Die Lobby der Gegner grüner Gentechnik hat in diesem Jahr durch ihr Verhalten gezeigt, dass sie nicht an ihre eigenen Argumente glaubt. Sich jetzt für mexikanische Imker einzusetzen, weil deren Honig „genbelastet“ sei, ist scheinheilig. Schade, dass deutsche Medien noch immer auf diese Lobby hereinfallen.

„Diese Reise ist vielleicht ihre letzte Chance, glauben sie.“ So beginnt ein Beitrag im Bayerischen Rundfunk, der zwei mexikanische Imkerinnen und Aktivistinnen vorstellt, die auf Einladung diverser Anti-Gentechnik-Initiativen in Europa unterwegs sind. Die Mexikanerinnen und mit ihnen die deutschen Aktivisten beklagen, ihr Honig sei „belastet mit Gentechnik“, da die mexikanische Regierung den Anbau von gentechnisch veränderten Sojabohnen erlaubt habe. Soja ist für Bienen zwar nicht besonders attraktiv, da er nur wenig Pollen und Nektar bildet, aber für die strengen europäischen Bio-Regeln reichen schon Spuren von Pollen einer gentechnisch veränderten Pflanze, damit ein Honig nicht mehr als „Bio-Honig“ verkauft werden darf. Damit, so die Gentechnik-Gegner, sei die „Existenz tausender Maya-Familien“ gefährdet, denn mehr als 50% ihrer Jahresproduktion verkaufen sie an deutsche Bioläden. Diese Geschäftseinbuße, so darf eine Aktivistin erläutern, die sich als Vertreterin einer „Aktion Genklage“ vorstellt (es handelt sich um die Privatinitiative der Betreiberin eines Ökozentrums), sei ein Verstoß gegen den UN-Menschenrechtspakt, der allen Bewohnern der Erde das Recht auf Gesundheit, Nahrung und Eigenversorgung zugestehe. So sind die beiden Mexikanerinnen denn auch nur auf der Durchreise in Deutschland, wo sie Spenden sammeln wollen, bevor sie sich auf den Weg zum Büro der Vereinten Nationen in Genf machen. Klagen kosten Geld.

Menschenrecht auf Biohonigerzeugung?

Aktion und Bericht sind aus mehreren Gründen an Blödsinn kaum zu überbieten. Zunächst einmal steht es den mexikanischen Imkerinnen und Imkern selbstverständlich frei, ihren Honig ohne das Biosiegel zu verkaufen, denn nur die strengen Vorschriften des Biohandels erlauben keine gentechnisch veränderten Bestandteile in Honig. Für alle anderen Honige gilt seit 2014 in der EU, dass Pollen – egal von welcher Pflanze – ein „natürlicher Bestandteil“ ist, der auch dann nicht gekennzeichnet werden muss, wenn er von einer gentechnisch erzeugten Pflanzensorte stammt. Es gibt kein Menschenrecht auf die Erzeugung von Biohonig – ebensowenig wie ein Menschenrecht auf die Produktion von handgefertigten Fahrradketten. Oder doch? Kann der Besitzer eines Tante-Emma-Ladens bei den Vereinten Nationen vorstellig werden, um eine Supermarktkette zu verklagen, die seine Existenz bedroht? Wann haben Journalisten eigentlich das Fragen aufgegeben?

Zum zweiten sollten die Mexikaner lieber die Aktivisten verklagen, die für diese unsinnigen Vorschriften gesorgt haben. Bislang ist nämlich auf dem gesamten Planeten kein Fall dokumentiert, in dem ein Mensch durch den Verzehr von Pollen gentechnisch erzeugter Pflanzen gesundheitliche Schäden erlitten hat. Das sollte auch Journalisten inzwischen bekannt sein.

Drittens haben die Aktivisten ihre Glaubwürdigkeit völlig verloren, seit Anfang des Jahres bekannt wurde, dass in Europa seit zehn oder fünfzehn Jahren Petunien im Handel waren, die Ableger oder Weiterzüchtungen einer Sorte sind, die dank Gentechnik eine orangene Farbe erhielt. Diese „Genpetunien“ fanden sich auch 2017 in Gärten und Grünanlagen, auf Balkonen und Fensterbänken von Flensburg bis Garmisch-Partenkirchen und es ist davon auszugehen, dass praktisch sämtliche Honige aus deutscher und europäischer Produktion mit Pollen dieser Petunien „verseucht“ sind. Würden die Anti-Gentechnik-Initiativen wirklich ernsthaft davon überzeugt sein, dass Pollen von Gentechnik-Pflanzen gesundheitsschädlich ist, müssten sie Läden und Behörden umlagern, Menschenketten bilden, Petitionen auf den Weg bringen und alles tun, damit die „mit Gentechnik belasteten“ Honige aufgespürt, analysiert und aus dem Verkehr gezogen werden könnten. Davon ist nichts bekannt – im Gegenteil: die Genpetunien und die Untätigkeit der Behörden bei deren gesetzlich vorgeschriebener Vernichtung wurden mit Schweigen übergangen – ein starker Kontrast zum sonstigen Geschrei bei minimalen Verstößen gegen das Gentechnikgesetz. Die Frage, ob „genbelasteter Honig“ nur dann ein Problem ist, wenn die Gene von Monsanto stammen, liegt nahe, wird aber im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht gestellt.

Prinzipien wichtiger als Menschen

Und schließlich bleibt die Frage, warum die angeblichen Unterstützer ihren mexikanischen Schützlingen keinen reinen Wein über ihre Ziele einschenken. Denn wenn das von ihnen geforderte Verbot von Glyphosat in der EU in Kraft tritt, muss mexikanischer Honig nicht nur aus den Bioläden Europas verschwinden. Denn solange Glyphosat auch auf dem amerikanischen Kontinent nicht verboten ist, werden sich dank der modernen Analytik in jeder Lebensmittelprobe Spuren des dann in Europa illegalen Pestizids nachweisen lassen.

Auch das zeigt, dass den Aktivisten das Schicksal der mexikanischen Mayas letztlich gleichgültig ist. Sie werden auf dem Altar der Prinzipien geopfert, mögen auch noch so viele Maya ihre Existenz verlieren, Afrikaner verhungern, Bauern in Bangladesh sich vergiften und Kinder in Asien an Vitamin-A-Mangel erblinden – alles besser als der Einsatz von Gentechnik in der Pflanzenzucht.

Von Umweltaktivisten, die für ihre Prinzipien über Leichen gehen und sich dabei noch moralisch überlegen fühlen, ist nichts anderes zu erwarten. Die Geschichte des 20. Jahrhunderts ist voll von solchen Leuten, denen Ideologie über alles geht. Tragisch ist es, wenn Journalisten das Spiel mitspielen, statt hinter den Vorhang zu sehen.