Das Insektizid Fipronil schützt Katzen und Hunde vor Zecken. Nun wurde es in Eiern aus Belgien und den Niederlanden gefunden. Dass diese jetzt aus dem Verkehr gezogen werden, ist richtig. Grund zur Panik besteht allerdings nicht.

Fipronil ist ein Insektizid, das vor allem gegen Parasiten wie Zecken, Flöhe, Läuse und Milben eingesetzt wird. Außerdem wird es manchen Pflanzenschutzmitteln beigesetzt. Der Wirkstoff attackiert das Nervensystem der Parasiten, indem er einen wichtigen Neurotransmitter (GABA) hemmt – allerdings nur bei Wirbellosen. Bei Wirbeltieren ist Fipronil erst bei relativ hohen Dosen gefährlich (LD50, Ratte, 97 mg pro kg Körpergewicht). Bei Menschen kann das Mittel in hoher Dosierung Haut und Augen reizen sowie Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen verursachen.

Nun sind Eier aus den Niederlanden und Belgien aufgetaucht, die mit Fipronil belastet sind. Das sollte eigentlich nicht passieren, denn das Mittel ist zum Einsatz bei Tieren, die Lebensmittel produzieren, nicht zugelassen. Vermutlich kam der Wirkstoff über ein kriminell gepanschtes Putzmittel, mit dem Hühnerställe gereinigt werden, auf Haut und Gefieder der Hühner und von dort in die Eier. Der Einsatz des Reinigungsmittels Dega16 ist übrigens auch in Biobetrieben erlaubt.

Foodwatch und Co. twittern eifrig über den neuen „Skandal“. In gewohnt zurückhaltender Manier spricht Niedersachsens Grüner Landwirtschaftsminister Christian Meyer bereits von einem „Gifteierskandal“. Da schrillen sogleich die Alarmglocken: Gifteier, das klingt richtig gefährlich.

Im Extremfall kann ein Gesundheitsrisiko nicht komplett ausgeschlossen werden

Ist es aber nicht. Auch wenn – wie überall zu lesen ist – das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) vor einem potenziellen Gesundheitsrisiko bei Kleinkindern warnt. Wie so oft ist es sinnvoll, besser gleich auf die Informationen des BfR zurückzugreifen, statt darauf zu vertrauen, was in Redaktionen und Ministerien daraus zusammengekocht wird. In einer Stellungnahme zum aktuellen Fall schreibt das BfR: „Basierend auf dem deutschen Verzehrsmodell (NVS II-Modell) ergibt sich für keine der untersuchten Verbrauchergruppen eine Überschreitung der ARfD durch den Verzehr von mit Fipronil belasteten Hühnereiern oder -fleisch.“ ARfD steht für akute Referenzdosis – die Menge, die mit der Nahrung innerhalb von 24 Stunden ohne merkliches Gesundheitsrisiko aufgenommen werden kann.

Woher stammt dann aber die vielzitierte Warnung? Das Modell des BfR basiert auf den Daten der Nationalen Verzehrsstudie II aus dem Jahr 2006, die am Beispiel von 20.000 deutschen Bürgern im Alter zwischen 14 und 80 Jahren ermittelt hat, wie sich Verbraucher (eingeteilt in verschiedene Altersgruppen) in Deutschland ernähren. Ergänzt werden diese Daten aus der Verzehrsstudie zur Ermittlung der Lebensmittelaufnahme von Säuglingen und Kleinkindern (VELS) von 2005. Nach diesem Modell für die typische Ernährung deutscher Verbraucher besteht auch bei den höchsten nachgewiesenen Fipronil-Konzentrationen in den getesteten Eiern kein gesundheitliches Risiko.

Nun hat das BfR aber nicht nur das deutsche, sondern auch das europäische Modell herangezogen, das unter anderem auf britischen Verzehrsdaten basiert. Offenbar essen britische Kinder mehr Eier als deutsche, und nach diesem Modell kann im Schlimmstfall bei ausschließlichem Verzehr der am stärksten belasteten Eier die akute Referenzdosis von 0,009 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht bei Kleinkindern überschritten werden. Die gemessenen Konzentrationen lagen bei 0,0031 bis 1,2 mg pro kg in Hühnereiern. Von den am höchsten belasteten Eiern sollte ein zwölf Kilo schweres Kleinkind von zwei Jahren somit nicht mehr als zwei pro Tag essen, um unter der ARfD zu bleiben.

