunderwaffe gegen Judenhass. Das sollte man übrigens auch in der Debatte um verpflichtende KZ-Besuche für Flüchtlinge bedenken.
Hoffnungslos gefangen im Wahn
Antisemitismus ist ein irrationales Welterklärungssystem und als solches die Mutter der meisten Verschwörungstheorien. Es ist eine eigene, in sich geschlossene Logik. Deshalb ist Antisemitismus, wie jedes andere verschwörungstheoretische Weltbild, immun gegen Widerspruch: Jedes Argument, was die eigene Wahrnehmung stört, ist nur wieder die nächste kleine Mikroverschwörung. Ein Bekannter sagte mir mal: Alle Juden sind reich. Einspruch, antwortete ich: Ich kenne viele Juden, die nicht reich sind. Siehst du, sagte mein Gesprächspartner grinsend: Sie wollen, dass du das denkst. Antisemiten sind hoffnungslos gefangen in ihrer Wahnwelt.
Deshalb werden sie sich durch einen Auschwitz-Besuch nicht bekehren lassen. Die meisten wissen theoretisch, was damals passiert ist. Allein, dank ihres paranoiden Allradantriebes bauen sie die Fakten in ihr Denksystem ein. So sind die Juden zum Beispiel selbst für ihre Vernichtung verantwortlich, wie etwa Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas kürzlich sagte. Oder die Gedenkstätten der ehemaligen Vernichtungslager sind nachträglich gebaute Attrappen, ebenso wie das Tagebuch der Anne Frank in diesem Paralleluniversum eine Fälschung ist. Die Möglichkeiten sind zahlreich.
Keine Koscher-Stempel-Zeremonie!
Selbst wenn man die historische Realität des Holocaust anerkennt, bietet sich für die „Humanisten“ unter den Antisemiten immer noch die Möglichkeit infamster Relativierung. Eine solche Szene beschreibt der Autor Tuvia Tenebom in seinem Buch „Allein unter Juden“. Er war dabei, als ein Touristenführer eine italienische Gruppe durch die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem führte. Am Ende der herzzerreißenden Tour resümierte der Guide: Seht ihr, und so etwas machen die Juden heute mit den Palästinensern.
Kollegah und Farid Bang werden in Auschwitz eher weniger zu neuen Erkenntnissen kommen. Überhaupt zeugt die Textzeile von der ausgezehrten Physiognomie von Auschwitz-Insassen ja grade nicht von Unkenntnis, sondern von Kenntnis der Materie. Farid Bang wusste ganz genau, was er da von sich gibt. Ein Besuch in Auschwitz wäre für die beiden Echo-Gewinner also nur eine Zeremonie zur Überreichung eines Koscher-Stempels, höchstamtlich ausgestellt vom Auschwitz-Komitee. Für eine solch billige PR-Show sollten sich die Aktivisten nicht hergeben.