Hannes Stein hat ein Buch geschrieben, das in der Postapokalypse spielt. Die Parodie auf den britischen Detektivroman ist außerdem eine schwule, interkonfessionelle Liebesgeschichte. Zum Erscheinungstag gibt es nun das Interview mit dem Autor über „Nach uns die Pinguine“.

Journalist: Herr Stein, nach ihrem erfolgreichen Debüt „Der Komet“ haben Sie einen neuen Roman geschrieben …
Schriftsteller: Das gebe ich zu.

Journalist: Warum schreiben Sie überhaupt Romane?
Schriftsteller: Ich glaube, weil ich im Hauptberuf Journalist bin. Als Journalist bin ich einem etwas altmodischen Wert verpflichtet, der Wahrheit. As Romancier darf ich endlich das sein, was die rechtsradikalen Schweinepriester uns Journalisten immer als Schimpfwort an den Kopf werfen: Lügenpresse. Ich darf nicht nur, ich muss mir Fakten aus den Fingern saugen. Was für eine Befreiung!

Journalist: Ihr neuer Roman heißt „Nach uns die Pinguine“ und spielt auf den Falklandinseln. Warum?
Schriftsteller: Weil die Falklandinseln für mich die Insel Utopia in echt sind. Ich war 2012 da. Dabei stellte ich fest: Die Falklandinseln sind eine Monarchie – auf allen Amtsstuben hängt das Konterfei von Elisabeth II. Schon mal gut. Außerdem praktizieren die zweitausendachthundert Bürgerinnen und Bürger der Falklandinseln eine sehr direkte Form der Demokratie – mit einem winzigen Inselparlament und Grundrechten und Gewaltenteilung. Noch besser! Last but not least: Die Leute dort sind lustig und eigentlich ohne Hass gegen die Argentinier. Auch wenn sie natürlich nie wieder unter argentinischer Herrschaft leben wollen.

Journalist: Ihr Roman spielt in der Zeit nach dem Weltuntergang. Die Menschheit hat sich nahezu selbst ausgerottet …
Schriftsteller: Das ist ein gutes altes Genre der Science Fiction – der postapokalyptische Roman. Denken Sie an „The Day oft he Triffids“ von Wyndham Lewis. Wobei ich immer schon fand: Postapokalyptische Romane haben gefälligst ironisch zu sein. Sie sollten sich selber nicht zu ernst nehmen. Ich bin froh, dass ich mit der Arbeit an meinem Roman im Wesentlichen fertig war, bevor Donald Trump Präsident wurde. Ich muss zugeben, seither ist mir das Spotten vergangen. Na ja, beinahe.

Journalist: Außerdem ist Ihr Roman ein Krimi …
Schriftsteller: Einigen wir uns auf die Bezeichnung: Parodie? Eine von tiefem Respekt unterlegte Parodie auf den klassischen britischen Detektivroman. Ich wollte einen solchen Roman schreiben, seit ich ungefähr zwölf Jahre alt war – ein „closed room mystery“. Ein verschlossenes und verriegeltes Zimmer, eine Leiche. So dass der Leser nicht nur vor der Frage steht: Wer hat das getan? Sondern sich auch fragen muss: Wie hat er es getan? Die Verbindung von Mordfall und Zaubertrick, wenn man so will.

Journalist: Ihr Detektiv ist ein schwuler, jüdischer Mormone. Wollen Sie Ihre Leser etwa dazu animieren, dass sie zum Mormonenglauben konvertieren?
Schriftsteller: Seien Sie nicht albern. Dies ist ein Roman, keine Bastelanleitung. Die Mormonen waren für den Zweck meines Romans einfach deshalb ideal, weil sie sich offiziell die „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“ nennen. Und just darum geht es in meinem Roman ja – um die letzten Tage der Menschheit. Außerdem handelt es sich um einen Akt der literarischen Wiedergutmachung. Kennen Sie den ersten Detektivroman, den Arthur Conan Doyle, der Erfinder von Sherlock Holmes, veröffentlicht hat?

Journalist: Nein.
Schriftsteller:  „Eine Studie in Scharlachrot“. Conan Doyle hat seinem spätviktorianischen Publikum damals ein plumpes Stück Anti-Mormonen-Propaganda geliefert. Bei mir lernen Sie dagegen endlich mal einen richtig netten Mormonen kennen.

Journalist: Außerdem spielt in „Nach uns die Pinguine“ ein pakistanischer Muslim eine tragende Rolle.
Schriftsteller: Dr. Abdul ur-Rachman, ja. Mein Detektiv ist sehr in ihn verknallt. Das Ganze ist also auch noch eine schwule, interkonfessionelle Liebesgeschichte.

Journalist: Gestatten Sie die indiskrete Frage: Sind Sie selber schwul
Schriftsteller: Nein. Niemand ist vollkommen.

Journalist: Am Schluss Ihres Romans taucht …
Schriftsteller: Sie werden jetzt aber nicht gegen das elfte Gebot verstoßen und die Lösung verraten!

Journalist: … also sagen wir: etwas ziemlich Unerwartetes aus den Wassern auf. Wieso?
Schriftsteller: Im Theater der Antike gab es etwas, das deus ex machina genannt wurde. Wenn die Situation im Theaterstück völlig verfahren erschien, wurde mit einem Kran ein Korb auf die Bühne geschwenkt. Dem Korb entstieg ein lächelnder Gott, rückte hier etwas zurecht, verteilte dort ein paar gute Ratschläge – und so fügte sich das Geschehen wider alle Wahrscheinlichkeit doch noch zum Guten. Dieses Verfahren der Theatertechnik ist in den letzten 2500 Jahren ein bisschen aus der Mode gekommen. Ich fand: Es ist höchste Zeit, den deus ex machina wieder in seine Rechte einzusetzen.

Journalist: Was hat „Nach uns die Pinguine“ mit Ihrem Debütroman „Der Komet“ zu tun?
Schriftsteller: Alles und nichts. Hier wie dort geht es um den Weltuntergang – nur dass er in „Der Komet“ ausfällt, während wir ihn im neuen Buch schon hinter uns haben. Hier wie dort geht es um ein versunkenes Weltreich – im „Kometen“ um das österreichisch-ungarische, in den „Pinguinen“ um das britische Imperium. Beide Bücher wurden offenbar von einem Monarchisten mit einer gewissen Neigung zur Anarchie verfasst. In beiden Büchern steht ein Außenseiter im Zentrum, der enorme Probleme mit seiner Sexualität hat.

Journalist: In beiden Büchern geht es irgendwie um den Messias.
Schriftsteller: Das haben Sie gesagt.

Journalist: Jetzt will ich nur noch eines wissen. Woher nehmen Sie eigentlich die Chuzpe, sich in diesem Interview ständig hinter der Bezeichnung „Journalist“ zu verstecken?
Schriftsteller: Ganz einfach – auf diese Art stelle ich sicher, dass ich auch garantiert alle Antworten weiß.

 

 

 

 

 

Hannes Stein:
Nach uns die Pinguine.
Ein Weltuntergangskrimi.
Galiani, Berlin.
204 S., 19 Euro.