Rheinland-Pfalz will seinen Pressedienst zu einem Newsroom ausbauen und sich künftig direkt an die Bürger wenden. Die Reichweite der klassischen Medien hält die regierende Ampelkoalition für nicht mehr ausreichend. Das ist eine gefährliche Entwicklung.

Wenn alles gut läuft, ist das Verhältnis zwischen Politikern und Journalisten schlecht. Die einen sind davon überzeugt, getreu ihres Amtseides im Schweiße ihres Angesichts dem Wohle des Volkes zu dienen, seinen Nutzen zu mehren und Schaden von ihm zu wenden. Die anderen mühen sich Tag und Nacht, Belege zu finden, dass dem nicht so ist, Versäumnisse aufzuzeigen und Fehltritte zu beweisen.

Ob Bund, Land oder Stadt: Viele Politiker fühlen sich von Journalisten nicht gerecht behandelt, zu kleinkariert kritisiert und ohnehin seien die meisten ja nicht nur parteiisch, sondern, was zumeist als deutlich schlimmer angesehen wird, auch noch für die Falschen.

60 Jahre nachdem der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) mit dem Versuch scheiterte, ein regierungsnahes und bundesweites Fernsehprogramm zu installieren, wittert die Politik nun Morgenluft. Es hat ein wenig gedauert, aber gut ein Vierteljahrhundert nach dem Beginn des Siegeszugs des Internets wird der Politik immer bewusster, welche Chance sich ihr online bieten: Der direkte Kontakt mit den Bürgern an den Journalisten vorbei. Als erstes Bundesland wird nun das von SPD, Grünen und FDP gemeinsam regierte Rheinland-Pfalz seinen Pressedienst zu einem Newsroom umbauen. Herauskommen wird so etwas wie ein landeseigenes Online-Magazin in der Hand der Regierung.

In der Zeitschrift „Move-Moderne Verwaltung“ schrieb die rheinland-pfälzische Regierungssprecherin und ehemalige ARD-Journalistin Andrea Bähner im April: „Die Regierung ist verpflichtet, die Bürger über ihre Arbeit aufzuklären und darüber zu informieren, was im Land passiert. Ziel ist es, möglichst viele Menschen zu erreichen.“ Die Landesregierung Rheinland-Pfalz werde daher ihren Landespressedienst zu einem Mediendienst umbauen, in dem alle Informationen und relevanten Themen der Landesregierung gebündelt, vernetzt und analysiert werden. Weiter heißt es:

„Laut aktueller ARD/ZDF-Online-Studie sind über 90 Prozent aller Menschen ab 14 Jahren im deutschsprachigen Raum online – Tendenz steigend. Noch stärker nimmt die Zahl der täglichen Internet-Nutzer zu. Gleichzeitig sinkt die Versorgung durch klassische Medien. Das führt zu einer Zersplitterung der Medienkanäle. Auch Print-Medien folgen zunehmend digitalen Leitmedien und Social Media.“

Tageszeitungen verlieren Auflage

Ganz Unrecht hat Bähner nicht: Die Reichweite der gedruckten Tageszeitungen geht zurück. Bei der taz wird laut über das Ende der täglichen Druckausgabe nachgedacht, ein Traditionshaus wie DuMont („Kölner Stadt-Anzeiger“, „Express“) will sich komplett von seinen Zeitungen trennen und bei der in Essen ansässigen Funke-Mediengruppe rechnet man nach einem Bericht des Branchendienstes „Kress“ damit, dass die NRW-Titel wie „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“, „Westfalenpost“ und „Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung“ ab 2021 keine Aussichten mehr haben, schwarze Zahlen zu schreiben. Seit 1991 halbierte sich die verkaufte Auflage der Tageszeitungen in Deutschland fast von 27,3 auf 14,1 Millionen Exemplare. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen.

Doch ein Rückgang der verkaufen Auflage von Zeitungen bedeutet nicht ein Rückgang der Reichweite der Angebote der freien Medienhäuser: 15,45 Millionen Menschen erreichte die kränkelnde Funke-Mediengruppe im März 2018 online allein in NRW. Auch „Bild“ (25,18 Millionen), „Focus Online“ (23,52 Millionen), „Spiegel Online“ (22,29 Millionen), „Welt“ (21,51), „Süddeutsche“ (12,89) und FAZ (11,7) fanden im selben Monat im Internet ein zweistelliges Millionenpublikum.

