Es war eine Einwanderung, die keine sein sollte. Weder wollten sie bleiben, noch sollten sie Teil dieser Gesellschaft werden. Es ist Zeit, die Leistung der Gastarbeiter zu würdigen – und zu beweisen, dass wir es jetzt besser wissen.

Sie sind vom Leben gezeichnet. Ihre Körper tragen Spuren der Geschichte. Ihre Rücken sind gebeugt, manches Gelenk angeschwollen, die Hände schmerzen. Viele sehen älter aus, als sie sind. Die meisten von ihnen machen dennoch einfach weiter. Seit 30 Jahren. Seit 40 Jahren. Oder seit 50. Manch einer durfte sich nun zur Ruhe setzen, der Rest wartet geduldig darauf. Jammern hört man sie nicht. Ihre Schmerzen ertragen sie leise.

Die Ersten aus meiner Familie kamen als Gäste, um zu arbeiten. Die anderen, um dem Krieg zu entkommen. Es war eine Einwanderung, die keine sein sollte. Sie wollten nicht bleiben. Und sie sollten auch nicht bleiben. Wie so viele andere auch aus Italien, Griechenland, der Türkei, aus Tunesien, Marokko oder Polen. Doch sie blieben – weil sich Geschichte nicht vorhersagen lässt.

Für ihre Kinder

Die meisten von ihnen lebten zu Beginn in Sammelunterkünften. Danach häufig in heruntergekommenen Gegenden unterschiedlicher deutscher Städte, wo sie innerhalb ihrer Diaspora und anderer Kulturkreise blieben. Auf jeden Fall dort, wo Deutsche nicht lebten. Und auch dort blieben sie. Denn für sie gab es keine Integrationsprogramme, keine Angebote, um sie in die Gesellschaft einzubinden, keine Förderung. Dafür gab es anstrengende, dreckige, den Körper zermürbende Arbeit. Doch das störte sie nicht. Sie wussten, wofür sie es taten. Für ihre Kinder, ihre Familien, damit sie es besser haben, als sie es selbst hatten.

Heute wissen wir das. Aber trotzdem machen wir ihnen Vorwürfe. Wir geben ihnen immer noch das Gefühl, kein erwähnenswerter Teil dieser Gesellschaft zu sein oder wie erklären wir uns sonst, dass ihre Kinder und Enkel bis heute in wichtigeren Positionen des Landes nicht repräsentiert sind? In gesellschaftlichen Debatten kaum Erwähnung finden? Wir sagen ihnen immer noch, ihre Sprachkenntnisse im Deutschen seien zu mangelhaft, obwohl wir wissen, dass es für sie nie Sprachkurse gab und sie von Anfang an sich selbst überlassen wurden. Wir fragen sie immer noch, woher sie kommen, obwohl sie ihr Leben diesem Land gegeben haben.

Schuften ohne Anerkennung

Wie Max Frisch sagte: Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen. Deutschlands Gastarbeiter haben die Geschichte dieses Landes geprägt. Sie haben am deutschen Wirtschaftswunder mitgearbeitet. Ohne sie wäre die Geschichte anders verlaufen. Ich schaue sie an. Aus der Nähe und aus der Ferne. Mein Umfeld besteht aus den Menschen, deren Körper kaputt sind von der Arbeit, die niemand machen wollte. Und der Arbeit, die dringend gemacht werden musste, um zum Wohlstand in diesem Land beizutragen. Ihre kaputten Körper stehen sinnbildlich für ihre Leistung – und die fehlende politische und gesellschaftliche Anerkennung dafür.

In all diesen Jahren habe ich nie gehört, dass sich jemand von ihnen über die Arbeit beschwert hat. Sei es in der Gießerei von Automobilherstellern, auf Gerüsten von Baustellen oder als Putzkräfte in Unternehmen. Sie haben nie geklagt. Und sie klagen bis heute nicht. Sie sind dankbar. Für die Chancen, die sie bekommen haben und für das Leben in diesem Land. Und sie haben geschafft, was sie schaffen wollten: Ihren Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen. Manche von ihnen werden ihre müden Körper irgendwann dort unter die Erde legen lassen, woher sie einst gekommen sind. Andere werden hier bleiben.

Geschichte wiederholt sich

Wir Gastarbeiter-Kinder jedoch werden die kaputten Körper unserer Großeltern und Eltern stellvertretend einklagen – indem wir für unseren Platz in dieser Gesellschaft einstehen. Und darauf aufmerksam machen, dass sich Geschichte wiederholt. Und wir immer noch Menschen als Billiglohn-Kräfte in dieses Land holen, um die Jobs zu machen, auf die wir keine Lust haben. Den Spargel zu stechen, unsere Schweine zu schlachten oder unsere Ältesten in der Gesellschaft zu versorgen. Und all diese Menschen haben Familien. Sie werden kommen und sie werden bleiben. Lasst es uns dieses Mal besser machen.