Nach einem Jahrzehnt bei Facebook und Twitter war unser Autor genervt und gelangweilt und stieg aus. Er schreibt aber weiter gern Randbemerkungen über Aktuelles und Zeitloses, Wichtiges und Marginales. In loser Folge dokumentieren wir hier seine Zwischenrufe.

Zukunftsrechte aufgrund von Prognosen

Das Bundesverfassungsgericht verpflichtete den Gesetzgeber, die Reduktionsziele für Treibhausgasemissionen für die Zeit nach 2030 näher zu regeln. Das jetzige Klimaschutzgesetzt verschöbe hohe Lasten für die Minderung der Emissionen auf die Zeit nach 2030. Um die im Pariser Klimaabkommen festgelegten Ziele zu erreichen, müssten späteren Generationen immer höhere Lasten auf sich nehmen. Dadurch sei ihre Freiheit gefährdet.

Dass die Justiz sich stets dem jeweiligen Zeitgeist unterwirft, hat die Geschichte gezeigt. Offenbar haben die obersten Richter von heute nichts daraus gelernt. Sie übernehmen die alarmistischen Prognosen einiger Wissenschaftler und Klimaaktivisten und behandeln deren Zukunftsszenarien wie Tatsachen.

Man stelle sich vor, in der Vergangenheit hätten Verfassungsrichter die „Rechte zukünftiger Generationen“ aufgrund der damals gültigen Prognosen festgeschrieben. Dann wäre in den 70er-Jahren den Nachgeborenen vermutlich ein Recht auf den Erhalt von Erdölreserven zugestanden worden. Denn es galt als sicher, dass die Ölvorräte bald erschöpft sein werden. Und man glaubte, dass ohne Erdöl kein Wohlstand möglich sei.

SPD setzt weiterhin auf Selbstverzwergung

Sie wollen es einfach nicht lernen. Nach Jahrzehnten auf Schrumpfkurs als billiges Grünen-Imitat gibt es bei der SPD immer noch viele, die weiterhin die Grünen nachahmen wollen. „Führen sie die Bayern-SPD in eine grünere Zukunft?“ titelte BILD (26.4.2021) nach der Wahl der neuen Führungsspitze auf dem Landesparteitag. Die neuen Vorsitzenden Ronja Endres und Florian von Brunn stünden für einen grünen Kurs und rückten die Klimapolitik in den Mittelpunkt. Wohin solche Programmatik führt, habe ich hier beschrieben.

Distinktionsnahrung

Die Werbekampagne eines Verbundes der Firma Denns mit selbständigen Bioläden behauptet, man würde durch den Kauf von Bio-Waren die Meere reinigen, den Regenwald retten, Hummeln schützen und Kühe glücklich machen. Das sind ziemlich steile Thesen, die da einfach mal so rausgehauen werden. Darunter prangt stets ein Satz, der offenbar als Claim der Zielgruppe eingehämmert werden soll: „Sei Teil einer besseren Welt!“ Dies offenbart, warum es bei „Bio“ eigentlich geht: um Distinktion. Ich musste beim Anblick dieser Plakate an einen Text der Autorin Ellen Daniel denken. Kein Mensch mit Abitur, schrieb sie einmal, würde heutzutage noch sagen: „Wir sind etwas Besseres.“ Stattdessen sage man: „Wir kaufen nur Bio.“ Das klingt ganz anders, hat aber dieselbe Funktion.

Behörden machen auf NGO

Auf Münchner Litfaßsäulen kann man derzeit eine Kampagne bewundern, die „Respekt“ für städtische Bäume fordert. Bäume würde durch Baustellen beeinträchtigt, erklären die Plakate, sie bräuchten mehr Platz und sollten „in Würde altern“ dürfen. Richtig, denkt der Baumfreund, wird jedoch beim Absender der Kampagne stutzig. Es ist das Referat für Stadtplanung und Bauordnung, also die Behörde, die für die Bäume in München zuständig ist. Von ihr sollten Bürger erwarten dürfen, dass sie nicht Forderungen aufstellt, sondern sich ordentlich um das Stadtgrün kümmert. Was kommt als nächstes? Eine Plakatkampagne der Polizei für Bekämpfung der Kriminalität? Oder eine des Oberbürgermeisters für besseres Regieren? 

Die Polarisierung des Trinkens

Dass die politische Öffentlichkeit immer polarisierter wird, ist schon eine ganze Weile Thema. Doch wer hätte gedacht, dass die Polarisierung auch die Trinkgewohnheiten erfasst?  Laut einer repräsentativen Studie der Krankenkasse „pronova BKK“, die am 13. April 2020 veröffentlich wurde, trinken zehn Prozent der Deutschen seit Beginn der Covid-19-Krise mehr Alkohol. Dagegen haben 14 Prozent ihren Konsum reduziert. Besonders extrem zeigen sich die gegenläufigen Entwicklungen in der Gruppe der unter 30-Jährigen: Ein Fünftel trinkt mehr, ein Fünftel weniger als zuvor. 

Und wer trinkt besonders viel? „Unter denjenigen, die keine Woche ohne Alkohol verleben, sind besonders viele Akademiker“, heißt es in der Veröffentlichung. „Jeder Zweite mit Hochschulabschluss zählt zu den wöchentlichen Konsumenten, jedoch nur gut jeder Vierte ohne oder mit einfachem Schulabschluss.“

Öko-Mythen nachgeprüft

Es gibt Denkweisen, die durch Fakten nicht zu erschüttern sind. Sie überdauern ganze Zeitalter, obwohl sie einer einfachen Überprüfung nicht standhalten. Religiöse Dogmen besitzen diese Resistenz, aber auch Zeitgeistphänomene wie der Ökologismus. 1998 veröffentlichten Maxeiner und ich das Buch „Lexikon der Öko-Irrtümer“, das erfreulicherweise zum Bestseller wurde. Am Triumph des grünen Weltbildes änderte es genauso wenig wie Werke anderer Autoren, die ähnlich argumentierten. Die gymnasialen Mittelschichtskinder, die sich heute am Rande einer Klimaapokalypse wähnen, ignorieren alles, was nicht in ihr Denkschema passt, ebenso konsequent wie ihre Eltern und Großeltern. Umso ehrenwerter, dass der Physiker Thomas Unnerstall in seinem gerade erschienenen Buch „Faktencheck Nachhaltigkeit“ anhand der Daten zur globalen Umweltsituation nachprüft, ob tatsächlich alles immer schlimmer wird. Ein hilfreiches Nachschlagewerk für alle, die es genauer wissen wollen.

Thomas Unnerstall
Faktencheck Nachhaltigkeit
Springer, Berlin 2021
280 Seiten