Lamya Kaddor hat sich an einer Kritik der muslimischen Judenfeindschaft versucht. Das ging schief.

Bei einem Kaffee Hafuch und etwas Spritzgebäck verriet mir vor einigen Jahren Dan Shechtman die Essenz des israelischen Wirtschaftsaufschwungs: „Wir Israelis sind ein furchtloses Volk“, sagte der Chemiker damals. „Deshalb sind wir erfolgreich in den Wissenschaften, und deshalb werden in diesem Land auch so viele Unternehmen gegründet. Die Furcht vor dem Scheitern, die Furcht davor, eine Schande für sich selbst und die Familie zu sein, gibt es bei uns nicht.“ Wer es in Israel versaue, sagte der Nobelpreisträger, sei ein bisschen schlauer und fange noch mal von vorne an.

Ob Lamya Kaddor schon einmal in Israel war, weiß ich nicht. Die furchtlose Mentalität aber teilt die deutsche Muslima mit den Israelis. Denn auch sie hat schon mal etwas versaut und hat sich anschließend vom Scheitern nicht beirren lassen. Vor vielen Jahren war das, Kaddor unterrichtete damals in einer Hauptschule in Dinslaken Islamkunde. Ihr Versuch, die Schüler ihre Klasse zu friedliebenden Mitbürgern zu erziehen, ging in einigen Fällen schief: Fünf von ihnen zogen in den Dschihad nach Syrien.

Diese „bedingte“ persönliche Niederlage hielt Kaddor nicht davon ab, Karriere als Integrations-Expertin zu machen. Die Ahlenerin schrieb seither mehrere Bücher zum Thema und gehört in den einschlägigen Talkshows seit Jahren zum festen Inventar. Dass Kaddor aber vor allem darin gut ist, Probleme in der muslimischen Community zu verharmlosen und abzuwiegeln, beweist ein Gastbeitrag von ihr in der „Jüdischen Allgemeinen“.

Eine traurige Realität

Dabei fängt er vielversprechend an: Muslimischer Antisemitismus sei „traurige Realität in Deutschland“, stellt sie gleich mit dem Eingangssatz fest. So weit, so schön. Was folgt ist aber leider keine Abrechnung mit weit verbreiteten antisemitischen Feindbildern in der muslimischen Community.

Zwar weist die Islamwissenschaftlerin drauf hin, dass sich im Koran Verse finden, in denen Juden als „Affen“ und „Schweine“ abgewertet werden. Antisemitismus will sie in diesen Abwertungen allerdings nur bedingt erkennen. „Man könnte diese Koranverse für eindeutig antijüdisch halten“, schreibt sie und lässt ihre Leser gleich im nächsten Satz wissen, dass diese Eindeutigkeit nicht gegeben sei.

Denn lese man den Satz im richtigen Kontext, werde deutlich, dass „nur“ eine bestimmte Gruppe von Juden mit den Beschimpfungen gemeint sei: „Es geht um jene Juden, die gegen den Schabbat verstoßen und damit als Gesetzesbrecher im Koran in Erscheinung treten.“ Nach dieser Lesart (und Kaddor verkauft sie als einzig „legitime“) müssen also lediglich die säkularen Juden dieser Welt den heiligen Zorn Allahs fürchten.

Antisemitismus-Vorwurf als Selbstschutz

Doch Kaddor geht noch einen Schritt weiter: Dass der Antisemitismus heute im Nahen Osten weit verbreitet sei, liege vor allem am Nahostkonflikt, weiß sie zu berichten. Und darf damit in der „Jüdischen Allgemeinen“ ein altbekanntes, antisemitisches Klischee aufwärmen, wonach die Juden am Judenhass selbst schuld sind.

Überhaupt werde muslimischer Antisemitismus in diesen Tagen „allzu leicht“ zum Thema gemacht, gibt sich Kaddor überzeugt. Der Fingerzeig auf Muslime bietet „rechtskonservativen Kreisen“ die Chance, die „Last“ des Nationalsozialismus ein wenig von den Deutschen zu nehmen, schreibt sie.

Die Moral von der Geschicht’: muslimischen Antisemitismus gibt es (fast) nicht. Und wenn es ihn doch gibt, wahlweise deshalb, weil ihn die Juden provoziert haben oder rechtskonservative Kreise ihn instrumentalisieren. Oy vey.

 

Salonkolumnist David Harnasch hat sich schon vor fast zehn Jahren mit Frau Kaddor auseinandergesetzt: