Der Krieg um die Ukraine hat drei fundamentale Probleme der Energiepolitik der letzten Jahrzehnte offenbart. Während wir bei der Verteidigungspolitik eine Kehrtwende schafften, bleibt die Bundesregierung in der alten, verfehlten Energiepolitik mit großen Gefahren für Gegenwart und Zukunft stecken.

Die derzeitige Klima- und Energiekrise fiel nicht vom Himmel. Wie sind wir hier angekommen und finden wir noch einen Ausweg?

Lehren aus den 70er- und 80er-Jahren werden ignoriert

Deutschland hatte schon eine Politik der Vernunft. Die erste Energiekrise in den 1970er-Jahren hatte klargemacht, dass die europäischen Länder im Energiebereich widerstandsfähiger und unabhängiger werden mussten. Damals war der schnelle Ausbau der Kernenergie das Mittel der Wahl – und trug als Nebeneffekt sehr zur Reduzierung der Kohlenstoffemissionen bei. Zudem wurde auch das Potenzial der Wind- und Sonnenenergie erkannt.

Die Kernenergie wurde bereits 1979 auch als Instrument zur Bekämpfung des Klimawandels erkannt. Die politischen Kontrahenten Helmut Schmidt und Franz Josef Strauß waren sich früh einig, dass die globale Erwärmung ein gravierendes Problem für die kommenden Generationen sein würde. Beide sahen die Kernenergie als Instrumente, die globale Erwärmung abzumildern.

Deutschland entschied sich dennoch schon damals für einen anderen Weg. Die „heimische Kohle“ als Wirtschaftsfaktor wurde wichtiger, und der Ausbau der Kernenergie geriet ins Stocken. Um das Jahr 2000 herum, also vor mehr als zwanzig Jahren, begann Deutschland, seine eigene Energiewende-Agenda zu verfolgen. Nicht die Reduzierung der Emissionen oder die Vermeidung des Klimawandels oder auch die Energieunabhängigkeit Europas standen im Vordergrund. Hauptziele waren jetzt der Ausstieg aus der Kernenergie und 100 Prozent erneuerbare Energien.

Die Fehler der letzten Jahrzehnte

Mit dem zunehmenden Bewusstsein für den Klimawandel kam verspätet der Ausstieg aus den fossilen Energieträgern auf die Tagesordnung. Dann hörte man Sätze wie „Wenn wir aus der Atomkraft aussteigen, können wir nicht gleichzeitig aus der Kohle aussteigen.“ Das schrieb der SPD-Politiker Sigmar Gabriel 2014 in einem Brief an die schwedische Regierung. Selbst als die Erkenntnis reifte, dass die Welt mehr denn je kohlenstoffarme Energie benötigt, war für die Deutschen nicht verhandelbar, zuerst aus der Kohle und danach aus der Kernenergie auszusteigen. 

Erdgas kam als Partner für Solar- und Windenergie an Popularität ins Gespräch. Nun heißt es, man könne nicht gleichzeitig aus der Kernenergie und dem Erdgas aussteigen. Dies wurde zur Politik der neuen deutschen Koalition aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen. Es wurde eine Vereinbarung über den Bau von Nord Stream 2 getroffen, einer weiteren Pipeline, durch die noch mehr russisches Gas nach Deutschland gelangen soll.

Dabei haben Experten stets gewarnt, dass es töricht sei, das Energiesystem einer modernen Gesellschaft von zwei Dingen abhängig zu machen, die schwer zu kontrollieren sind: vom Wetter und von der Verfügbarkeit einer wichtigen Energiequelle aus einem unberechenbaren Russland. Diese Kritiker wurden weitgehend ignoriert. Heute stellt sich heraus, dass sie recht hatten. Es brauchte einen Krieg, um Nord Stream 2 zu stoppen.

