Der frisch erschienene Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes malt ein düsteres Bild Deutschlands: Noch nie seit der Wiedervereinigung sei die Armut so groß gewesen. Die wirklichen Probleme werden indes ignoriert.

Armut ist in Deutschland eine relative Sache. Arm ist, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens verdient, also als Single weniger als 917,00 Euro netto im Monat. Bei Alleinerziehenden mit einem Kind unter sechs Jahren sind es 1.192,00 Euro und bei einer Familie mit zwei Kindern je nach deren Alter zwischen 1.978,00 und 2.355,00 Euro netto. Das ist nicht viel Geld, und doch ist dieses Verfahren Armut zu bestimmen aus guten Gründen umstritten. Denn nach dieser Logik wären die Menschen in Nordkorea weniger arm als in der Bundesrepublik, weil das mittlere Einkommen in der sozialistischen Erbmonarchie, viele sind bettelarm, eine kleine Schicht sehr reich, niedrig sein dürfte und nur wenige Menschen ein Einkommen unterhalb des Durchschnitts haben werden. Und wer so Armut beschreibt, kennt nur eine Lösung: Einkommensunterschiede abbauen. Und so wundert es nicht, dass schon nach dem Vorwort des Armutsberichts auf die Internetseite des Bündnisses „Reichtum umverteilen“ verwiesen wird.

Zu dem gehören viele Gruppen, deren wirtschaftlichen Sachverstand man mit dem Wort „überschaubar“ noch zurückhaltend beschreiben muss: Die Jugend des Naturschutzverbandes BUND ist ebenso dabei wie die Globalisierungsgegner von Attac und das „Institut Solidarische Moderne“, ein Think-Tank, der von einer rot-rot-grünen Republik träumt. Dort wird erklärt, wie man Armut am besten abbaut: „Wir können ein besseres und gerechteres Land für alle schaffen, die hier leben. In Deutschland gibt es so viel Reichtum wie nie zuvor, wir müssen ihn endlich vernünftig verteilen und gerecht einsetzen.“

Armut ist real

Der ideologische Armutsbegriff, der nur auf Umverteilung setzt und Gleichheit als Ideal beschreibt, hat mehrere ganz praktische Probleme: Er setzt außerhalb seiner ideologischen Grundvoraussetzung keine Maßstäbe, nach denen Armut bekämpft und der Erfolg von Armutsbekämpfung gemessen werden kann. Und er missachtet durch den festen Glauben, dass der „Kuchen“ nicht größer, sondern nur noch anders verteilt werden kann, dass Wirtschaftswachstum zu allen Zeiten noch das beste Mittel war, um Armut zu bekämpfen.

Man kann nicht bestreiten, dass es in Deutschland Armut gibt. Und sie ist real und nicht relativ. Tausende Zuwanderer aus Südosteuropa haben keine Krankenversicherungen. Sie werden oft nur notdürftig versorgt. Immer wieder erkranken ihre Kinder wie jüngst in Duisburg an Masern und das nicht, weil die Eltern aus ökobourgeoiser Dummheit gegen Impfungen sind, sondern weil sie nicht versichert sind und kein Geld haben, ihre Kinder impfen zu lassen.

Viele Menschen wohnen in sogenannten Schrottimmobilien, zahlen für einen Matratzenplatz in einer Wohnung ohne Heizung und Bad mehrere hundert Euro im Monat oder leben im Häusern, die so heruntergekommen sind, dass in ihnen zu wohnen eine Gefahr für Leib und Leben darstellt.

Die Mieten in den meisten Großstädten sind in den vergangenen Jahren so stark gestiegen, dass es für Familien mit Kindern schwer geworden ist, in Frankfurt, Köln oder München eine bezahlbare Wohnung zu finden. Die Folgen der energetischen Sanierung, die sich vor allem in höheren Mieten und nicht in sinkenden Energiekosten zeigen, verschärfen die Lage auf dem Wohnungsmarkt für einkommensschwache Gruppen weiter.

Umverteilungsprogramm Energiewende

Die Energiewende hat sich als ein großes Umverteilungsprogramm erwiesen: Wer Geld hat, investiert in die hochsubventionierten erneuerbaren Energien, wer kein Geld hat, leidet unter den gestiegenen Energiepreisen. Energiearmut ist längst kein Randphänomen mehr. In mehr als 330.000 Wohnungen wurde im vergangenen Jahr der Strom abgestellt, weil die Bewohner ihre Rechnungen nicht mehr zahlen konnten.

Durch die drohenden Verbote von Diesel-PKW, den klassischen Pendlerautos, werden viele Menschen mit kleineren und mittleren Einkommen nicht nur durch den Wertverlust ihrer Fahrzeuge enteignet, sie werden auch gezwungen, Geld für neue Fahrzeuge aufzubringen, das sie eventuell nicht haben.

Und der ideologische Kampf der Politik gegen die Automobilindustrie, neben dem Maschinenbau einer der wenigen Wirtschaftszweige, in denen Deutschland noch international wettbewerbsfähig ist und an dem jeder zehnte Job in diesem Land hängt, könnte schon bald den Verlust hunderttausender Arbeitsplätze zu Folge haben.

Es gibt also genug zu tun, wenn man sich in Deutschland mit der vorhandenen und der drohenden Armut beschäftigen mag.

Jobgefährdende Öko-Ideologie

Nur wenn man dies tut, kommt man schnell zu dem Schluss, dass nicht in der Umverteilung die Lösung liegt. Man müsste sich gegen eine wachstums- und jobgefährdende Öko-Ideologie stellen, sich dafür einsetzen, dass jeder in diesem Land ärztlich behandelt wird und kein Kind nicht mehr geimpft wird, weil die Eltern kein Geld haben. Eine solche Politik gegen Armut würde sich für mehr Wohnungsbau einsetzen und gegen die Mietpreistreiberei durch energetische Sanierung. Sie würde sich gegen die Energiewende aussprechen, weil sie das größte finanzielle Umverteilungsprogramm von unten nach oben seit Bestehen der Bundesrepublik ist. Und sie würde sich für Wirtschaftswachstum einsetzen – auch gegen die Befindlichkeiten einer immer hysterischeren Öko-Bourgeoisie.

Wer gegen Armut kämpft, muss überprüfbare, praktische Forderungen stellen: Jedes Flüchtlingskind hat ein Recht, die Schule zu besuchen. Oft gibt es jedoch keine Schulplätze. Kein Mensch sollte in einem verschimmelten Haus auf einem Matratzenlager leben müssen. Es gibt viele dieser Forderungen und sie sind einfach zu stellen und praktisch zu lösen. Mit der Ideologie des Armutsberichts wird keines dieser Probleme angepackt.