Die „Sendung mit der Maus“ hat unseren amerikanischen Autor mit Deutschland versöhnt. Denn ein Land, das solches Kinderfernsehen produziert, kann nicht ganz schlecht sein.

Als unser Sohn noch im Bauch seiner Mutter mit Schlafen und Träumen und Purzelbaumschlagen beschäftigt war, glaubte ich einen Moment lang allen Ernstes, dass ich nie ein Wort Deutsch mit ihm reden würde. Ich hatte damals – 2012 – aus der Ferne eine Riesenwut auf Deutschland. Dort tobte nämlich ein verbaler Pogrom, der als „Beschneidungsdebatte“ in die Geschichtsbücher eingegangen ist bzw. sofort wieder vergessen wurde.

Also, kein Deutsch! Mein Bub wird Amerikaner and that’s it!

Von diesem Knall hat mich mein Freund Dovid geheilt, dessen Muttersprache die mameloschn ist und der Jiddisch in Beer Schewa unterrichtet. Du sollst nicht nur, du MUSST mit deinem Sohn Deutsch reden! schärfte er mir ein. Du darfst ihn um diese Lebenschance nicht betrügen! Lass dich von deiner Wut nicht dumm machen!  Außerdem: Wenn er außer Englisch noch eine zweite Sprache kann, steht die Tür zu Sprache Nr. 3 immerhin schon einen Spalt weit offen!

Und so habe ich angefangen, mit unserem Sohn die Sprache Himmlers und Hölderlins zu reden, ehe er geboren wurde. Ich habe habe am Tag seiner Beschneidung beruhigend auf Deutsch auf ihn eingeredet und seither nie wieder aufgehört.

Später habe ich dann irgendwann bemerkt, dass es 1. die „Sendung mit der Maus“ immer noch gibt, dass sie 2. immer noch gut ist und dass wir sie 3. übers Internet auch in New York problemlos streamen können.

Guter Journalismus

So schauen Yonatan und ich jetzt jeden Montag nach der Klavierstunde die neueste Folge der „Sendung mit der Maus“ an. Und sie ist großartig. Die Filmbeiträge, in denen erklärt wird, wie dies geschnitzt, jenes gegossen, etwas anderes gebacken, etwas Seltsames in einer Fabrik hergestellt wird, sind exzellent gemacht: guter Journalismus. (Unvergesslich zuletzt: der lange Beitrag darüber, wie ICE-Züge in europäischer Kooperation von Firmen in Deutschland, Österreich und Polen zusammengeschraubt und getestet werden.) Alles in dieser Sendung ist kindgerecht, aber nie wird im Tonfall der Betulichkeit zu Kindern hinuntergeredet. Die Zeichentrickfilme über „Shaun das Schaf“ sind zuverlässig so lustig, dass Yonatan vor Lachen beinahe vom Stuhl kippt. Mittlerweile, seit er mehr Deutsch versteht, fängt er auch an, die Lügengeschichten von Käpt’n Blaubär zu genießen. Die kurzen Clips mit der Maus, dem Elefanten und der Ente sind pfiffig.

Dann vermittelt diese Sendung, ohne dass je irgendwer den Zeigefinger erhöbe, Werte, die auch jene der Salonkolumnisten sind. Das beginnt mit den Einleitungen, die jeweils auf Deutsch und in einer anderen Fremdsprache gehalten sind, die man raten muss, es setzt sich mit den einfühlsamen Berichten über andere Länder und Städte fort und hört auch nicht bei den älteren Herren (Christoph Biermann und Armin Maiwald) auf, die altmodischen Charme vermischt mit Tollpatschigkeit und Neugier verkörpern.

Die „Sendung mit der Maus“ hat mich ein wenig wieder mit Deutschland versöhnt. Denn ein Land, das solches Kinderfernsehen produziert, kann nicht ganz schlecht sein. Ich würde sogar sagen, es verfügt über einen soliden Fundus an zivilen Tugenden