Atomkraft? Ja bitte! Und ganz schnell!
Ausgerechnet die Grünen – wer sonst? – werden den nuklearen Wiedereinstieg wagen. Fürs Land und die Umwelt wäre es ein Segen.
Nun haben wir es also quasi amtlich: Wir stecken circa knietief in der Katastrophe. 2018 waren die Kohlendioxid-Emissionen so hoch wie nie zuvor in der Geschichte. Wir heizen unsere schöne Erde immer mehr auf, und die Folgen sind schon jetzt zu spüren – Waldbrände, die Kalifornien verwüsten, nassere und stärkere Wirbelstürme in der Karibik, Klimaflüchtlinge aus Mittelamerika. Wenn es so weitergeht, wird mein kleiner Sohn die Folgen ausbaden müssen, wenn ich schon längst bequem unter der Erde liege.
Allerdings weigere ich mich entschieden, mich endzeitlichen Ängsten hinzugeben. Dies ist im Kern ein technisches Problem: Wie erzeugen wir genug Strom, um unsere Zivilisation am Laufen zu halten, ohne CO2 in die Luft zu blasen? Und mit technischen Mitteln kann es am Ende auch gelöst werden.
Darum möchte ich hier einen TED-Talk von Stewart Brand verlinken, dem großen alten Mann der grünen Bewegung. Er wurde 1938 geboren und zog als junger Mann nach Kalifornien –wohin auch sonst? In diesem Bundesstaat hat sich seit jeher der technische Fortschritt (Apple, Google, Facebook) mit dem utopischen Denken ein Stelldichein gegeben. Stewart Brand gab jahrelang den „Whole Earth Catalogue“ heraus, eine Zeitschrift, die es Kommunen erlauben sollte, zu einem ländlichen Lebensstil zurückzukehren. Und dann dachte er radikal um. Nicht, weil er sich von der Industrie hätte kaufen lassen; nicht, weil er sich vom Umweltschutz verabschieden wollte. Er war nicht zum Rechten geworden. Er leugnete den menschgemachten Klimawandel keineswegs. Im Gegenteil: Er sah, dass die Probleme viel drängender waren, als er und Seinesgleichen in den Sechziger- und Siebzigerjahren gedacht hatten.
Stewart Brand verbreitet in diesem Video vier „ökologische Häresien“:
Es sind diese: 1. Städte sind grün. 2. Atomkraft ist grün. 3. Genmanipulierte Nahrungsmittel sind grün. 4. Und es wird wahrscheinlich nötig sein, das Klima künstlich auf eine Betriebstemperatur herunterzukühlen, die Menschen zuträglich ist.
Ökos für Atomkraft
Um es ganz deutlich zu sagen: Das ist in den Vereinigten Staaten längst keine Minderheitenmeinung mehr. Es gibt eine beachtliche Pro-Atom-Fraktion der amerikanischen Ökobewegung. Hier ein Video von einem jüngeren Mann namens Michael Shellenberger – Nazis und Dummköpfe würden ihn vermutlich als „Gutmenschen“ titulieren –, der höchst unaufgeregt erklärt, warum er sich mittlerweile für Atomkraft einsetzt.
Als Zugabe ein weiterer TED-Talk von Stewart Brand, der womöglich noch ketzerischer ist als sein erster.
Stewart Brand spricht hier von der Möglichkeit, ausgestorbene Tierarten mittels Genmanipulation wieder zum Leben zu erwecken.
Diesem amerikanischen Grünen geht jeder irrationale Furor, jeder technologiefeindliche Eifer ab. Von ihm wird man keinen Unfug über die segensreichen Wirkungen der Homöopathie hören. Brand verbreitet auch keine menschenfeindliche Stimmung, wie sie im Gefolge der falschen Rechnung, die Thomas Malthus anno 1798 aufgemacht hat, leider immer noch das Denken vergiftet.
(Für Malthus waren Seuchen, Kriege, Hungersnöte die gerechten Strafen für liederlichen Lebenswandel: Sie stutzten die Menschheit durch massenhaften Tod wieder auf ihr normales Maß zurück. Schließlich, so rechnete Malthus vor, könne der Boden nur soundsoviele Leute ernähren, dann sei Schluss. Das Argument gegen diesen menschenfeindlichen Unsinn stammte vom Genossen Engels: Es gebe eine Ressource, die unbegrenzt wachse, und das sei das menschliche Wissen. Friedrich Engels hatte natürlich recht – alles Weitere siehe unter: Borlaug, Norman.)
Und damit komme ich zu den Grünen in Deutschland.
Die Grünen begannen ihre Karriere als Koalition von Deutschnationalen, verbiesterten Ex-Maoisten und Kinderschändern. Nachdem diese Partei sich über die Jahrzehnte mehrfach gehäutet hat, ist eine sehr respektable, bürgerliche (ich meine das selbstverständlich als Kompliment!), liberale Partei daraus geworden. Die Grünen haben dazu beigetragen, dass Deutschland heute ein ziemlich weltoffenes, modernes Land ist. Und jetzt – denke ich – könnten die Grünen die Avantgarde sein, die den nächsten Schritt vorbereitet.
Besser noch: Grüne für Atomkraft
Immerhin war es ein grüner Außenminister, der das Tabu brach, Deutschland dürfe sich nie wieder an Kriegseinsätzen beteiligen: Am Ende setzte sich das Argument durch, dass man Genozide nur stoppt, wenn man den Mördern mit Waffen in die Arme fällt – und dass das Blut von deutschen Soldaten nicht kostbarer ist als das Blut von Holländern, Briten, Franzosen, Polen oder anderen NATO-Mitgliedern. So könnte künftig ein grüner deutscher Energieminister – oder vielleicht sogar Bundeskanzler, wer weiß? – das irrationale Tabu brechen, das in Deutschland die Atomkraft umgibt.
Selbstverständlich müssen auch völlig neue Formen der Energieversorgung gefunden werden: Solarenergie der nächsten Generation, Fusionsreaktoren, was auch immer. Selbstverständlich wäre wunderbar, wenn in jeder Großstadt der Erde Batterien stünden, in denen Strom langfristig und in großen Mengen gespeichert werden könnte. Mit Gottes Hilfe wird es all das und noch mehr in dreißig, vierzig Jahren geben. Aber wir müssen jetzt handeln. Jetzt wird unsere Zukunft versaut. Und das heißt: Wir müssen auf der Stelle anfangen, Atomkraftwerke zu bauen.
Zum Glück bedeutet das nicht, dass wir zu den alten unförmigen Wasserkochern zurückkehren müssen. Thoriumreaktoren sind die Zukunft. Thomas Jam Peddersen aus Dänemark trägt äußerst merkwürdige Hosen; das soll keine Zuschauerin davon ablenken, dass der Mann Wichtiges zu sagen hat.
Deutschland ist vor knapp zwei Jahrzehnten aus der Atomenergie ausgestiegen. Darin könnte heute eine Chance liegen. Schließlich ist Deutschland seit jeher ein Land der Tüftler, der Bastler und Ingenieure gewesen: Warum steigt Deutschland nicht jetzt – unter grüner Federführung – in die avancierteste Form der Atomenergie ein? Thoriumreaktoren „made in Germany“ könnten zu den wichtigsten Exportartikeln des 21. Jahrhunderts gehören.
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