Gehören Sie auch zu den Menschen, die als Kinder nie Cola trinken durften?

Essen mit Ellen: Coca-Cola

Gehören Sie auch zu den Menschen, die in ihrer Kindheit nie Cola trinken durften? In der gepflegten deutschen Mittelschicht gilt das Fernhalten kleiner Kinder von diesem Getränk als ein Muss. Ich finde das übertrieben. Schon klar, dass Cola nicht optimal ist für unsere Kleinen. Andererseits: Zucker wird ihnen an Festtagen doch vorn und hinten reingestopft, ohne dass sich jemand aufregt, und ein bisschen Koffein hat auch noch niemanden umgebracht.

Etwas Dunkles ist um diese Brause. Etwas, das über ihre ernährungsphysiologischen Eigenschaften hinausgeht. Schauergeschichten werden in Umlauf gebracht. In meiner Kindheit erzählte man, dass sich rohes Fleisch wie in Salzsäure auflöst, wenn man es ein paar Tage in Cola legt. Ich fragte mich damals, ob die Brühe, das Resultat dieses Ekel-Experiments, schon wie ein kleines Steak oder noch wie Cola schmeckt. Natürlich ist die Geschichte erstunken und erlogen.

Inzwischen glaube ich, dass die Cola-Aversion unserer Erziehungsberechtigten Ausdruck einer Weltanschauung war, die Dan Diner in seinem Buch „Feindbild Amerika“ eindrücklich beschrieben hat. Untertitel: „Über die Beständigkeit eines Ressentiments“. Im tiefen Antiamerikanismus zeige sich das deutsche Unbehagen an der Moderne, schreibt Diner da, und dass sich in dieser Ablehnung Linke und Rechte in Deutschland so einig seien wie sonst in kaum einem Punkt. Man darf gespannt sein, ob der lechtsrinke Volkstribun Trump an dieser Gemengelage etwas ändert.

Kann man sich etwas Amerikanischeres als Coca-Cola vorstellen? Bemerkenswert, dass die Säure-Story meiner Kindheit mit einem Bestseller harmoniert, der die Deutschen vor über 250 Jahren begeisterte. Schon damals ging es um die vermeintlich zersetzende, die ätzende Tendenz des Amerikanischen. Der Autor dieses Bestsellers hieß Cornelis de Pauw und stammte eigentlich aus Holland. Eine Zeitlang trieb er sich am Hof des Preußenkönigs Friedrich II herum, und es ist davon auszugehen, dass sich König und Hofstaat an seinen Wildwest-Geschichten ergötzten.

Cornelis de Pauw war das, was Angelsachsen einen „armchair-traveller“ nennen. Er setzte nie einen Fuß in die Neue Welt, kannte sich aber bestens dort aus. So wusste er zu berichten, dass die europäischen Siedler in Amerika vollkommen degenerierten. Tieren falle der Schwanz ab, Hunde könnten nicht mehr bellen. Dass alle Indianer impotent und zum Untergang verdammt seien, könne man schon an deren schwacher Körperbehaarung ablesen. Von seinem Erfolg als Welterklärer beflügelt, verfasste de Pauw auch Bücher über Chinesen, Ägypter und Griechen. 1799 starb er in Xanten am Rhein, wo man ihn nach napoleonischer Mode mit einem Obelisken ehrte.

Dafür, dass Cola ungenießbar und Amerika dekadent ist, haben es die beiden ganz schön weit gebracht. Sollen die Leute im Netz geifern und das „kulturimperialistische Drecksgesöff“ als Rohrreiniger oder als Putzmittel gegen Flugrost empfehlen. Hinter der Verachtung versteckt sich doch nur das deutsch-siamesische Zwillingspaar Bewunderung und Neid. Coca-Cola ist und bleibt die Benchmark der Softdrink-Industrie. Es ist halt nichts erfolgreicher als der Erfolg. Zahllose Imitate sind auf dem Markt, sie heißen Afri Cola, Fritz-Cola, Koala Cola oder Bionade Cola, um nur ein paar deutsche Nachäffer zu nennen. Die Amerikaner dagegen haben meines Wissens nie den Versuch unternommen, eine Hassia Zitrone oder das beliebte Karamalz zu kopieren.

Dass die weiß-rote Weltmarke Coca-Cola grün geworden ist, erstaunt nur auf den ersten Blick. „Nachhaltig“ wollen jetzt alle sein, ich rechne fest damit, dass demnächst selbst die Hersteller von Silvesterböllern nachhaltige Böller herstellen. „Cola Life“ heißt die Brause mit dem Zuckerersatzstoff Stevia. Sie hat eine grüne statt einer roten Papierbanderole um den Bauch, der gewählte Farbton liegt irgendwo zwischen Jaguargrün und Tannennadel und soll offenbar an Mutter Natur gemahnen. Das Etikett verrät, dass die Cola um 37 Prozent kalorien-reduziert ist, dank Stevia.

Neulich interessierte sich eine Mitreisende in der Bahn für meine grüne Cola. Als ich ihr erklärte, das Getränk sei mit dem Süßstoff Stevia gesüßt, widersprach sie: „Stevia ist kein Süßstoff, sondern rein pflanzlich!“ Ich schwieg. Soweit ich weiß, wird der Zuckerersatz Stevia aus einer Pflanze gewonnen, die in Südamerika wächst. Ob das an und für sich eine gute Sache ist, kann ich nicht beurteilen, denn auch die Herbstzeitlose oder der Fingerhut sind rein pflanzlich und oral appliziert gefährlich bis tödlich. Aber gut. Ich vertraue darauf, dass die Yankees mit ihrer verdammten imperialistischen Zuckerplörre und auch die Zuckerersatzstoff-Industrie wissen, was sie tun und nehme einen kräftigen Schluck.

Schlimmer geht’s nimmer: Kochen mit Cola

Manche sagen, das Cola-Huhn sei kreolischen Ursprungs. Andere behaupten, das Rezept entstamme der US-amerikanischen „White Trash“-Küche. Egal. Dass Cola-Aroma und Huhn gut miteinander harmonieren, leuchtete mir sofort ein, als ich dieses Rezept zum ersten Mal sah.

Cola-Huhn:

2 – 3 EL Sesamöl erhitzen. 3 cm fingerdicken Ingwer und 2 Koblauchzehen schälen, in feine Ringe schneiden und im Öl anbraten. Evtl. eine getrocknete Chilischote zerbröseln und dazu geben. 700 Gramm Hähnchenfleisch (Keulen mit Knochen und/oder Brust) zufügen und fast durchbraten. Das Fleisch herausnehmen. 100 ml dunkle Sojasoße, 500 ml Cola und 100 ml Wasser auf den Bratensatz gießen und heftig köcheln, bis die Soße auf die Hälfte reduziert ist. Fleisch in die nicht mehr kochende Soße geben und gar ziehen lassen. Jasmin-Reis passt nicht schlecht dazu.

 

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In ihrer Kolumne „Essen mit Ellen“ setzt sich Ellen Daniel mit kulinarischen Spezialitäten auseinander – und den kulturellen Hintergründen. Sämtliche bisher erschienene „Essen mit Ellen“-Beiträge finden sich hier.