Deutsche Leitkultur? Zum Beispiel Bockwurst mit Kartoffelsalat zu Heiligabend. Warum uns der Rest der Welt für diese protestantische Marotte auslacht.

Gehören Sie zu den 35 Prozent der Deutschen, die nach einer Umfrage der Zeitschrift „Essen und Trinken“ am Heiligen Abend Bockwurst mit Kartoffelsalat oder irgendwas anderes Profanes essen? Weil „die Hausfrau entlastet“ werden soll, weil es schon in Ihrer trostlosen Herkunftsfamilie so Brauch war, oder weil Ihnen Ihr genussfeindliches Über-Ich sagt, dass zu viel des Guten nicht gut sei? Meist werden Schutzbehauptungen vorgeschoben. Das überschaubare Mahl solle an die Armut von Josef und Maria erinnern, hört man zum Beispiel. Schweinswürstchen für die arme jüdische Familie im Stall? Tut mir leid, da bin ich raus.

Auf die Gefahr hin, ein Drittel der „Essen mit Ellen“-Leser zu vergraulen, hier mein weihnachtliches Credo: Bockwurst mit Kartoffelsalat serviert man auf einem Kindergeburtstag oder wenn man die Handwerker im Haus hat oder wenn man ganz entspannt einen Fernsehabend verbringt. Zu Heiligabend ist die Bockwurst eine peinliche protestantische Marotte. Eine, für die uns der Rest der Welt auslacht. Als ich den französischen Sternekoch Alain Ducasse einmal fragte, was er von dieser Tradition hält, stutzte er. Offenbar hatte Monsieur von dieser deutschen Sitte noch nie gehört. „Warum nicht“, fragte er schließlich zurück, um Höflichkeit bemüht. „Wenn es ein richtig guter Kartoffelsalat ist?“

Nun hat die französische Hausfrau das ganze Jahr über den Wunsch, sich küchenmäßig zu entlasten, denn meistens ist sie gar keine Hausfrau. Deshalb stöckelt sie zum Traiteur, wo sie sich mit Pasteten, Käse, Salaten und kleinen Köstlichkeiten zum Aufwärmen versorgt. So hat sie trotz des umfangreichen Abendessens, das die Familie erwartet, mehr Zeit für Make-up, Garderobe und den neuesten Roman von XY. Wenn tatsächlich einmal die Küche kalt bleiben soll, greift sie zu Foie gras mit Zwiebelmarmelade, Austern, Hummersalat und Roastbeef. Wunderbar. Traiteure soll es regnen, nicht Manna, wenn ich mir als Deutsche kulinarisch etwas wünschen dürfte.

Meine Verachtung für Bockwurst und Kartoffelsalat zu Heiligabend ist so tief wie der Baikalsee und so turmhoch wie der Burj Khalifa in Dubai. Da gibt es nichts zu vermitteln und nichts zu beschönigen. Menschen, die so etwas machen, haben keinen Sinn fürs Atmosphärische, legen sich vermutlich beim Sex ein Handtuch unter und schützen ihre Polstermöbel mit hässlichen Überziehern. Wenn Sie das eine, aber nicht das andere tun, ist es höchste Zeit, der Bockwurst zu Heiligabend Adieu zu sagen. Es gibt kein wahres Leben im falschen. Frohe Weihnachten!

Roastbeef mit Rosmarinkartoffeln…

… haben den Vorteil, dass man sich anderen Dingen widmen kann, während alles im Backofen gart.

Jedem gelingt ein Roastbeef, wenn er sich an drei Dinge hält: 1. Das Fleisch muss gut abgehangen sein. 2. Es muss Zimmertemperatur haben, bevor man es in den Backofen schiebt. Dazu sollte man es zwei Stunden vor Zubereitung aus dem Kühlschrank holen. 3. Das gegarte Roastbeef muss 15 Minuten in Alufolie verpackt ruhen, bevor man es aufschneidet.

Backofen auf 120 Grad heizen. Für 6 Personen 1,5 kg Roastbeef mit wenig Olivenöl in einer Pfanne von allen Seiten scharf anbraten. Dann das Fleisch mit einer Marinade aus 70 ml Olivenöl, 2 Tl Senfkörnern, 1 Tl schwarzen Pfefferkörnern 1,5 Tl grobem Meersalz und 2 Tl Thymianblättchen bepinseln. Für die Marinade hat man alle Gewürze in einem Mörser zerstoßen und mit dem Öl vermischt. Fleisch auf einen Rost setzen, darunter ein Backblech schieben. Die Garzeit beträgt zwischen 80 (medium rare) und 100 (medium) Minuten.

20 Minuten vor Ende der Garzeit kleine festkochende Kartoffeln waschen, in Hälften schneiden und mit der angeschnittenen Seite nach oben auf Backpapier legen. Mit Olivenöl bepinseln, grobem Salz bestreuen und mit Rosmarinnadeln belegen, die man zuvor mit einem Nudelholz traktiert hat, um ihnen mehr ätherische Öle zu entlocken. Die Kartoffeln zum Roastbeef in den Ofen schieben. Zum Schluss mit dem Grill knusprig garen, während das Fleisch noch eine Weile in seiner Alufolie ruht.

 

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In ihrer Kolumne „Essen mit Ellen“ setzt sich Ellen Daniel mit kulinarischen Spezialitäten auseinander – und den kulturellen Hintergründen. Sämtliche bisher erschienene „Essen mit Ellen“-Beiträge finden sich hier.