Das ist nach den britischen Daten offenbar durchaus möglich. Grund zur Panik oder gar zum vollständigen Verzicht auf Eier besteht allerdings nicht. Denn die theoretisch mögliche Überschreitung der ARfD „bedeutet nicht zwangsläufig eine konkrete Gesundheitsgefährdung“, wie das BfR mitteilt, sondern nur, dass eine solche nicht mehr mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Dabei muss erwähnt werden, dass die ARfD noch einen Sicherheitsfaktor von 100 zum tatsächlich ermittelten Grenzwert enthält.

Für die Verbraucher in Deutschland besteht also kein gesundheitliches Risiko – mit einer theoretischen Ausnahme bei sehr eierreicher Ernährung von Kleinkindern im allerschlimmsten Fall und unter Vernachlässigung eines großzügigen Sicherheitsfaktors. Tagesschau.de macht daraus „Verzehr vor allem für Kinder riskant“ und impliziert damit, dass insgesamt ein ernsthaftes Risiko bestehe. Da ist der Schritt zu den ministeriellen Gifteiern dann nicht mehr weit.

„Frontline“ enthält so viel Fipronil wie 1000 belastete Eier

Besitzer von Haustieren mit Freigang dürften übrigens auf ganz anderem Weg mit Fipronil in Kontakt kommen. Fipronil ist der Wirkstoff in vielen Anti-Parasitenmitteln für Kleintiere wie „Frontline“ oder „Eliminall“. Meinem Kater träufle ich während der Zeckenzeit etwa alle sechs Wochen 50 Milliliter davon in den Nacken. Wie viele Kinder in Katzen- und Hundehaushalten halten sich wohl an die Vorgabe, einen Tag lang nach Auftragen des Präparats nicht zu intensiv mit dem Tier zu schmusen, sich nicht von ihm ablecken zu lassen und sich nach dem Streicheln die Hände zu waschen?

Eine Anwendung von „Frontline“ enthält 50 Milligramm Fipronil. Um auf diese Menge zu kommen, müsste ich meinen Kater also in rund 40 Kilogramm Eigelb und -dotter aus knapp 1000 Eiern baden. So sehr er Eier liebt, das würde ihm vermutlich nicht gefallen.

Trotzdem ist der Rückruf der betroffenen Eier richtig. Fipronil hat in diesen Konzentrationen nichts in Lebensmitteln zu suchen. Doch ein Grund zur Aufregung ist das alles nicht.

„Dieser Skandal erschüttert einmal mehr das Vertrauen in die Lebensmittelindustrie“, behauptet die Fraktion der Grünen in der Bremischen Bürgerschaft in einer Pressemitteilung. Warum eigentlich? Noch vor einigen Jahrzehnten bedeutete ein Lebensmittelskandal, dass Menschen wegen Lebensmitteln schwer erkrankten oder sogar starben. Heute führt der frühzeitige Fund von Spuren eines Insektizids, die aller Voraussicht nach zu keinerlei gesundheitlichen Folgen geführt haben oder führen werden, zu einer schnellen Warnung und sofortiger Reaktion von Handel und Behörden. Mehr noch, mit Mutterkorn und anderen Giften oder Mikroorganismen verseuchte Lebensmittel waren früher ein kaum zu vermeidender Teil der Lebensmittelproduktion. Das ist heute anders. Das Fipronil gelangte durch kriminelle Handlungen in die Eier.

Der „Gifteierskandal“ liefert kein Argument für den Immerschlimmerismus. Im Gegenteil: Er zeigt, dass die Lebensmittelüberwachung funktioniert und tatsächlich immer früher Alarm schlägt. Er ist ein Beleg für die Tatsache, dass Lebensmittel in Deutschland noch nie sicherer waren als heute.

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