Das Konzept de „Partei“ lautete einmal: Kein Respekt vor niemandem. Doch inzwischen sind ihre Vertreter und viele ihrer Fans genauso verbissen und verbittert wie andere Linke.

Die britische Comedy-Gruppe Monty Python machte sich in dem Film „Das Leben des Brian“ über die Zerrissenheit der Linken lustig. Da gibt es die „Judäische Volksfront“ und die „Volksfront von Judäa“ – zwei Widerstandsgruppen, die beide von der Entmachtung der Römer träumen, dieselben Anschläge planen, aber sich dennoch gegenseitig als „Spalter“ beschimpfen. Das Ressentiment endet in einem Faustkampf, bei dem beide Gruppen dann von den Römern verhaftet werden.

Die Satire von Monty Python hat nichts an ihrer Aktualität verloren, was man vor einigen Tagen an dem Konflikt zwischen den „Partei“-Mitgliedern Martin Sonneborn und Nico Semsrott beobachten konnte. Der Parteichef hatte nach den Krawallen im US-Kapitol auf Twitter ein Foto von einem T-Shirt gezeigt, auf dem er Trumps rassistische Haltung zu China parodieren wollte. Auf dem Shirt stand: „AU WIEDELSEHERN, AMLERIKA! abem Sie Guter FrLug runtel! Printed in China für Die PALTEI.“

Nun mag man sich zu Recht das Niveau dieses Witzes aufregen. Um den Satiriker – der schon immer gegen Konservative, Liberale und Extremisten austeilte –, eine rassistische Absicht zu unterstellen, muss man aber das Gemüt eines Kindes besitzen. Oder man inszeniert sich absichtlich als hypersensibel, um die eigenen parteipolitischen Interessen durchzusetzen – die in diesem Fall daraus bestehen, den Chef durch eine populistische Agenda abzusägen.

Woke gegen alle

Für Letzteres entschied sich Nico Semsrott, der seit 2019 neben Sonneborn im EU-Parlament sitzt. Es sei der „ignorante Umgang mit Feedback“, das fehlende „Mitgefühl“ und „der Respekt vor den Betroffenen“, die den 34-jährigen dazu bewogen haben, aus der Partei auszutreten. Semsrott benimmt sich ansonsten in Straßburg wie ein Teenager, indem er die Kapuze seines Pullis über den Kopf zieht und über die eigenen Komplexe jammert. Gegen Sonneborn spielt er sich als Inquisitor auf, indem er erzählt, dass er Sonneborn gebeten habe, „über sein Posting nachzudenken und sich zu entschuldigen. Er hat es nicht gemacht. Das ist also kein Versehen, er will das eindeutig so“, schreibt er in seinem Statement über die Affäre.

Der Populismus, den Semsrott hier feiert, ist die effektivste Waffe der neuen linken Aktivisten – auch Wokes gennant –, die sich vornehmlich mit anonymen Profilen auf Social-Media herumtreiben und so lange mit ihren verletzten Gefühlen argumentieren, bis vermeintlich rassistische Beiträge wieder aus dem Netz genommen, Mitarbeiter gefeuert oder Künstler aus Festivals ausgeladen werden. Diese Masche zog auch bei Sonneborn, der sich in einem Statement dann doch für seinen Witz entschuldigte – passenderweise indem er versicherte, das Ganze sei keinesfalls gegen Chinesen sondern gegen die USA gemeint gewesen. Alles korrekt also.

Man mag die politische Motivation der Partei, die Liberale, Konservative und SPD inhaltsleer mit Rechtsextremisten gleichsetzt, um sich selbst in der Rolle des couragierten Kämpfer gegen „Nazis“ zu feiern, daneben finden. Dennoch leistete die Partei, zumindest in ihren Anfängen, genau das, was Satire ausmacht: Politik zu parodieren, indem man sie maßlos übertreibt und das Absurde am Alltäglichen dadurch sichtbar macht. So forderten die Satiriker, die Mauer wieder aufzubauen oder das Gehalt von Managern an die BH-Größe der Mitarbeiterinnen anzupassen, um den Gender-Pay-Gap zu überwinden. Das Apronym der Partei – Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative – ist bewusster Nonsens, der sich, wenn auch mit linkem Einschlag, über den gesamten Politikbetrieb, inklusive aller Parteien, lustig macht.

Hier könnte ein Nazi hängen

Satire darf alles und kennt keine Grenzen, lautet eigentlich die Richtschnur, mit der die Partei ihre Wahlplakate rechtfertigt. Auf denen kann man Slogans wie „Hier könnte ein Nazi hängen“ oder „Nazis töten“ lesen. Motto: „Ist doch nur Spaß, stellt euch mal nicht so an, ihr Spießer!“ Sonneborn drehte diesen Zynismus zumindest noch in die Richtung der eigenen Klientel, indem er auch Plakate wie „Für Feminismus, ihr Fotzen“ verteidigte oder sich eben Witze über asiatische Stereotypen erlaubte. Mit dieser Freizügigkeit ist jetzt Schluss. Denn wenn Aktivisten anfangen, anderen das Lachen zu verbieten, weil irgendwelche Twitter-User in Tränen ausbrechen, dann erinnert das nicht nur an die Verbissenheit einer Sekte. Larmoyanz zerstört auch die Idee der Satire im Kern. Zumal die sensiblen Gefühle der Dauerbeleidigten plötzlich zu verschwinden scheinen, wenn man „Nazis“ und älteren Menschen – die aus Partei-Sicht per se zum konservativen Feindbild gehören – in Werbevideos und auf Plakaten den Tod wünscht. Angreifbar sind immer die anderen.

Die Partei selbst versteht schon länger keinen Spaß mehr, was ihrem eigentlichen Credo zunehmend widerspricht. Da gibt etwa den ehemaligen SPD-Abgeordneten Marco Bülow, der vor kurzem eingetreten ist und nun in seinen Bundestagsreden – komplett unironisch – behauptet, man könne die Corona-Krise besser bewältigen, wenn man den Abgeordneten die Dienstwagen wegnähme.

Einerseits werben die Aktivisten damit, so cool zu sein, dass sie über den Dingen stehen und über sich selbst lachen können. Auf der anderen Seite schimpfen ihre Mitglieder gegen die EU, Deutschland, das kapitalistische System und – jetzt neu hinzugekommen – den „alten weißen Mann“. Und sind dabei so ernst, beleidigt und verbittert wie diejenigen, die sie eigentlich auf die Schippe nehmen wollten.

„Ich bin in einer unverschämt privilegierten Situation“, schrieb Semsrott in seiner Erklärung zum Parteiaustritt, weil er deutsch, weiß und männlich sei, einen Sitz im EU-Parlament und viele Follower habe. So ernst scheint es dem „Partei-Loser“ aber weder mit der demütigen Selbstreflexion, noch mit dem Kampf gegen das EU-System zu sein. Denn die Rund 6.000 Euro, die Semsrott als EU-Abgeordneter monatlich bekommt, will er dann doch lieber für sich selbst behalten. Also macht er jetzt bei den Grünen mit.