Wirbeltiere haben eine Thymusdrüse. In den Vorstellungen der „Neuen Rechten“ ist das Organ eine Art PEGIDA des Körpers – zuständig für Immunabwehr. Man kann das Ding aber auch einfach essen.

In den Schriften der sogenannten Neuen Rechten ist gehäuft von einem Organ die Rede, mit dessen Eigenarten der medizinische Laie wenig vertraut ist. Gemeint ist die Thymusdrüse. Das kleine Ding sitzt hinter dem Brustbein und besteht aus einem rechten und einem linken Lappen, die beide wiederum in einem Säckchen aus Bindegewebe stecken. Aufgabe der Thymusdrüse ist es, weiße Blutkörperchen so zu programmieren, dass sie Bakterien und Viren erkennen und unschädlich machen können.

Ohne Thymus also keine Immunabwehr, und hier meint man die Nachtigall schon trapsen zu hören. Körper gleich Volk, Eindringling gleich Fremder, und die besorgten wütenden Blutkörperchen wären dann die AfD oder sächsische Bürgerwehren oder die vornehmen „Identitären“. Doch das ist in diesem Fall zu kurz gesprungen. Die Autoren bilden sich nämlich viel auf ihre altphilologische Bildung ein, die sie bei jeder Gelegenheit vor staunendem Publikum spazieren führen.

Wenn der Publizist Götz Kubitschek oder der AfD-Bundestagsabgeordnete Marc Jongen von einer „mangelnden Thymos-Spannung“ und von „thymotischem Unterdruck des deutschen Volkes“ schreiben, greifen sie auf eine Vorstellung der alten Griechen zurück. Die vermuteten in der Thymusdrüse den Sitz des Gemüts. Wut und Zorn wurden als vegetative Erregungszustände betrachtet, deren dauerhafte Unterdrückung oder Sublimierung keinem Normalhellenen eingefallen wäre. Ab und zu Krieg musste eben sein.

Kühne Stubenkrieger

Was uns die kühnen Stubenkrieger mit ihrem Thymosdings also sagen wollen: Wer im politischen Leben Wut und Empörung kanalisieren und Zorn auf eine diskursfähige Temperatur herunterkühlen will, verkennt die menschliche Natur und müht sich auf lange Sicht vergebens. Irgendwann bricht sich der „thymotische Druck“ Bahn – wenn genügend junges, wehrfähiges Mannsvolk anwesend ist. Es soll später also niemand sagen, diese Rechten hätten ihre anti-zivilisatorische Stoßrichtung geheimgehalten.

Auch der anschwellende Bock Botho Strauß hat bekanntlich Lust auf mehr Held und Haue und sei in diesem Zusammenhang noch einmal erwähnt: „Dass ein Volk sein Sittengesetz gegen andere behaupten will und dafür bereit ist Blutopfer zu bringen, das verstehen wir nicht mehr und halten es in unserer liberal-libertären Selbstbezogenheit für falsch und verwerflich“ schreibt er und mahnt: „Nach Lage der Dinge dämmert es manchmal inzwischen, dass Gesellschaften, bei denen der Ökonomismus nicht im Zentrum aller Antriebe steht, aufgrund ihrer geregelten glaubensgestützten Bedürfnisbeschränkung im Konfliktfall eine beachtliche Stärke oder gar Überlegenheit zeigen werden.“

Zur Illustration noch ein Kubitschek-Zitat, das der Autor Thomas Wagner für sein lesenswertes Buch „Die Angstmacher “ einsammelte: „Ich glaube, dass unser Volk die Thymos-Spannung gar nicht mehr hat, um das Ganze aus dem Ruder laufen zu lassen. Es handelt sich um ein altgewordenes, defensives Volk. (…) Jede türkische Erdogan-Demo in Köln ist jünger, aggressiver und größer als Pegida.“

Funktionsloses Fettsäckchen

Dass die Thymusdrüse ihre große Zeit im Kindesalter hat und sich mit Einsetzen der Pubertät zu einem funktionslosen Fettsäckchen entwickelt, gehört zu den vernachlässigbaren Details dieses heroischen Narrativs. Während man die Fakten auf sich wirken lässt und zu eigenen Schlüssen kommt, bietet sich die Zubereitung eines Klassikers der gehobenen Küche an, der zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist.

Gebackenes Kalbsbries für 2 Personen: 400 g Kalbsbries (nur auf Vorbestellung beim Metzger erhältlich) 2 Stunden wässern, Wasser mehrmals erneuern. Bries in einen kochenden Sud aus 1 Liter Wasser, 350 ml Weißwein, einer geschälten Zwiebel und zwei Gewürznelken geben, Topf vom Feuer nehmen und 15 Minuten ziehen lassen. Herausnehmen und von Haut und störenden Äderchen befreien. Bries in fingerdicke Streifen schneiden, mit Zitronensaft und Salz würzen. Danach wie Wiener Schnitzel mit Mehl bestäuben, in einem verquirlten Ei wenden und mit Semmelbrösel panieren. In Butterschmalz ausbacken. Zum Bries passt ein lauwarmer Kartoffelsalat (süddeutsch ohne Mayonnaise!) oder ein Sellerie-Kartoffel-Püree, wer edel mit edel paaren mag, nimmt statt Kartoffeln Topinambur.

 

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In ihrer Kolumne „Essen mit Ellen“ setzt sich Ellen Daniel mit kulinarischen Spezialitäten auseinander – und den kulturellen Hintergründen. Sämtliche bisher erschienene „Essen mit Ellen“-Beiträge finden sich hier.