Der niederländische Dokumentarfilmer Marijn Poels hat sich ein heißes Thema vorgenommen: Wie verändert die Energiewende die Landwirtschaft? Sein Film „The Uncertainty Has Settled“ wird derzeit auch in deutschen Programmkinos gezeigt. Michael Miersch hat mit ihm gesprochen.

Michael Miersch: Wie sind Sie auf das Thema Landwirtschaft und Energiewende gestoßen?

Marijn Poels: Immer, wenn ich meine Schwiegereltern in ihrem kleinen Dorf in Sachsen-Anhalt besuchte, habe ich mich über die 38 Windkraftanlagen geärgert, die am Ortsrand stehen. Zwei Kilometer weiter steht bereits der nächste Windpark. Jeder Bauer will einen Windpark auf seinem Land haben, weil die Anlagen üppig subventioniert werden und die Pacht attraktiv ist. Gleichzeitig wird es für die Bauern immer schwieriger, durch die Produktion von Lebensmitteln genügend Einkommen zu erwirtschaften. Die strengen europäischen Auflagen erschweren ihnen die Arbeit immer mehr. Die Subventionen für Windkraft und Energiepflanzen sind im Grunde Agrarsubventionen. Ob sie das Klima retten, ist fraglich. So führt die Energiepolitik dazu, dass statt Kartoffeln Energiemais und Raps angebaut werden. Diese Monokulturen verdrängen die Nahrungsmittel und zerstören die Natur. Ich sah, wie sich eine ländliche Gegend rapide veränderte und fing an Fragen zu stellen.

Warum haben Sie es nicht beim Wandel in der Landwirtschaft belassen und stattdessen entschieden, das Thema Klimawandel in den Film mit aufzunehmen?

Wegen dieser engen Verbindung zwischen Landwirtschaft und Energiepolitik. Ich wollte wissen, ob die deutsche Energiepolitik tatsächlich eine nachhaltige Lösung für die Existenzprobleme der Bauern bietet. Wenn man das herausfinden will, muss man einen Blick auf das wissenschaftliche Fundament werfen, um es zu verstehen. Klar, die Medien schreiben täglich über globale Erwärmung. Aber als Dokumentarfilmer möchte ich den Dingen selbst auf den Grund gehen.

War Ihnen klar, dass Sie sich damit auf „vermintes Terrain“ begeben?

Genau das ist es, was mich ärgert. Er wird behauptet, es sei eine wissenschaftliche Tatsache, dass eine massive globale Erwärmung mit katastrophalen Folgen auf die Menschheit zukomme. Doch es ist eine Theorie. Wissenschaftliche Theorien müssen sich gefallen lassen, herausgefordert und diskutiert zu werden. Wer die Mehrheitsmeinung der Forscher heilig spricht, stoppt die Erkenntnis. Die meisten Wissenschaftler sind sich dessen bewusst. Politiker und Lobbyisten versuchen jedoch, mit selektiver Wissenschaft ihre eigene Agenda zu propagieren. Das ist besorgniserregend. Wer von der vorherrschenden Sichtweise abweicht, wird verteufelt und Klimaskeptiker genannt. Wir vergessen, dass Wissenschaft nur besteht, wann man skeptisch bleibt. Egal welches Thema, für Demokratien sind offene Debatten lebensnotwendig. Es gibt zu viele absolute Wahrheiten und zu wenig Differenziertheit, zu wenige Nuancen. Ich komme aus der Linken. Wenn aus Profitgründen Menschen und Natur geschädigt werden, fühle ich mich verpflichtet, der Sache auf den Grund zu gehen.

In Ihrem Film kommen zwei Wissenschaftler zu Wort, die Minderheitenmeinungen vertreten und einer, der zwar zur Mehrheit gehört, jedoch die apokalyptischen Prognosen des Potsdam-Instituts kritisiert. Vermittelt das nicht ein falsches Bild?

