Genveränderte Pflanzen sind erlaubt, wenn man das Genom mit der Schrotflinte zerschießt. Präzise Veränderungen hingegen gelten als unvorhersehbares Risiko. Ein Genforscher muss daher erst den Kontinent verlassen, bevor er in einen Apfel beißen darf.

Kennen Sie Rio Red und Star Ruby, die rosa Grapefruit, die heute in jedem Supermarkt auch in Bio-Qualität angeboten werden? Rosafarbenes Fruchtfleisch, milder Geschmack, besonders saftig, arm an Kernen, aber reich an Vitamin A, C und vor allem Antioxidantien? Dieses supergesunde Superfood, ideal zum Entgiften und Abnehmen, wie Focus und Brigitte schreiben? Vermutlich ja.

Es handelt sich bei diesen Sorten – der derzeit gültigen Definition der Europäischen Union zufolge – um GMOs, genetisch modifizierte Organismen, die nur deshalb nicht kennzeichnungspflichtig sind, weil sie vor Inkrafttreten der Gentechnik-Richtlinie der EU und mit einer Holzhammermethode der Gentechnik erzeugt wurden. Knospende Zweige wurden im Labor mit Neutronen beschossen, die Zweige gepfropft und unter den zigtausenden Früchten (die meisten verkrüppelt und ungenießbar) diejenigen herausgesucht, die ansehnlich, rosa, saftig und wohlschmeckend waren. Die daraus entstandenen Sorten werden seither geklont und gelten als lecker, gesund und sicher und Biokunden werden sie als natürlich verkauft (solange sie nicht mit im Labor erzeugten Chemikalien behandelt wurden).

Gentechnik mit der Schrotflinte

Weder in Eat Smarter noch in Schrot & Korn steht jedoch zu lesen, dass bei dieser Gentechnik-Methode tausende, wenn nicht zehntausende Gene zerstört, verändert, umgelagert oder vervielfacht wurden – so genau weiß das niemand, denn es wurde nie untersucht. Es wurde auch nicht getestet, ob der Genuss der neuen Sorten zu Allergien, Krebs oder zu chronischem Siechtum führt, wie es dem neuen Gentechnik-Lachs unterstellt wird – nicht ein einziges Nagetier wurde geopfert, um das zu untersuchen. Und weder Greenpeace noch die Grünen haben das bis heute angeprangert.

Die neuen Varietäten wurden einfach auf den Markt gebracht und die Konsumenten kaufen sie bis heute, in den USA, in Europa, selbst in Neuseeland, wo Import, Entwicklung, Erprobung und Freisetzung genetisch veränderter Organismen und die Kennzeichnungspflicht für gentechnisch hergestellte Ingredienzien noch strikter reguliert sind als in der EU. Für eine etwaige Genehmigung müssen ökonomische, soziale und kulturelle Faktoren ebenso berücksichtigt werden wie Einflüsse auf Umwelt und öffentliche Gesundheit – ein (fast) vollständiger Sieg der Anti-GMO-Lobby. Zu deren Leidwesen sind in Neuseeland jedoch noch immer Lebens- und Futtermittel mit gentechnisch hergestellten Inhaltsstoffen auf dem Markt und Anteile von GMO-Zutaten unter 1 Prozent sind nicht kennzeichnungspflichtig, so dass Neuseelands Gentechnik-Verseuchung fortschreitet und entsprechende katastrophale gesundheitliche Folgen noch immer nicht ausgeschlossen sind.

Absurde Vorschriften

Wohin die Genverseuchungshysterie geführt hat, zeigt jetzt der Fall einer Obstsorte, bei der ein Forscherteam um Andrew Allan von Plant & Food Research (PFR) in Neuseeland mithilfe von CRIPSR-cas – einer im Vergleich zur Holzhammermethode der Bestrahlung um Größenordnungen präziseren Methode – genau ein Gen veränderte, um statt einer Grapefruit einem Royal Gala-Apfel zu rotem Fruchtfleisch reich an hoch gelobten Antioxidantien zu verhelfen.

Anbauen durften die Forscher den Apfel nur in einem Hochsicherheitsgewächshaus. Betreten lässt es sich nur nach Ausfüllen von Formularen und Anlegen eines Kittels sowie Überschuhen. Alles, was den Hochsicherheitstrakt verlässt – Schutzkleidung, Erde, Blätter – muss sterilisiert, austretende Luft gefiltert werden. Insekten sind verboten; daher müssen die Blüten der Apfelbäume mit der Hand bestäubt werden.

Nach jahrelanger Arbeit konnten die Forscher jetzt die ersten Äpfel ernten. Sie durften sie anfassen und untersuchen, aber auf neuseeländischem Boden nicht hineinbeißen, weder im Gewächshaus noch außerhalb. Eine Antrag auf Verkostung des Apfels wurde nach zweijähriger Prüfung durch die zuständigen Behörden abgelehnt.

Um den Apfel dennoch geschmacklich testen zu können, mussten sie ihn im Sicherheitslabor zerteilen, alle Kerne vollständig entfernen, die Apfelhälften dreifach einsiegeln, den Behälter von außen sterilisieren, ein Pflanzenschutzzertifikat einholen und mit der versiegelten Box in die USA fliegen. Erst nach der Landung in San Francisco konnten die Apfelhälften entsiegelt und gegessen werden.

Testesser bescheinigten den Früchten einen hervorragenden Geschmack, lobten die rote Farbe, vermissten aber eine gewisse Knackigkeit. Ursache könnte sein, dass die Äpfel nur zerteilt transportiert werden konnten, es könnte aber auch an den physiologischen Prozessen im Apfel liegen, wenn er mehr rote Farbstoffe produziert. Ersteres wird sich erst herausfinden lassen, wenn Testesser in einen frischen Apfel beißen können, aber das wird so schnell nicht passieren.

Allans grundsätzliches Problem: Er möchte das Genom des Apfels soweit wie möglich intakt lassen und nur ein ganz bestimmtes Gen ausschalten, etwas, das in der Medizin bereits erprobt wird, um Menschen von erblichen Erkrankungen zu heilen. Doch in der Pflanzenzucht ist das leider nicht erwünscht. Seine Äpfel gelten einer systematisch durch NGOs desinformierten Öffentlichkeit als Frankenstein-Obst und Gentechnik-Monster. Ach, würde Allan doch nur mit der Schrotschuss-Methode Apfelgenome zerschießen und Neuseelands Bürger zum Testessen einladen! Vor Obst, in dem zehntausende Gene mit dem Holzhammer kaputtgemacht wurden, fürchten sich nämlich nicht mal Neuseelands Gentechnik-Gegner.