Die Juden, wir ahnten es ja schon lange, die Juden sind an allem schuld. Na ja, an fast allem. Für rechtsradikale oder faschistische Neigungen waren sie bisher nicht so recht haftbar zu machen. Aber was nicht war, das konnte jetzt doch noch werden, der ARD und ihrer Dokumentarfilm-Abteilung sei Dank.

„Holland in Not – Wer ist Geert Wilders?“ heißt das Werk, dem die Quadratur des Kreises gelingt. Der niederländische Filmemacher  Joost van der Valk zeigt, so die Eigenwerbung der ARD, „wer dieser Wilders ist, wer ihn wählt und wer ihn unterstützt. Zu Wort kommen“, so der Text auf programm.ard.de,  „aber auch seine Kritiker, darunter ehemalige Parteifreunde und, natürlich, Muslime“.

Islamischer Hassprediger als Kronzeuge

So weit, so harmlos. Scheinbar. Und so scheinbar harmlos wie sein Introtext beginnt auch der 44-minütige Beitrag. Er schildert Wilders‘ Aufstieg, Wesen, Werte – und die Beweggründe seiner Wähler. Alles vorgeblich sachlich und plausibel – bis ein seltsamer Zeuge ins Bild kommt, Scheich Khalid Yasin. Er wird als „muslimischer Lehrer“ vorgestellt. „Extrem beliebt ist der Amerikaner bei jungen europäischen Muslimen. Er setzt sich gegen radikale Ideen ein“, so die Stimme aus dem Off. So weit, so gut? Nein. Denn der Konvertit, als Christ in Harlem geboren, zählt zu allem, aber gewiss nicht zu den besonnenen, sanften Vertretern seines Glaubens. Der australische Sender „Channel Nine“ bezeichnete Yasin in einem Beitrag als „einen charismatischen Prediger, der die Herzen und Gemüter junger australischer Muslime mit einer radikalen Mischung aus Verständnis für Terrorismus, antiwestlichen Verschwörungstheorien und radikaler Homophobie erobert“.

Antisemitische Schmierenkomödie

Ein wahrhaft großartiger Gewährsmann gegen radikales Gedankengut, den van der Valk da präsentiert. Und spätestens hier, ab Minute 13, kippt der Film, der als Dokumentation begann, in Denunziation. Geert Wilders ist wahrlich niemand, der es verdiente, ihm zur Seite zu springen, aber die dramaturgische Idee, einen radikalen Muslimgegner und Rechtsaußenpolitiker von einem islamischen Hassprediger denunzieren zu lassen, mag auf die Bühne eines  Landestheaters passen – sie passt gewiss nicht in einen öffentlich-rechtlichen Dokumentarfilm. Doch es kommt noch viel schlimmer. Aus dem dramaturgischen Konzept für ein provinzielles Theaterexperiment wird eine antisemitische Schmierenkomödie, der es gelingt, „die Juden“ auch für einen der schlimmsten Auswüchse rechtspopulistischer europäischer Politik verantwortlich zu machen. Denn Geert Wilders Aufstieg, so lernen wir, wird von radikalen Juden flankiert, finanziert und ideologisch gesteuert. Und von einem Aufenthalt in einem Moschav als Jugendlicher. Was an der landwirtschaftlichen Kooperative in Israel so dämonisch gewesen sein mag, dass es den Politiker Wilders hervorgebracht hat, weiß wahrscheinlich nur Scheich Yasin. Weswegen er auch ausführlich nochmals zu Wort kommt. Garniert werden seine Aussagen durch schockierende Enthüllungen aus dem Leben Wilders‘: Er habe sogar eine Weile „im Heiligen Land“ gelebt, man sieht ein Bild von Wilders an der Klagemauer, und er habe Zugang zu einigen der führenden Politiker des Landes … Ojojoj … Zudem habe er eine jüdische Großmutter und eine jüdische Frau. Und noch schlimmer: Er sei sogar wegen der Häufigkeit seiner Besuche im israelischen Konsulat in Den Haag zeitweise vom niederländischen Sicherheitsdienst beobachtet worden.

Israelische Fahnen als visuelle Anklage

„Er benutzt den modernen Zionismus“, darf sich der Hassprediger ungehindert in dem aus Bürger-Gebühren finanzierten Film ergehen, nachdem Wilders suggestiv vor der israelischen Flagge gezeigt wurde, „um die gleichen Ansichten über Muslime und den Koran zu verbreiten, die sich Juden in Israel nicht trauen zu sagen“. Umschnitt – es weht eine israelische Flagge im Bild. „Aber Herr Wilders kann ihnen einen Gefallen tun. Er kann außerhalb Israels die Palästinenser so charakterisieren, wie es die Zionisten tun, um ihre Macht zu rechtfertigen. Herr Wilders kann den Islam auf die gleiche Weise beschreiben.“ Wieder israelische Flaggen im Bild. Dazu die Stimme aus dem Off: „Van der Valk will mehr darüber wissen, welchen Einfluss Israel auf Wilders hatte und beschließt, dorthin zu reisen.“

Rechtsradikaler Jude als glaubwürdige Quelle

Israelischer Einfluss, Nähe zu Juden – wir dürfen verblüfft zur Kenntnis nehmen, dass das Judentum offensichtlich Europas Rechtsaußen fördert und nährt. Na ja, nicht das Judentum an sich, sondern so Leute wie Victor Vancier, besser bekannt unter seinem Kampfnamen Chaim Ben Pesach. Der rechtsradikale Amerikaner und Gründer der Jewish Task Force darf öffentlich-rechtlich seiner Bewunderung für Wilders Ausdruck verleihen. Unerwähnt lässt der Film im Interview mit diesem Sektierer allerdings die Tatsache, dass Vancier wegen terroristischer Umtriebe nicht nach Israel reisen darf. Stattdessen wird der Wirrkopf zum Kronzeugen von van der Valks These, dass die Juden und Israel Wilders an die Macht gebracht haben beziehungsweise dort halten wollen.

Es hat in der jüngeren Vergangenheit einige widerwärtige antisemitisch-antiisraelische Ergüsse bei ARD, ZDF und anderen Öffentlich-Rechtlichen gegeben, diese Produktion allerdings ist der Gipfel der Perfidie. Perfide, weil sie geschickt suggeriert, dass die Juden und die Israelis doch in Wahrheit auch Faschisten seien – im Subtext schwingt stets der arme Palästinenser mit. Und weil sie Faschisten sind und jeder Muslim rein und edel, sorgen die bösen Juden dafür, dass ein blonder Shylock Hollands unschuldige muslimische Bürger unterdrückt und in einen Ethnokrieg hetzt. Was dieser ekelhafte Propagandafilm soll, erschließt sich nicht – außer vielleicht eben doch das Unvermeidliche zu untermauern: die Juden sind an allem schuld – auch an Geert Wilders!