Jetzt treten die verheerenden Konsequenzen zutage

Der Sonderweg der deutschen Energiewende hat in Sachen Klima versagt. Die CO₂-Emissionen Deutschlands sind viel höher als vergleichbare Länder, die auf Kernenergie oder Wasserkraft setzen. Die hohe Abhängigkeit von Kohle und Gas wurde im Krieg gegen die Ukraine zum Verhängnis.

Blicken wir auf den Stand der Dinge: Im Jahre 2021 betrug der Anteil der fossilen Energieträger Kohle, Öl und Erdgas, das meiste aus Russland, immer noch 77 %.

Primärenergie nach Energieträgern, Quelle: Umweltbundesamt

Den Kernenergieanteil von rund 14 Prozent für die Stromerzeugung werden fossile Energieträger mit zusätzlichen Emissionen ersetzen. Damit steigt die CO₂-Emission weiter, obwohl die Klimaveränderungen das Gegenteil erfordern. Eine Studie im Auftrag von Ökomoderne zeigt, dass diese Entscheidungen auf Kosten des Klimas und der Gesundheit gehen. Die Abschaltung der sechs Kernkraftwerke wird 60 Millionen Tonnen mehr CO₂-Emissionen pro Jahr und zigtausende frühzeitige Todesfälle durch die zusätzliche Luftverschmutzung durch fossile Verbrennung verursachen.

Die technologische Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen war bereits seit der Schließung perfekt funktionierender Kernkraftwerke ab 2011 gestiegen. Dieser überhastete Beschluss wurde gegen den Rat der Experten in der Reaktorkommission gefasst. Die Folge war, dass Deutschland zusätzlich in eine fatale politische Abhängigkeit von Russland geraten ist. Von dort wird mehr als die Hälfte des gesamten in Deutschland verbrauchten Erdgases und die Hälfte der Steinkohle eingeführt. Das wollte niemand hören; das Problem wird durch den Krieg klar erkennbar.

Auch die Energiesicherheit mit bezahlbarer Energie für die Bevölkerung hat gelitten. Der forcierte Ausbau stark subventionierter erneuerbarer Energien durch den Ausstiegsbeschluss hat das gesamte Energiesystem verletzlicher und teurer gemacht. Deutschland hat schon jetzt die höchsten Strompreise in ganz Europa. Der russische Einmarsch in der Ukraine hat die Preise für Öl und Gas weiter dramatisch in die Höhe getrieben. In dieser bereits angespannten Lage vergrößern sich mit der Abschaltung der letzten drei Kernkraftwerke bis Ende 2022 ohne Not unsere Probleme.

Ein Umdenken hat begonnen, nur nicht in der Bundesregierung

In den Medien findet bereits ein Umdenken statt: Man bringt hier und da den Nutzen der Kernenergie wieder ins Gespräch. Silke Mertins von der TAZ spricht von einem “notwendigen Tabubruch”. Und die Osteuropaexpertin und Technikhistorikerin Anna Veronika Wendland schreibt, ist “jedes laufende europäische Kernkraftwerk eine Unabhängigkeitserklärung gegenüber dem russischen Despoten und seiner Fossilokratie“.

Die Stimmung in Deutschland dreht sich also zaghaft zugunsten eines Neuanfangs in der Klima- und Energiepolitik. Stärker noch in Südkorea: Dort wollen der langjährige Kernkraftkritiker und bisherige Präsident des Landes Moon nichts mehr von Ausstieg wissen. Südkorea solle für die nächsten 60 Jahre auf Kernenergie setzen, fordert er. Die Richtung ist noch klarer, nach dem der Befürworter der Kernenergie Yoon Suk-yeol die Wahlen gewonnen hat. Er will sogar Reaktoren zum Exportschlager machen.

In Finnland nahm gerade das Kernkraftwerk Olkiluoto 3 mit insgesamt 1.6 GW Leistung ihren Betrieb auf, womit sie allein 14 % des Elektrizitätsbedarfs von Finnland decken wird. Entgegen sonst verbreiteter Mythen gibt es dafür auch ein Endlager.

