Der Breitbart-Boomerang
Ein „Fox-News“-Moderator stellt dem Republikaner-Kandidaten Roy Moore ein Ultimatum. Warum dies für die Gegner Donald Trumps eine gute Nachricht ist.
Sean Hannity wendet sich gegen Roy Moore. Am Dienstagabend stellte der erzkonservative amerikanische TV-Moderator dem Kandidaten der Republikaner ein Ultimatum: Binnen 24 Stunden solle Moore gegen ihn im Raum stehende Anschuldigungen und Ungereimtheiten, die sich aus früheren Stellungnahmen ergeben, aus der Welt schaffen.
Dem ehemaligen Richter wird vorgeworfen, in seinen Dreißigern mehrfach jugendliche Mädchen sexuell belästigt zu haben. Auch der Vorwurf einer versuchten Vergewaltigung steht im Raum. Moore, Kandidat der Trump-Partei für einen Sitz im US-Senat, bestreitet dies bislang – auch wenn die Indizienlage recht erdrückend ist. Immer mehr Republikaner wandten sich zuletzt von ihm ab, darunter der ehemalige republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney, der ihn „ungeeignet für das Amt“ nannte und dessen Rücktritt forderte.
Mit Zähnen und Klauen hatte Hannitys Mutterschiff Fox News bisher versucht, die vergilbte Cowboy-Weste des Evangelikalen reinzuwaschen. Noch immer dürfte Moore, der auf Wahlkampfveranstaltungen schon mal einen Revolver zieht, bei dem ehrenamtlichen Trump-Zentralorgan breite Unterstützung genießen. Doch mit Hannity bricht nun einer der hartnäckigsten Verehrer des US-Präsidenten weg, wenn es darum geht, das Offensichtliche zu leugnen. Und das dürfte weitreichende Folgen haben. Für die medial-radikale Pro-Trump-Front – und für Donald Trump selbst.
Zu den lautstärksten Unterstützern Roy Moores (und auch Trumps) gehört das ultrarechte Portal Breitbart News des ehemaligen White-House-Chefstrategen Stephen Bannon. Er und Breitbart hatten Moore in einer republikanischen Vorwahl gegen den Trump-Kandidaten Luther Strange favorisiert – und den Machtkampf gewonnen. Strange verlor, was eine herbe Niederlage für Donald Trump darstellte, hatte dieser doch immer wieder betont, nur das beste und erfolgreichste Personal zu erwählen und ständig zu „gewinnen“.
Ein Warnschuss ins Knie an „Amnesty Don“
Es war nicht das erste Mal, dass Breitbart gegenüber Trump die Muskeln spielen ließ. Vielen Beobachtern galt Trump seit jeher als ein stupider Erfüllungsgehilfe Bannons. Als Trump im September durchscheinen ließ, von einer zuvor angekündigten Abschiebung aller Kinder illegal eingereister Eltern abzurücken, wetzte Breitbart die Messer. „Amnesty Don“ war geboren und beherrschte als Schlagwort tagelang die Headlines des Propaganda-Portals. Du, so lautete die Message, bist ein Kandidat von Bannons Gnaden. Wirst du abtrünnig, lassen wir dich fallen.
Das ist keine leere Drohung. Zwar lehnt die Mehrheit der Amerikaner Trump ab. Die (spärliche) Basis seiner Unterstützer, darunter viele Breitbart-Fans, ist aber nach wie vor solide und lässt sich bisher von keinem noch so großen Skandal beirren (die Sache mit der Amnestie einmal weggelassen). Trump braucht sie. Dringend. Im Zuge der „Amnesty Don“-Kampagne fingen zahlreiche Menschen an, ihre roten „Make America Great Again“-Mützen zu verbrennen und Videos davon auf Twitter zu verbreiten.
Mit diesem Klientel dürfte es sich nun also auch der Fox-News-Mann Sean Hannity verscherzt haben. Die Attacken ließen kurz nach dessen Ultimatum an Roy Moore nicht lange auf sich warten. Ob er nun auch schon Teil des Washingtoner „Sumpfes“ sei, fragten einige, andere schworen, seine Sendung nie wieder einzuschalten. Er sei „voller Scheiße“. Auch Breitbart selbst dürfte die Attacke auf ihren Schützling nicht unbeantwortet lassen.
Womit wir bei Donald Trump wären.
Wenn Fox News von der amerikanischen Qualitätspresse treffenderweise als „quasi-staatlicher Sender“ bezeichnet wird, ist Hannity dessen Megaphon. Ein unterwürfigeres Verhalten als das, was Hannity Trump gegenüber zeigt, ist wohl nicht mal beim Verhältnis von Waylon Smithers zu seinem Chef Montgomery Burns von den Simpsons zu besichtigen.
Trump braucht den Moderatoren und dessen Haussender, um seinen nicht enden wollenden Schwall an Unwahrheiten, Skandalen und Verfehlungen in Erfolge umzulügen. Er kann es sich schlicht nicht leisten, nun in Sachen Moore, den er nach dessen Wahl selbst über den grünen Klee gelobt hatte, mit Fox zu brechen. Einerseits.
Die „Die-Hard-Trumpisten“ werden sich entscheiden müssen
Andererseits darf er – wir erinnern uns an „Amnesty Don“ – auch gegenüber Breitbart nicht allzu frech werden. Er kann nicht vor und nicht zurück, so scheint es. Vielleicht auch deshalb hat er sich in das Lager der „If true“-Strategen begeben. Stimmten die Anschuldigungen der Frauen, Roy Moore habe sie sexuell belästigt, so solle er zurücktreten, ist sein Credo.
Das ist eine bequeme Position: Einhundertprozentig beweisen lassen sich Ereignisse, die vor über 30 Jahren abseits aller Öffentlichkeit stattgefunden haben sollen, natürlich kaum. Wenn Trump klug ist, sitzt er die Sache aus. Das Wort „wenn“ spielt hier allerdings eine entscheidende Rolle. Die Klappe konnte er noch nie so recht halten, wenn es geboten war. Der Breitbart-Boomerang zieht bedrohliche Kreise. Wenn er trifft, wird es hässlich.
Als positiven Nebeneffekt lässt sich indes notieren, dass sich die beiden reichweitenstärksten Pro-Trump-Medien im Zuge der Moore-Affäre gegenseitig in einem Stellungskrieg aufreiben könnten. Die „Die-Hard-Trumpisten“ werden sich wohl bald für eine Seite entscheiden müssen, was ihre politische Macht schmälern wird. Für alle Gegner regierungstreuer Fake-News und des, man fasst es immer noch nicht ganz, 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald J. Trump, ist das eine gute Nachricht.