Was die Akzeptanz der Leser betrifft, haben die Verlage kein Problem. Ihr Problem ist, dass es noch kein Geschäftsmodell gibt, das die Verluste durch den Wegfall der verkauften Zeitungen und den Rückgang der Werbeeinnahmen online ausgleichen kann. Dass öffentlich-rechtliche Angebote, die sich über ihre Finanzierung dank der Haushaltsabgabe keine Gedanken machen müssen, den Verlagen zum Teil mit kostenlosen Angeboten bis auf die lokale Ebene hinunter Konkurrenz machen, verschärft die Lage der Verlage noch.

Wenn nun mit dem Land Rheinland-Pfalz der Staat direkt beginnt, mit einem als Medium kaschierten PR-Angebot den Druck auf die freien Medien weiter zu erhöhen, ist das kein gutes Zeichen für die Zukunft der Pressefreiheit. Hinzu kommt. Das Land ist medienpolitisch ist es ein Schwergewicht. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) ist Vorsitzende des Verwaltungsrates des ZDF und Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, dem Gremium, in dem die Medienpolitik vorgedacht und vorentschieden wird. Dem Weg, den Rheinland-Pfalz beschreitet, könnten andere Länder und Städte schon bald folgen.

Staatsferne ist zu beachten

Sie haben dabei allerdings die vom Bundesgerichtshof (BGH) gesetzten Grenzen zu befolgen. Der untersagte nach einer Klage der „Südwest-Presse“ in seinem Urteil vom 20. Dezember 2018 der Stadt Crailsheim, sein Gemeindeblatt wie ein Magazin aufzumachen. Staatliche Publikationen, schrieb der BGH in einer Pressemitteilung zu dem Urteil, müssen demnach eindeutig – auch hinsichtlich Illustration und Layout – als solche erkennbar sein und sich auf Sachinformationen beschränken. „Unzulässig ist eine pressemäßige Berichterstattung über das gesellschaftliche Leben in der Gemeinde; dieser Bereich ist originäre Aufgabe der lokalen Presse und nicht des Staates. (…) Je stärker die kommunale Publikation den Bereich der ohne weiteres zulässigen Berichterstattung überschreitet und bei den angesprochenen Verkehrskreisen – auch optisch – als funktionales Äquivalent zu einer privaten Zeitung wirkt, desto eher ist das Gebot der Staatsferne der Presse verletzt.“

Ein Gericht wird außerdem entscheiden, ob die Stadt Dortmund künftig keine Werbung mehr auf ihrer nachrichtenlastigen Homepage veröffentlichen darf. Der Lensing-Verlag, der die „Ruhr Nachrichten“ herausgibt, hat die Ruhrgebietsstadt verklagt. Setzt er sich nicht durch, könnten staatsnahe und staatliche Unternehmen bald mit bunten Bannern mehr oder weniger freiwillig die Seiten ihrer Besitzer finanzieren. Geld, das anderen Medien fehlen wird und zu einer Wettbewerbsverzerrung führt.

Aber auch ganz ohne bunte Berichte aus dem Leben in Stadt und Land verfügt der Staat allein über die von seinen Pressestellen schon heute bereitgestellten Informationen über eine große Auswahl an Themen, die vom Polizeibericht über Meldungen aus dem Zoo bis Kulturtermine reichen. Werden sie einfach nur gebündelt, stellen sie ein kostenloses Angebot dar, gegen das die zusammengesparten Redaktionen gerade in den Städten schwer ankommen. Wenn der Staat online als Konkurrent zu den freien Medien auftritt, verringert er ihre Möglichkeiten, im Internet wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Doch der Wunsch mancher Politiker, an kritischen Journalisten vorbei die gewünschten Botschaften an die Bürger zu bringen, könnte sich schnell als Albtraum erweisen. Die Glaubwürdigkeit solcher staatlichen Angebote wird gering sein. Und wenn freie Medien mit professionellen Journalisten in diesem verzerrten Wettbewerb unterliegen, werden andere an ihre Stelle treten.