Niederträchtiger Neid
Die Bilder des Kriegs zerstören zementierte Glaubenssätze zur Gewaltfreiheit, die Jahrzehnte gültig waren. Deren Erfinder wehren sich verzweifelt.
Nichts wirkt gewalttätiger als die Wut der Friedensbewegten, wenn es jemand wagt, ihre zementierten Glaubenssätze zur Gewaltfreiheit in Zweifel zu ziehen. Franz Alt, der Pontifex Pazifus aus Untergrombach, geriet regelrecht in Rage, weil der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels an den ukrainischen Schriftsteller Serhij Zhadan ging. Der hatte sein Entsetzen über den russischen Angriffskrieg in folgende Worte gefasst: „Die Russen sind Barbaren, sie sind gekommen, um unsere Geschichte, unsere Kultur, unsere Bildung zu vernichten.“ Das ging Alt zu weit. Die reinkarnierte Luftratte aus dem Bible-Belt Baden-Württembergs („Frieden ist möglich“) holte in der „taz“ zum Gegenschlag aus: „Ein Friedenspreis für Russenhass? Ein Friedenspreis für einen Dichter, der nicht zwischen einem Kriegsverbrecher Putin und dem russischen Volk unterscheiden kann?“ Nein! Und fordert: „Alle früheren Preisträger sollten aus Protest ihren Preis zurückgeben.“
Nicht anders Harald Welzer, die feiste Ausgabe von Richard David Precht: Er brandmarkte den langanhaltenden Applaus in der Paulskirche für Zhadan als „gesinnungsethische Überanstrengung.“ In einem Interview kritisierte er die Jury: „In Deutschland fühlten sich alle permanent aufgefordert, die Perspektive der angegriffenen Ukrainerinnen und Ukrainer zu übernehmen.“
Dahinter verbirgt sich natürlich nichts anderes als niederträchtiger Neid auf den Erfolg Zhadans. Natürlich wünscht sich Welzer gerne, dass alle Jurys dieser Welt seine „Perspektive“ (!) übernehmen und nicht die der Opfer der russischen Barbarei. Und Franz Alt, der in Untergrombach grummelnd an seiner Schnabeltasse saugt, würde gerne seinen Friedenspreis zurückgeben, wenn er denn jemals einen bekommen hätte, was selbstverständlich der eigentliche Skandal der diesjährigen Preisverleihung ist.
Jahrelang haben diese publizistischen Dünnbrettbohrer mit ihrem seichten Gesäusel („Jesus – der erste neue Mann“, Franz Alt, „Nachruf auf mich selbst“, Harald Welzer) Millionen zusammengeschmiert. Und jetzt kommt doch tatsächlich einer daher, der die Ergebnisse der deutschen Friedenswinselei gegenüber Russland am eigenen Leib erlebt hat und diese Verzweiflung in wahrhaftige Literatur verwandelt. Was für ein Skandal!