In dem Film wird klar gesagt, dass 97 Prozent der Wissenschaft davon überzeugt sind, dass menschgemachtes CO2 die Erderwärmung verursacht. Obwohl ich mittlerweile nicht mehr sicher bin, ob diese 97 Prozent auf einer seriösen Erhebung beruhen. Außerdem habe ich Probleme mit der Konstruktion eines wissenschaftlichen Konsenses. Wissenschaft basiert nicht auf Stimmabgabe. Messungen, Beobachtung und experimentelle Beweise zählen. In der Minderheit zu sein, bedeutet nicht unbedingt, dass man falsch liegt. Die Welt braucht Ketzer.

Viele Klimawissenschaftler habe es abgelehnt, Ihnen ein interview zu geben. Aus welchen Gründen?

Als erstes habe ich das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung angeschrieben. Professor Schellnhuber war nicht zu einem Gespräch bereit. Er schickte mir mit der Absage einen PDF-Anhang, wie Medien mit Klimaskeptikern umgehen müssen. Danach habe ich 52 andere Klimaforscher angeschrieben. Nur zwei davon wollten mir ein Interview geben. Ich finde das erstaunlich. Warum haben angesehene Wissenschaftler Angst vor einem Journalisten?

Andererseits haben Sie auch manche Interviews nicht in Ihren Film aufgenommen. Warum?

Ich mache immer gerne so viele Interviews wie möglich, damit ich aus dem Rohmaterial den inhaltlichen Kern herausschälen kann. Bei manchen Interviewpartnern spürt man schnell eine versteckte Agenda ideologischer oder ökonomischer Natur. Solche Gespräche sind wertvoll für meine Erkenntnisse aber nicht für einen Film.

Hat Sie einer der Wissenschaftler überzeugt? Oder sind Sie immer noch so ratlos, wie Sie sich selbst im Film darstellen?

Das ist schwer zu sagen. Ich bin einfach kein Wissenschaftler und kann das CO2 selbst nicht messen, sehen oder spüren. Auch kann ich den Einfluss des von Menschen gemachten CO2 nicht beurteilen. Dem Laien bleibt nichts anderes übrig, als den Wissenschaftlern zu vertrauen. Ich nehme das Interview mit Freeman Dyson sehr ernst. Aus meiner Sicht ist er ein Realist, der sich nicht verliert in computerbasierten Modellen und der ganzheitlich denken kann. Von ihm habe ich gelernt, solange skeptisch gegenüber Theorien und Computermodellen zu sein, bis die konkrete Messung oder Beobachtung das Modell bestätigt. Die Beobachtung des Klimawandels zeigen im Gegensatz zu den Computermodellen bisher keine Apokalypse.

Warum haben Sie entschieden, am Schluss noch eine ganz wilde These mit aufzunehmen, die vom abiotischen Erdöl. Die Minderheit, die sie vertritt ist noch kleiner als die der Abweichler in der Klimafrage. Befürchten Sie nicht, dass Ihr Film dadurch an Glaubwürdigkeit verliert?

Der Film greift das auf, weil Öl ein wichtiger Teil des Energiewende-Narrativs ist. „Wir müssen so schnell wie möglich weg vom Öl, weil der Rohstoff begrenzt ist. Das Ölzeitalter geht zu Ende. Öl ist eine Gefahr für den Weltfrieden.“ Das wird seit Jahrzehnten unentwegt behauptet. Aber bislang ist dieses Schreckensszenario nicht eingetreten. Die weltweit förderbare Menge an Öl ist sogar gestiegen. In dem Film bin ich naiv, aber neugierig und ohne Vorurteile. Wenn man dann hört, dass es eine wissenschaftliche Theorie gibt, die besagt, dass Erdöl im Erdinneren immer wieder neu gebildet wird, muss man einfach jemanden anhören, der das vertritt. Ob es wirklich so ist, kann der Zuschauer selbst nachforschen. Wenn man offen für andere Meinungen ist und etablierte Theorien auch mal in Frage stellt, ist die These vom abiotischen Erdöl nicht so wild, wie man spontan denkt.

Wie haben Sie den Film finanziert?

