Ein Freund, ein guter Freund
…das ist auch in Russland das Beste, was es gibt. Die freundschaftliche Eintracht können nur antirussische Hetzmedien im Westen stören. Wie gut aber, dass es auch dort noch besonnene Menschen gibt, die nicht gleich alles überdramatisieren!
Russland, das ist leider nicht abzustreiten, steckt in der Krise. Seit Jahren kränkelt die Wirtschaft, Korruption erweist sich als ausgesprochen hartnäckiger Missstand, und anstatt die bemühte russische Führung bei ihren Modernisierungsversuchen zu unterstützen, überzieht der Westen das Land zu allem Überfluss noch mit schmerzhaften Sanktionen.
So unangenehm die Lage für das gedemütigte und umzingelte Land ist, sie hat auch ihr Gutes: In Krisenzeiten zeigt sich schließlich, wer die wahren Freunde sind. Freunde wie der Neurusse Gerard Depardieu, der am Wahlsonntag artig seine Stimme abgab, aber natürlich auch und besonders Freunde wie Altkanzler Gerhard Schröder: Menschen also, die bereit sind, für einen symbolischen sechsstelligen Obolus ihren Terminplan freizumachen und einfach nur aus vollem Herzen zu helfen, dem Kreml in diesem Fall.
Kleine Lobbyeinsätze erhalten die Freundschaft
Dass das nicht allen gefallen kann, liegt auf der Hand. Aus der Hauptstadt der failing Ukraine erhob dieser Tage auch postwendend Pavlo Klimkin, Außenminister der faschistischen Kiewer Junta, die Forderung an die EU, sie möge ihre extensiven Strafmaßnahmen doch auch auf den wehrlosen Altkanzler ausweiten. Bis zur Bezeichnung als „weltweit wichtigster Lobbyist“ Putins verstieg sich Klimkin, nur weil Schröder seinem Duzfreund Wladimir einen, genau, Freundschaftsdienst erweist (mit Spesenausgleich, versteht sich) und als Aufsichtsrat von Nordstream 2 und Rosneft ein bisschen symbolische Markenwerbung im Westen betreibt.
Dort musste der äquidistante Beobachter angesichts der rapide um sich greifenden Russophobie nach Klimkins Äußerung das Schlimmste befürchten. Doch hatte Schröder Glück im Unglück: Auch im Westen gibt es noch prinzipienfeste Menschen, die sich vom anhaltenden Kriegsgeheul nicht aus der Ruhe bringen lassen und in der Lage sind, Schröders Tätigkeit in ein ausgewogeneres Weltbild einzusortieren.
Einer von ihnen ist Frank Wahlig, seines Zeichens SWR-Korrespondent im ARD-Hauptstadtstudio. Mit seinem Kommentar „Schröders Geschäft, deutsches Interesse“ bezog Wahlig am gestrigen Montag couragiert Stellung gegen das NATO-hörige deutsche Medienkartell ebenso wie gegen die deutsche Grammatik, als er freiheraus fragte, „Hat [Schröder] etwas anderes verbrochen, außer seinen Interessen nachzugehen?“ Seine, Schröders, Interessen seien schließlich auch „in Teilen deutsche Interessen“, Projekte wie direkte Gasleitungen von Russland an die deutsche Ostseeküste zudem offenkundig „für die deutsche Energiesicherheit enorm wichtig“. Wahlig blieb dabei: „Je unabhängiger die Versorgung ist, desto besser ist es für den Standort Deutschland.“ Auch die ständigen Gaspreiserpressungen durch die Transitstaaten Polen und Ukraine könnten mit Nordstream 2 endlich der Vergangenheit angehören – wenn, ja wenn unser russophobes Establishment es denn zuließe.
Mit Putin gegen die AfD
Das steht ohnehin mit dem Rücken zur Wand. Deutschland hat sich energiepolitisch in eine Sackgasse manövriert, wie Wahlig zutreffend bemerkt: Ohne Atomkraftwerke und mit rückläufiger Kohleverstromung sei die Stromversorgung zunehmend ungesichert. Was könnte also näher liegen, als die entstandenen Lücken mit russischem Gas aufzufüllen, jenem „Treibstoff der deutschen Wirtschaft“? Es ist Wahlig hoch anzurechnen, dass er hier nicht über die von der russlandfeindlichen Gegenseite hingehaltenen Diskursstöckchen springt und sekundär-russophoben Verschwörungstheorien des Inhalts, der Atomausstieg könnte gerade wegen gesteigerter Abhängigkeit vom russischen Nachbarn der falsche Kurs gewesen sein, keinen Raum gibt. So wie Altkanzler Schröders Einsatz für brennende Lampen und volle Auftragsbücher sorgt, so ringt Wahlig im selben Atemzug zugleich auch noch die AfD argumentativ nieder: Deren Befürwortung der Kernkraft muss vor dem Hintergrund der Bemühungen führender AfD-Politiker, die Beziehungen zu Russland zu verbessern, schließlich gleichfalls als Anachronismus aus finstersten Lucke-Zeiten betrachtet und zeitnah überdacht werden.
Es bleibt insgesamt zu hoffen, dass sich im politischen Berlin neben unverbogenen Journalisten wie Herrn Wahlig, der Bundestagsfraktion der AfD und vereinzelten Lichtblicken in den Reihen der Linkspartei noch genügend Pragmatiker finden, die nicht gleich aus jeder russlandfeindlichen Zeitungsente einen Kriegsgrund zusammenschustern müssen. Dem Frieden in Europa, aber auch der Altersruhe eines verdienten Altkanzlers wäre mit diesem bescheidenen Wunsch schon gedient.
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