Auf dem G7-Treffen in Kanada hat Donald Trump viel Porzellan zerschlagen. Dass er ein Abschlusskommuniqué ausgerechnet auf dem Weg zum Bombengipfel nach Singapur per Tweet verweigerte, lässt eine ratlose Welt zurück, die sich fragt, was der Irre als nächstes tut.

Keine Frage: La Malbaie war ein Desaster. Der amerikanische Präsident Trump hat mit einem seiner berüchtigten Wutanfälle das über 400 Millionen Dollar teure Familientreffen der westlichen Wirtschaftsmächte zu einer Art Dschungelcamp gemacht, bei dem es am Ende nur darum ging, wer die größten Kröten schlucken musste.

Nach solchen Aktionen stellt sich erneut die Frage: Hat der Wahnsinn Methode, wie es mein Mitkolumnist Bernd Rheinberg vermutet, oder ist Donald Trump ein Verrückter, der infolge eines schwerwiegenden psychischen Defekts gar nicht in der Lage ist, seine Amtsgeschäfte wahrzunehmen und eigentlich ins Sanatorium gehört, wie es Hannes Stein behauptet? Doch viel entscheidender ist die Frage: Wie kommt es, dass hochentwickelte Zivilisationen – Gesellschaften, in denen topausgebildete High Potentials das Heer der Staatsbeamten und Diplomaten stellen – in regelmäßigen Abständen von unglaublich inkompetenten Politikern heimgesucht werden wie von einer schweren Grippe?

Trump und der Brexit

Da lohnt ein Blick nach Großbritannien, wo sich die Tory-Regierung um Theresa May mit den Folgen des Brexits abmüht – eine Entscheidung, die ebenfalls nicht von großer Mündigkeit des Wahlbürgers zeugte. Und auch hier – oh Wunder! – gibt es krampfhafte Versuche, aus dem Irrsinn eine gewisse Logik herauszudestillieren. Wie bei einem 30 Jahre alten Single Malt, wenn auch anders, als von Rheinberg gemeint. Außenminister Boris Johnson, äußerlich und innerlich dem amerikanischen Präsidenten ähnlich, nimmt sogar auf sein Vorbild Bezug. Bei einem vom Manager Magazin als geheim klassifizierten Treffen einer konservativen Gruppe soll er gesagt haben: „Stellen Sie sich vor, Trump würde den Brexit machen. Er wäre verdammt hart… Es gäbe alle möglichen Formen des Zusammenbruchs und des Chaos. Alle würden denken, er sei durchgedreht. Aber tatsächlich kommst du damit irgendwohin. Es ist ein sehr, sehr guter Gedanke.“ – Wie gesagt: Für den, der sich das vorstellen mag.

Die gefährliche Sehnsucht nach der Despotie

Doch vielleicht sollte man das Phänomen Trump gar nicht so sehr überbewerten. Leute wie er sind nun mal wie der Brexit die unangenehmen Seiten einer offenen und demokratischen Gesellschaft bei ihren schmerzhaften Selbstfindungsprozessen, die, um glaubwürdig zu bleiben, auch offenkundige Fehlleistungen des Wählers als politische Willensbildung hinnehmen muss. Gefährlicher ist die Sehnsucht nach der scheinbaren Stabilität der Despotie, wie wir sie in Russland und in vielen Teilen Europas und Amerikas erleben. Denn haben sich die Menschen erst einmal an die Bevormundung gewöhnt, fehlt Ihnen der Wille und die Kraft, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Sie sind nur noch ein Rädchen in der formierten „Volksgemeinschaft“, zu der ihr passives „Erdulden“ ideologisch verklärt wird. Da ist Russland nicht anders als andere totalitäre Systeme davor. Ein Paradigmenwechsel rafft sie dahin wie ein unbekannter Virus, weil die Mitglieder dieser Gesellschaften ihre Abwehrkräfte an den Autokraten delegiert haben.

Trump ist das Sympom, Putin die Krankheit

Insofern sind Trumps verrückte Clownerien, die mal klug, mal hoffnungslos kindisch sind, nichts anderes als die Symptome eines auf Checks & Balances konditionierten Regelsystems, das nach einer Phase extremer Unwucht wieder nach Gleichlauf strebt. Das Falsche muss sich offenbaren dürfen, um erkannt und behandelt zu werden. Die Fehler werden hoffentlich bei den nächsten Wahlen korrigiert. In der Regel durch einen Kandidaten, der das genaue Gegenteil seines Vorgängers ist. Solange es freie und unbehinderte Wahlen gibt. Denn eines sollte klar bleiben: Trump ist ein Symptom, Putin jedoch die Krankheit.