Der Film ist komplett mit eigenen Mitteln finanziert. Wir haben keine Subventionen oder Förderungen bekommen. Diesen Film wollten wir bewusst ganz unabhängig produzieren. Ein Filmförderungsantrag setzt einen Rahmen, an den man sich auch inhaltlich halten muss. So verliert man ein Stück Unabhängigkeit. Es war immer mein Wunsch, einen Film zu machen, der komplett unabhängig ist. Ich habe die letzte neun Jahr viele Dokumentarfilme gedreht fürs Fernsehen oder Stiftungen. Insgesamt 53 Filme hauptsachlich in Entwicklungsländer rund um das dem Themenfeld Menschenrechte und internationale Zusammenarbeit. All die Jahre habe ich gespart, um meinen eigenen Film machen zu können. Den Bildgestalter Volker Schmidt – mein Schwager – konnte ich für ein Jahr bezahlen. Er hat seinen Job gekündigt und wir sind einfach losgezogen.

Wie waren die Reaktionen bei den Vorführungen?

Sehr unterschiedlich. Meistens kommen positive Reaktionen. Der Film bricht ein Tabu und reklamiert, dass man eine abweichende Meinung haben darf und regt zum Nachdenken an. Er fordert eine Debatte ein und stimuliert unabhängiges Denken. Einige Zuschauer werden aber auch wütend und regen sich darüber auf, dass ich Skeptikern ein Podium biete. Wir kriegen viel Gegenwind von Institutionen. Manche Filmfestivals wollen unseren Film nicht zeigen. Auch haben manche Medien ein Problem damit, über den Film zu berichten. Sie nennen das soziale Verantwortung. Quatsch! Journalismus muss kontradiktorisch sein und kennt keine andere Verantwortung als die, Lesern verschiedene Sichtweisen zu bieten. Der Film tut lediglich das, was in einer Demokratie dringend nötig ist: Er stellt Fragen und kommt mit Andersdenkenden ins Gespräch. Nichts weiter.

Gab es Unterschiede in den Niederlanden, Amerika und Deutschland?

Die Diskussion in Amerika ist vielleicht etwas offener. In Holland darf man die Energiepolitik kritisieren, aber es ist noch immer Sakrileg, Abweichlern von der Klima-Mehrheitsmeinung eine Stimme zu geben. Auch in Deutschland muss man genau aufpassen, was man sagt und wie man es sagt. Hier stellt man Skeptiker schnell an den moralischen  Pranger. Aber angenehmerweise wird man heutzutage nicht mehr auf den Scheiterhaufen geworfen.

Was läuft nach Ihren Erfahrungen in der öffentlichen Klimadebatte falsch?

Die Interessen der Energiewirtschaft und Energiepolitik blockieren derzeit die Wissenschaft. Sie ignorieren alle Kritik und verurteilen Andersdenkende wie der Vatikan den Teufel. Ich denke, dies hat zum Aufkommen des Populismus beigetragen. Der Populismus ist auch eine Revolte gegen eine wahrgenommene politische Entmündigung der Bürger durch Experten. Wenn eine  wissenschaftliche Theorie wie eine unfehlbare Religion behandelt wird, dann ist es vorbei mit dem kritischen Denken und es entstehen Moralmonopole. Eine öffentliche Debatte muss möglich bleiben.

Worum wird es in Ihrem nächsten Dokumentarfilm gehen?

Im zweiten Teil meiner geplanten Trilogie gehe ich auf die Suche nach alternativen Lösungen für Landwirtschaft und Klima. Weltweit sind 40 Prozent der Ackerböden erschöpft. Kann man diese Flächen wieder fruchtbar machen? Ich bin davon überzeugt, dass die Landwirtschaft ökologischer werden und effizienter mit Energie umgehen sollte. Darin steckt eine Chance, Probleme wie Klimawandel und Armut zu reduzieren. Ich werde wieder um die ganze Welt reisen und Wissenschaftler, Landwirte, Gärtner und Öko-Pioniere besuchen.

Marijn Poels (41) ist ein niederländischer  Dokumentarfilmer und Produzent. Seine Themen sind internationale Zusammenarbeit, Menschenrechte, Soziale Gerechtigkeit, Politik und Wirtschaft. Er lebt und arbeitet derzeit in Berlin. 2011 gewann er den Friedenspreis Pakistans. Dieser Preis wird jährlich an Personen ausgezeichnet, die in Pakistan gegen den Terrorismus und Gewalt engagieren und  für Menschenrechte einstehen.