Die Kritik an den Auswüchsen der Postmoderne nimmt zu. Im gerade erschienenen Buch “Freiheit ist keine Metapher” wenden sich gleich mehrere Dutzend Autoren gegen Kulturrelativismus und Antisemitismus.

Die Stimmen werden lauter: Das von Patsy l’Amour laLove herausgegebene Buch “Beissreflexe” kritisierte die autoritären Auswüchse in der Queer-Szene,  Nils Heisterhagen beschäftigte sich in “Die liberale Illusion” mit den Folgen der Hinwendung zur Postmoderne für die Linke und der von Johannes Richardt herausgegebene Band “Die sortierte Gesellschaft”, in dem auch der Autor mit einem Beitrag vertreten ist, zeigt die gesellschaftlichen Gefahren der Identitätspolitik auf. In dieser Reihe der Auseinandersetzung mit der Postmodernen steht auch das von Vojin Saša Vukadinović herausgegebene Buch “Freiheit ist keine Metapher”. Mit Beiträgen von 37 Autorinnen, Autoren und Gruppen, darunter Salonkolumnistin Judith Sevinç Basad, stellt es sich gegen Kulturrelativismus und verteidigt die Idee universeller Menenschrechte.

Vieles, was dort beschrieben und kritisiert wird, ist im Alltag der meisten Menschen in Deutschland noch nicht angekommen. Wer nicht gerade zu den regelmäßigen Lesern von taz und Missy Magazin gehört und die Spiegel-Online Kolumnen von Margarete Stokowski nicht liest und gerade keine Geisteswissenschaften studiert oder Teil der Queer-Szene ist, wird mit offenem Mund vor dem im Buch beschrieben Wahnsinn stehen: Die Hip-Philosophin Judith Buttler erklärt die Hamas zu einem Teil der weltweiten Linken; dem Berliner muslimischen Schwulenaktivist Nasser El-Ahmad, der von seiner Familie entführt und zwangsverheiratet werden sollte, wird vorgeworfen, mit einer Demo gegen Homophobie in Neukölln die Muslime in dem Quartier zu provozieren; Queeraktivisten greifen Israel an weil  es ein Land ist, das Homosexuelle und Transsexuelle nicht diskriminiert und postmoderne Theoretikerinnen verklären Kopftuch, Hijab und Burka zu Zeichen der Emanzipation.

Mehr als überspannte Bürgerkinder

Man kann das alles als Spinnereien überspannter Bürgerkinder abtun, aber es ist leider mehr: dieses Denken hat große Teile der Linken ergriffen, ist in den USA in dieser Szene dominierend und hat den Sieg von Trump bei den Präsidentschaftswahlen 2016 mitermöglicht. Der Titel des Buches “Freiheit ist keine Metapher” ist klug gewählt, denn er beschreibt, worum es im Kern geht: Um einen Angriff auf universale Werte wie Menschenrechte, um die Idee der Verteidigung des Individuums vor dem Druck von religiösen und politischen Gruppen und um Selbstbestimmung.

In einem 40seitigen Beitrag, dem längsten in dem 400 Seiten-Buch, beschreibt Marco Ebert die Ideologie der Hohepriesterin der Bewegung, die amerikanische Philosophin Judith Butler. Anhand zahlreicher Zitate aus ihren Werken belegt er ihren offenen Antisemitismus, ihre Verachtung für den Westen, ihre Geringschätzung des Selbstbestimmungsrechts der Frauen und ihre Unterordnung menschlichen Leids unter eine Ideologie, die im Ungefähren bleibt, mit Codes arbeitet, die in der Szene verstanden werden und so versucht, sich Kritik und Debatten zu entziehen: “Butler”, fasst Ebert zusammen, “appelliert an das Regressive in den Menschen selbst, an das latente Unbehagen in der Moderne, um die regressivste Form der Bewältigung des Unbehagens zu propagieren. Diese negative Krisenbewältigung wäre die vollständige Entfesselung der faschistischen Tendenzen in der Gesellschaft – die Selbstzerstörung der bürgerlichen Freiheiten, ohne die es keine Zukunft geben kann.”

Mit dem Queerfeminismus und seiner Intersektionalität, der Überschneidung von verschiedenen Diskriminierungsformen in einer Person, setzt sich Naida Pintul auseinander. Für sie ist dieses Vorgehen, das seinen vollkommen berechtigten Ursprung in der Erkenntnis hatte, dass zum Beispiel schwarze Arbeiterinnen in den USA als Frauen, Schwarze und Arbeiterinnen diskriminiert und unterdrückt werden, nur noch ein Chiffre für Kulturrelativismus: “Er (Der Queerfeminismus d.A.) hat kein Interesse an Konzepten wie “Befreiung”, bzw. “Freiheit”, die auf alle Gesellschaften anwendbar sind, weil sie das Leben jedes einzelnen Menschen tangieren. Und er übt sich wegen seines krude, ahistorischen Rassismusbegriffs noch in Unterwerfung an Lebensentwürfen wie das Kopftuchtragen, die von Feministinnen bereits vor Jahrzehnten als in ihrem Wesen unterdrückend und frauenfeindlich begriffen wurden.”

Genitalverstümmelung als Teil kultureller Identität

Salonkolumnistin Judith Sevinç Basad beschreibt in ihrem Beitrag das Verständnis, das diese Szene für barbarische Praktiken wie die weibliche Genitalverstümmelung aufbringt. Auch Genitalverstümmelung werde von manchen Akademikerinnen als zu beschützendes Kulturgut verstanden, das von der kulturellen Hegemonie des Westens bedroht wird: „So behauptet Anna-Katharine Meßmer in ihrer Dissertation Überschüssiges Gewebe, dass der Begriff “Genitalverstümmelung” nur deswegen negativ konnotiert sei, weil der Westen zu Kolonialzeiten den Orient als ein “unzivilisiertes Anderes” wahrgenommen habe.”

Sercan Aydilek erinnert sich in seinem Beitrag an einen Vorfall auf dem Schwul-Lesbischen-Stadtfest in Berlin 2016, als die Gruppe Berlin Against Pinkwashing einen Stand der israelischen Botschaft attackierte. Sie riefen Parolen wie “There is no space here for war criminals” und “Israel colonizes millions of Palestinians yet promotes itself as human right haven”. Dabei ist Israel das einzige Land im Nahen Osten, in dem Schwule, Lesben und Transsexuelle nicht verfolgt werden. Aydilek stellte sich ihnen entgegen:

“Sie schrien mich an und drohten mir nicht nur mit körperlicher sondern auch mit sexuelle Gewalt – offenbar um mich mundtod zu machen. Als ich nicht nachgab und darauf bestand, dass sie sich sofort vom Stand (Der Botschaft Israels d.A.) entfernen sollen, wünschte man mir den Tod – und zwar in der Form, dass mich “ein Panzer überrollen” solle. So sieht linker, antiimperialistischer Protest im Jahr 2016 aus.”

In “Freiheit ist keine Metapher” werden die Argumente dieser linken Spielart der Feinde der Aufklärung nicht nur aufgegriffen und widerlegt, auch ihre Debattiermethoden und ihr Vorgehen werden analysiert und entlarvt. Das Buch ist ein starker Beleg dafür, dass es auch in diesem Land eine linke Szene gibt, die sich dem Wahnsinn und der Hegemonie der Postmodernen entgegenstellt. Dieses ebenso kluge und spannende Buch macht Hoffnung.

 

 

 

 

Vojin Saša Vukadinović (Hg.)
Freiheit ist keine Metapher
Antisemitismus, Migration, Rassismus, Religionskritik
Querverlag, 20,00 Euro