Österreich kriecht weiter zu Kreuze, angeleitet von Sebastian Kurz. Der ist zwar noch kein Heiliger, dafür steht die Seligsprechung eines seiner Vorgänger bevor. Nur ein Wunder muss für Leopold Figl noch gefunden werden.

Von Elisabeth Hewson

Österreich zeigt es wieder allen. Mit Gebeten. Im Parlament wird einfach zum „Nationalen Gebetsfrühstück“ aufgerufen und eineinhalb Stunden lang gegen die Coronakrise sturmgebetet – über Website auch dem Bürger möglich – und schon ist die Impfung in Sicht. Kann doch kein Zufall sein?

Bundeskanzler Sebastian Kurz hat dafür viel Vorarbeit geleistet. Im Juni 2019 ließ er sich von einem australischen Jesus-Oberjünger bei der Veranstaltung „Awakening Austria“ von Tausenden Jublern lobpreisen und versank dann mit der Schar der Gläubigen im Gebet, in der für ihn typischen Handhaltung, rechte Hand umschließt linke in optischer Innigkeit. Dass er von der Fürbitte für sich selbst überrascht wurde, ist wohl seiner Bescheidenheit zuzuordnen. Dass Corona trotzdem auch dieses gesegnete Land heimsuchte, ist wohl der Teufel schuld.

Der nächste Selige aus Österreich

Wie selig die Insel Österreich doch wahrhaftig ist, zeigt sich jetzt gerade wieder. Noch einer der Unsrigen darf bald vielleicht die Schar der Auserwählten für den direkten Zugang zum Himmel ergänzen. Der Held des freien Österreich Leopold Figl, der im Mai 1955 den Staatsvertrag vom Jubelbalkon des Belvedere über den Köpfen des Volkes schwenkte, soll auf Wunsch des St. Pöltner Diözesanbischofs seliggesprochen werden. Ausgerechnet Figl, einst von ehrlosen Karikaturisten als geeichter Trinker verhöhnt, der die Russen bei Neutralitätsverhandlungen unter den Tisch soff. Ein, wie man so sagt, bauernschlauer Landmann als Mittler zwischen den Christen und Gott. Gnädig überdeckt wird vom christlich-sozialen Bauernjanker, dass Figl nicht nur Verdienste in den Verhandlungen um die Neutralität Österreichs sammelte, sondern auch einige „Patzer“ – wie sein aktueller Nachfolger das formulieren würde – auf seinem heiligen Hemd hat. Erwähnt seien nur seine Aktivitäten im (unter anderem antisemitischen) Austrofaschismus.

Ja, er hat viel durchgemacht, kam ins KZ, wurde fast zu Tode geprügelt, weil er den Nationalsozialismus ablehnte. Das geschah allerdings vielen, viel zu vielen, ohne dass die katholische Kirche sie dafür seligsprechen will. Auch die als Begründung genannte „versöhnliche Persönlichkeit“, die er gewesen sein soll, haben hoffentlich viele andere genauso vorzuweisen. Der Initiator der Idee, Bischof Alois Schwarz, legt sich dennoch ins Zeug und betont: „Der Mann hat so viel Hoffnung gebracht. … Er war nie nachtragend. Und hat im KZ Schläge erhalten, die ihm (sic) eigentlich das Leben gekostet haben.“

Fehlt nur: Ein Wunder

Dass er trotzdem überlebte, gilt denn aber doch nicht als Wunder im kirchlichen Sinne. Und ein Wunder fehlt noch im Lebenslauf. Eins benötigt man zur Seligsprechung, drei zur Heiligsprechung – es muss ja alles eine Ordnung haben. Nun werden Katholiken gesucht, die bezeugen, dass ihnen Figl im Gebet Kraft gegeben und womöglich durch Fürsprache bei Gott Wunder gewirkt hat. Vielleicht findet sich ja, wie beim letzten Kaiser Österreichs Karl I., der bereits seliggesprochen auf seiner Wolke sitzt, auch eine Ordensfrau, deren Beinschmerzen dank seiner postmortalen Fürsprache verschwinden. Der damalige Aufwand – akribische Sammlung von Material, Befragung von 654 Zeugen, eine 1000-seitige Aussage seiner Frau Zita – muss doch in Zeiten wie dieser drin sein. Wir haben ja sonst keine Sorgen. Und wenn man bis nach Südamerika forscht, wo jene Nonne ihr Wunder erlebte. Wie nannte der Politologe Pelikan das damals so treffend: Eine „…am Rande des Lächerlichen angesiedelte Seligsprechung. Allein schon das Wunder: die Krampfadern einer brasilianischen Nonne. Wenn es wenigstens die Gesundung krebskranker Kinder in den Elendsquartieren Kalkuttas gewesen wäre.“

Österreich sucht Hilfe von oben. Deshalb hängen nach langen Debatten immer noch Kruzifixe in den Klassenzimmern, laut Wiener Schulgesetz, Paragraph 42, Absatz 7. Auch die „Schwurgarnitur“ (rechts und links eine Kerze, in der Mitte ein Kreuz) bleibt den Österreichischen Gerichtssälen als fixe Ausstattung erhalten, da können Richter noch so lange das Neutralitätsgebot fordern. So zuletzt 2017 bestätigt, auch dank des damaligen Integrationsministers. Wie hieß er doch gleich? Ach ja, Sebastian Kurz. Man betet weiter vor. Und vor sich hin.

Elisabeth Hewson wurde in Wien geboren, einige Zeit in England und in Tirol zu Hause, arbeitete lange Jahre als Werbetexterin, später als Chefredakteurin einer Konsumentenzeitung und freie Journalistin. Sie reist viel, lebt und arbeitet aber gerne in Wien.