Die FDP hat keine einheitliche Linie zur Währungspolitik und trägt die Kämpfe der Vergangenheit aus. Das muss in den Koalitionsverhandlungen aber nicht von Nachteil sein.

In der FDP herrscht noch immer ein Streit über die Euro-Politik. Und der wird in der Morgendämmerung einer Jamaika-Koalition bedeutsam. Denn Frankreichs Präsidenten Macron wird das Zitat zugeschrieben: „Wenn sie (Anm.d.Red: die Kanzlerin) sich mit den Liberalen verbündet, bin ich tot.“ Das muss nicht so kommen. Und das sollte nicht so kommen.

Wir erinnern uns: 2011 gab es einen Mitgliederentscheid in der FDP über den Euro-Rettungsschirm, den die Gegner der Institution unter Führung von Frank Schäffler knapp verloren. Ich war einer davon. Aber erstens zu dem Zeitpunkt kein Mitglied (inzwischen bin ich es wieder) und zweitens auf der Payroll der Friedrich-Naumann-Stiftung, hielt also aus Loyalität zum Arbeitgeber publizistisch still. Hätte Schäffler sich durchgesetzt, wäre eines von zwei denkbaren Szenarien eingetreten:

Die FDP setzt in der Koalition sich durch, Euroländer werden nicht „gerettet“, sondern gehen in die Insolvenz. Die Anleger, die jahrelang gute Renditen eingestrichen haben, müssen nun entsprechende Verluste hinnehmen. Das hätte selbstverständlich deutsche Besitzer von Kapitallebensversicherungen hart getroffen. Dafür wären die Südländer erheblich schneller auf die Beine gekommen und einer ganzen Generation wäre die lähmende Hoffnungslosigkeit erspart geblieben, die ein Jahrzehnt gigantischer Jugendarbeitslosigkeit zwangsläufig verursacht. Die AFD hätte es nie gegeben, die FDP wäre nie aus dem Bundestag gewählt worden.

Oder aber die FDP setzt sich nicht durch, sondern lässt die Koalition platzen. Die stets staatstragende SPD wäre zur Hilfe geeilt, der Rettungsschirm mit allen Auswirkungen wären gekommen. Die AFD hätte es nie gegeben, die FDP wäre nie aus dem Bundestag gewählt worden.

Schäffler-Flügel mit Erfolgen

Hätte, hätte Fahrradkette. Es kam bekanntlich anders: Die Krisenländer verzeichnen mehr (Irland und Portugal) oder weniger (Italien) oder gar kein (Failed State Griechenland, den dauerhaft Europa so wird subventionieren müssen, wie Deutschland sich dauerhaft Berlin leistet) Wachstum, der ESM hat einigermaßen funktioniert, die Target-2-Salden der Bundesbank sind viel besorgniserregender. Die Krawallbrüder von der AFD sind drittstärkste parlamentarische Kraft, woraus zwar nach den Erfahrungen auf Landes- und EU-Ebene genau keine reale Politik entstehen dürfte, der Imageschaden für das Land hingegen ist zu recht beträchtlich. (In den israelischen Hauptnachrichten lief die Meldung auf der Eins. Und israelische Probleme kommen gewöhnlich nicht in Tweedsakko und Hundekrawatte daher, sondern mit Palituch und Grad-Raketen.)

Gleichzeitig hat aber der Schäffler-Flügel zwischenzeitlich innerparteilich erhebliche Erfolge einfahren können. Im Wahlprogramm liest sich der Passus zum Thema wie folgt:

