Nach der OP ist Deana Mrkaja erneut vollkommen auf die Hilfe anderer angewiesen. Warum das so ist und weshalb eine sogenannte „Narbenbehandlung“ dem Jenseits ähnliche Schmerzen auslöst, erklärt sie im zehnten Teil des Kreuzbandriss-Tagebuchs.

In der ersten Woche nach einer Kreuzband-OP wird man gezwungen, das ganze Bein stillzuhalten. Und damit es auch tatsächlich nicht bewegt wird, wird es in eine Stilllegungsschiene gepackt. Was danach klingt, als habe die Deutsche Bahn mal wieder Probleme, ist in Wahrheit eine Art Kasten, der am Bein festgezurrt wird. Diese Schiene erschwert das Leben erheblich, da das Bein einfach steif ist und sich jeder sicherlich vorstellen kann, wie gut es funktioniert damit Treppen hinunter- oder hochzusteigen. Mittlerweile habe ich mich von meiner Mutter – die es schon immer hasste, dass sie bei mir vier Stockwerke erklimmen muss – breitschlagen lassen, dass es echt unnötig ist, so weit oben zu wohnen. Mietpreisbindung hin oder her.

Angewiesen auf die Hilfe anderer

Wie bereits direkt nach dem Kreuzbandriss wäre ich ohne die Hilfe anderer in der ersten Zeit nicht nur völlig aufgeschmissen gewesen, sondern mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch verhungert. Klar, kaufe ich immer noch bei Rewe Online ein, aber selbst das Verräumen der Ware in den Kühlschrank wäre eine unüberwindbare Herausforderung gewesen ohne Hände, da die quasi an meine Krücken gekettet waren. Umso glücklicher war ich deshalb darüber, dass meine Mutter zu Besuch kam und mich zwei Wochen mit feinster bosnischer Küche versorgte. Mein Leben bestand in dieser Zeit also aus schlafen, essen, auf der Couch liegen, essen, auf dem Bett liegen, essen und schlafen. Für manch einen ein Traum, für mich bereits nach drei Tagen die Hölle. Jeder Bewegungs-Junkie wird verstehen, dass ein solches Leben eine Qual ist. Besonders, wenn sich das Knie so anfühlt, als würde es nie wieder normal funktionieren.

Deana mit ihrer Stilllegungsschiene

Freude bereiteten mir in dieser Zeit nicht nur die vielen Freunde, die mich keinen Abend allein ließen – wobei ich immer noch glaube, dass sie teilweise lediglich aufgrund der guten Küche meiner Mutter kamen – sondern auch die vielen Blumen, die sie mitbrachten. Zeitweise sah das Wohnzimmer wie ein Blumenladen aus. Wäre ich besser zu Fuß gewesen, hätte ich den Bund Tulpen am U-Bahneingang für je drei Euro verkauft. Unangenehm wurde die Sache mit den Blumen nur, als es eines Morgens um 7.30 Uhr an der Tür klingelte, während meine Mutter noch schlief. In Unterhose – es ist sehr schwierig, etwas kurzfristig Passendens zu finden, das über die Schiene passt – öffnete ich die Türe, wo mich bereits ein kleiner Blumenlieferant mit einem riesigen Blumenstrauß begrüßte. Leider bezweifle ich, dass er mir glaubte, dass ich Gäste normalerweise nicht in Unterhosen begrüße.

Wenn die Narbenbehandlung zur Tortur wird

Doch zurück zum Knie. Falls Sie, liebe Leserinnen und Leser, nach einer Operation von ihrem Physiotherapeutin mitgeteilt bekommen, dass die Narben auch behandelt werden müssen, dann rennen Sie so schnell sie können und falls sie können, weg. Was klingt, als würde jemand mit einer Feder über frisch zusammengenähtes Fleisch streicheln, bedeutet in Wahrheit das Auseinanderreißen der neuen Narben – immer und immer wieder. Ja, auch ich fragte mich nach mehreren Schweiß- und Panikanfällen nach dem Sinn dieser körperlichen Tortur, doch wie mir nun mehrfach bestätigt wurde, muss das so sein. Damit soll nicht nur verhindert werden, dass die Narbe von innen zu stark vernarbt, sondern auch gewährleistet werden, dass die Beweglichkeit an den betroffenen Stellen wieder hergestellt wird. Und das Schlimmste daran: Je mehr man jeden Abend selbst die Wunden auseinanderreißt, desto weniger müssen die brutalen Physiotherapeuten ran. Das Fädenziehen war im Gegensatz dazu definitiv Kindergarten und gar keiner weiteren Erwähnung wert.

Kürzlich traf ich einen Bekannten an der U-Bahnstation, der mir Mut machte und sagte, dass ich bald wieder durch Berlin springen würde. Und Narben seien ja sowieso interessant und erzählten stets eine Geschichte. Ich nickte stumm und überlegte mir im Kopf die Geschichte zu meinen Narben. Sie lautet wie folgt: Sie sprang. Ende.

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Sämtliche Beiträge aus Deana Mrkajas Tagebuch des Kreuzbandrisses finden Sie hier.