Kernkraftwerk Olkiluoto 3, Quelle: TVO

Inzwischen hat auch Belgien den Atomausstieg um 10 Jahre verschoben.

Deutschland begeht sich damit immer mehr in die Europäische Isolation, und die Politik hält noch immer an ihrem Sonderweg fest. Minister Habeck von den Grünen sind selbst die Klimakiller Kohle und Gas wünschenswerter als die klimafreundliche Kernenergie. Es ist offensichtlich nicht mehr das Ziel, Deutschland mit allen Mitteln unabhängig von fossilen Brennstoffen aus Russland zu machen, die Putin die Mittel in die Hand legt, den Krieg länger zu führen.

Offenbar ist diese Regierung bereit, alles für ihr Anti-Atom-Dogma zu opfern: Klima, Energiesicherheit und eine schnelle Trockenlegung der Mittel für Putins Angriffskrieg, der durch Verdienste vom Verkauf von Gas. Öl und Kohle an Deutschland finanziert wird.

Die Ministerien tun alles dafür, fadenscheinige Gründe dafür zu finden, eine Laufzeitverlängerung zu verhindern. Fachleute der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) dagegen widersprechen.

Noch haben wir eine Chance für ein resilientes Energiesystem

Während die Unfähigkeit, den russischen Einmarsch in der Ukraine zu stoppen, die Irrtümer der deutschen Politik offenbart, stellt die Situation auch eine Chance dar. Es wird deutlich, dass wir einen realistischen Plan zur Dekarbonisierung sowie ein widerstandsfähiges und unabhängiges Energiesystem benötigen.

Die Realität ist: Man kann nicht gleichzeitig Energiesicherheit für Europa erreichen und den Klimawandel bekämpfen, wenn nicht neben Wind- und Sonnenenergie auch ein bedeutender Anteil an Kernenergie gesichert wird. Frankreich macht es vor.

Wem es ernst damit ist, den Klimawandel zu bekämpfen und Energie bezahlbar zu machen, der muss auf alle kohlenstoffarmen Energiequellen bauen. Ein solches System würde niedrigere Kosten, eine größere Energiesicherheit bieten und Deutschland gleichzeitig weit weniger abhängig von Erdgasimporten machen. Gleichzeitig würde es viel weniger Land verbrauchen und sowohl die Natur als auch die Menschen viel weniger beeinträchtigen – ein Aspekt, der bisher kaum diskutiert wird.

Eine Lehre sollte auch sein, zu große und einseitige Abhängigkeiten von einzelnen Staaten außerhalb Europas bei allen Technologien zu vermeiden.

Es widerspricht jeder Vernunft und Weitsicht, in einer solchen Krise auf die Klimakiller Kohle, Öl und Gas als Brücke zu setzen und die Abhängigkeit von russischen Gutdünken zu verlängern. Die Zeit der Rücksichtnahme auf alte Gewohnheiten und Empfindlichkeiten ist vorbei. Wir brauchen für jetzt einen sofortigen Stopp aller fossilen Importe aus Russland und ein Rückbau von Nord Stream 1 und 2, damit diese auch in Zukunft nicht mehr genutzt werden. Und wir sollten – wenn wir noch bei Verstand sind – die verbliebenen drei Kernkraftwerke ans Netz lassen und die drei abgeschalteten Kernkraftwerke wieder in Betrieb nehmen.

Wir haben eine Chance für einen Neuanfang in der Energiepolitik mit Kernenergie Teil des künftigen Energiemixes, die das Klima schützt und Europas Energiesicherheit ohne einseitige Abhängigkeiten gewährleistet! Wir können uns an Finnland ein Beispiel nehmen. So gestalten wir eine Zukunft, die das Klima schützt und sichere und bezahlbare Energie für alle ermöglicht.