Wir Freie Demokraten wollen die Glaubwürdigkeit der im europäischen Recht verankerten Nichtbeistandsklausel stärken. Diese besagt, dass weder die Europäische Union noch einzelne Mitglieder für die Schulden eines anderen Mitgliedstaates haften müssen. Sie soll hierdurch sicherstellen, dass die Mitgliedsstaaten die Folgen ihrer Wirtschafts- und Finanzpolitik tragen und somit Haushaltsdisziplin wahren. Wer den Staaten Geld leiht, soll deren eigene Bonität zur Grundlage dafür machen, wie hoch die Zinserwartung ist und nicht fremde Bonität. Denn nur so kann der Zins als ökonomische Schuldenbremse wirken. Allerdings hat die Große Koalition mit ihrer Zustimmung zum dritten Hilfspaket für Griechenland die Glaubwürdigkeit der Nichtbeistandsklausel erheblich in Frage gestellt. Denn sie hat Finanzhilfen gebilligt, obwohl die Schuldentragfähigkeit Griechenlands nicht gesichert war. Wir wollen, dass die Vermischung von Verantwortung durch gemeinschaftliche Haftung ausgeschlossen bleibt. Deshalb darf der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) nicht als ständiger Nothelfer missbraucht werden, sondern ESM-Finanzhilfen dürfen nur strikt nach den dafür vorgesehenen Regeln vergeben werden. Um nicht dauerhaft falsche Anreize zu setzen, wollen wir zudem, dass die Ausleihkapazität des ESM kontinuierlich wieder zurückgefahren wird und dieser langfristig ausläuft. ESM-Hilfen sollen auch nicht dauerhaft durch weitere Maßnahmen der Europäischen Zentralbank ergänzt oder ersetzt werden. Eine Staatsfinanzierung durch die Notenpresse lehnen wir strikt ab. Zudem wollen wir eine Staateninsolvenzordnung für die Eurozone schaffen, damit bei fehlender Schuldentragfähigkeit eine geordnete Schuldenumstrukturierung als Ausweg aus der bisher endlosen Rettungsroutine möglich wird. Denn nur so kann die Gefahr gebannt werden, dass die Währungsunion zu einer dauerhaften Transferunion zu Lasten der europäischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler wird.

Das ist alles ordnungspolitisch nach wie vor völlig richtig. Aber leider völlig aus der Zeit gefallen. Finanzmärkte basieren auf Vertrauen in Institutionen. Der Euro ist ein Konstrukt zwischenstaatlicher Verträge und einige der Vertragspartner sind an der Einhaltung der Verträge gescheitert. Man hätte das Vertrauen in die Gemeinschaftswährung stärken können, indem man auf Einhaltung der Verträge beharrt, dann wären die vertragsbrüchigen Staaten ausgeschieden. Ein Ende mit Schrecken. (Und da Deutschland in der Vergangenheit sich selbst nicht an die Neuverschuldungsgrenzen hielt, durchaus kritikwürdig.) Die Entscheidung wurde anders getroffen: Die Verträge sind wurscht, der Euro wird „um jeden Preis“ „gerettet“, die virtuelle Notenpresse zur „Bazooka“, die Zentralbankzinsen eliminiert. Ein Schrecken ohne Ende (jedenfalls für Griechenland), der allerdings Deutschland dank viel zu niedriger Wechselkurse und Zinsen* eine irrwitzige Sonderkonjunktur im Export und Bau eingebracht hat, samt Steuereinnahmen in Rekordhöhe, was uns die Versorgung einer Million mehr oder weniger legal eingereister Migranten aus der Portokasse erlaubt – und den perversen Luxus, ihnen trotz Vollbeschäftigung Erwerbsarbeit zu verbieten.

Kurz gesagt: Der Drops ist gelutscht. Der Preis für eine Rückabwicklung der natürlich unbedingt kritikwürdigen „Eurorettung“ wäre unkalkulierbar. Die Transferunion wird kommen und wir können nur hoffen, dass sie sorgfältiger konstruiert wird, als die bisherige „Eurorettung“ und eine Lösung für das Target-2-Problem beinhaltet. Christian Lindner ist gut beraten, seine eurorettungskritische Parteibasis zum höchstmöglichen Preis in den Koalitionsverhandlungen zu verkaufen. Und die Basis gut beraten, das gegebenenfalls anzuerkennen, statt wie so oft vermeintlichen Verrat zu wittern und zu meutern.

 

*Nebenanmerkung: „Sparer“ werden mitnichten enteignet. Es gibt deutsche Aktien, europäische, asiatische, global investierende Fonds, Staatsanleihen aus aller Herren Länder, Immobilien, Gold, Cryptowährungen. Die Deutschen sind nur zu blöd, seit sie Manfred Krug Aktien eines Saftladens abkauften, dem sie gleichzeitig als Kunden gar nicht schnell genug entkommen konnten und damit folgerichtig Verluste gemacht haben.