An der Polemik gegen Birgit Kelle ist nicht der Tonfall problematisch, sondern die Schadenfreude darüber, dass eine Publizistin auf Facebook gesperrt wurde.

Ich lese die Texte von Karl-Hermann Leukert immer gerne und manchmal kommt es dabei sogar vor, dass ich nicht seiner Meinung bin. Sein Kelle-Family-Text ist so ein Fall. Dabei stört mich nicht, dass er in einem polemischen Ton verfasst ist. Im Gegenteil, es gibt eher zu wenige (gute) Polemiken als zu viele. Was mich stört, ist die Schadenfreude darüber, dass eine Publizistin von Facebook gesperrt wurde, weil sie ihre Meinung verbreitet hat. Sie hatte dabei nicht zur Gewalt aufgerufen, sondern sich – ebenfalls polemisch – zur Kopftuchbarbie geäußert.

Die undurchsichtige Löschpolitik von Facebook sollte jeden beunruhigen, der ein möglichst breites Meinungsspektrum befürwortet. Ich habe Birgit und Klaus Kelle je einmal getroffen und empfand sie beide als angenehme und höfliche Gesprächspartner, obwohl wir bei den meisten „ihrer Themen“ (etwa Abtreibung, Ehe für alle, Religion), verschiedener Meinung sind. Das ist durchaus nicht selbstverständlich, es gibt genug Publizisten/Aktivisten, die Widerworte persönlich nehmen und auf Distanz gehen – verweigertes Händeschütteln eingeschlossen. Vermutlich gibt es sogar mehr von dieser Sorte als von der anderen.

Powerfrau als Islamisten-Alptraum

Auch in Bezug auf die Barbie habe ich eine andere Sichtweise, weil ich denke, dass eine kämpfende Powerfrau ein zu Puppe gewordener Alptraum für die Islamisten sein dürfte. Es reicht ja nicht alleine, dass ein Tuch den Kopf verhüllt, die Frau darunter soll gefälligst auch unterwürfig sein und auf ihren Mann hören, denn dafür steht das Kopftuch im Weltbild der Islamisten. Wenn im Frauenkopf aber andere Werte gelten, verliert das Tuch seinen Wert für den 08/15-Taliban. Hätte Matell im Jahr 1933 einen schwulen Nazi-Ken (nennen wir ihn Hermann Hermann) auf den Markt gebracht, hätte er noch so viele Hakenkreuze auf Armen und Beinen haben können, für die Nazis wäre er trotzdem ein großes Ärgernis. Ihr Hakenkreuz steht schließlich für eine Ideologie, die den Mord an Homosexuellen betreibt. Wenn das Hakenkreuz nun aber plötzlich der Regenbogenfahne Konkurrenz macht, ist das für die Nazis kein Grund zur Freude, egal, in wie viele Kinderzimmer der Hermann Hermann einzieht.

Die Kelles kämpfen mit offenem Visier. Das ist längst nicht bei allen der Fall, die sich im medialen Betrieb tummeln, wo hintenrum mehr gelästert wird als in einem Highschoolfilm. Ob man nun ihre Meinungen und Ansichten teilt, spielt dabei keine Rolle, denn das ist ja das tolle an der Meinungsfreiheit, dass sie mehr als nur eine Sichtweise im Angebot hat, damit es nicht langweilig wird. Deswegen sind willkürliche Facebook-Sperren auch kein guter Anlass für Häme. Außerdem hätte Leukert irgendwann Schwierigkeiten, noch geeignete Publizisten zu finden, an denen er sich abarbeiten kann, wenn sich das Meinungsspektrum immer mehr einengen würde. Und das kann ja wohl auch niemand wollen.